Missverständniss

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Der große Wächter geht um Myro herum. Kaleihrahs Hand zittert nicht nur, sonder fängt auch an zu schwitzen.
Oh nein, oh nein, oh nein. Ich habe ihr versprochen, dass nichts passiert.
Er kneift die Augen zusammen und drückt ihre Hand fester. Er hört nur, dass der Wächter neben ihr stehen bleibt. Man hört seine Rüstung, also bewegt er sich. Myros Atem verschnellert sich unbemerkt.
Bitte kauft mir die Lüge ab, bitte.
Der Wächter zieht Kaleihrah wohl die Kapuze runter, denn sie lässt einen Schrei los und sinkt auf den Boden, wobei sie seine Hand los lässt. Abrupt dreht er sich um und sieht sie auf dem Boden kniend. Den Kopf nach unten geneigt, so dass man nur ihre roten Haare sieht.
„Soso, dann lass uns doch mal genauer schauen.", der Wächter grinst und bückt sich neben sie.
Er legt eine Hand unter ihr Kinn und hebt ihren Kopf, dass er in ihre Augen schauen kann. Hilflos muss Myro beobachten, wie die Angst Kaleihrah Tränen in die Augen treibt. Sie sind grün und zeigen keinerlei Anzeichen des Dämons in ihr.
„Ihr macht ihr Angst."
„Bitte?", der Wächter wendet sich von Kaleihrah zu Myro.
„Ich sagte ihr macht ihr Angst, bitte lasst uns gehen, wir haben nichts verbrochen. Sie kann ja nichts für ihr Aussehen. Sollten wir allerdings den Hybriden entdecken, werden wir uns natürlich sofort an die zuständigen Behörden melden.", Myro bettelt mit gesengtem Kopf, damit sie nicht seine Augen sehen.
Der Wächter steht auf. Die anderen beiden wollen näher kommen, doch der vor ihnen hebt die Hand und sie bleiben stehen. Er dreht den Kopf, dass er Myro ansehen kann.
„Du hast Glück, Mensch. Sie ist wirklich nichts anderes als ein Menschenmädchen, auch wenn ich mich frage, wie jemand wie du, an jemand hübschen wie sie rankommt.", er schnippst Myro gegen die Stirn und richtet sich wieder auf.
„Alles klar. Lasst uns gehen. Und den da,", der Wächter zeigt auf den Menschen, der sie zusammengeschlagen haben, „den nehmen wir mit. Mit dem hab ich noch ein Hühnchen zu rupfen."
Wächter Nummer zwei klaubt die Überreste des lebenden Wesens auf dem Boden auf und wirft ihn über seine Schulter. Sie kommen von der Straße runter, gehen zu einem schwarzen Auto, öffnen es und schmeißen den Menschen hinein. Mit einem drohenden Blick zu den Leuten in den Seitenstraßen steigen Sie ein und fahren weg.
Myro atmet auf. Der Bürgersteig füllt sich wieder mit Leuten. Erst langsam und vorsichtig, doch nach ein paar Minuten im normalen Alltagstempo. Myro dreht sich zu Kaleihrah, die immer noch auf dem Boden sitzt. Schnell zieht sie sich wieder die Kapuze über.
„Komm, ich helfe dir.", er reicht ihr beide Hände.
Doch sie will sie nicht annehmen. Also greift er unter ihre Arme und hebt sie mit aller Kraft hoch. Sie zittert immer noch.
„Es ist vorbei, wir haben es überlebt.", er nimmt sie in den Arm.
Das Zittern lässt langsam nach und auch ihr Herz nimmt eine normale Geschwindigkeit an.
„Lass uns nach hause gehen.", flüstert sie leise in sein Ohr, „Bitte."
„Natürlich.", er nimmt wieder ihre Hand und sie laufen los.
Auch der Verkehr hat sich wieder normalisiert. Zum Glück sind sie wirklich nicht weit von zu Hause weg. Sie laufen an dem Gebäude vorbei in dem Myro arbeitet und um Kaleihrah abzulenken, erzählt er ein bisschen darüber. Auch, wo er die Handschuhe gefunden hat. Sie lacht über einige Geschichten, die er erzählt und wischt sich die letzten Tränen aus den Augen, mit den zu langen Ärmeln ihrer Jacke. Sie laufen durch die Seitenstraßen, die zu Gassen, die zu Wegen werden, die kein Auto durchfahren kann. Zu Hause angekommen, wurschtelt Myro mit seinen Schlüsseln herum, bevor er den richtigen findet und die Tür öffnet.
Sobald die Tür offen ist, stürmt Kaleihrah an ihm vorbei ins Wohnzimmer.
Ob alles in Ordnung ist? Nichts ist in Ordnung, sie hat gerade ein Trauma bekommen!
Er öffnet seine Jacke und hängt sie an die Gaderobenleiste hinter der Tür. Nachdem er sich auch seiner Schuhe entledigt hat, geht er zur Wohnzimmertür. Er sieht Kaleihrah auf der Couch kauern. Sie hat sich hingelegt und die Beine angezogen. Sie zittert.
„Hey.", er weiß nicht genau, was er sagen soll.
Sie übernimmt das für ihn, indem sie aufhört zu zittern und sich wütend umdreht. Kyra hat wieder die Kontrolle und ist stinkwütend. Sie steht auf und kommt zur Tür rüber.
„Hast du sie noch alle? 'Sie sieht so aus wie der Hybrid, sie kann ja nicht für ihr Aussehen.' Aber sonst geht es dir noch gut, oder?", sie stößt ihn, sodass es fast das Gleichgewicht verliert.
Ihre Stimme ist kühl, keinerlei Emotion, aber ihr menschlicher Teil ist wütend.
„Was denn? Wenn du eine bessere Idee gehabt hättest, hättest du sie ja sagen können.", noch ist er ruhig.
„Ich hätte eine Idee gehabt, nein warte, Kaleihrah hätte eine Idee. Wie wäre es gewesen, wenn ihr weggelaufen wärt, oder einfach in eine Nebengasse verschwunden wärt?", sie schubst ihn weiter in den Flur hinein, an die gegenüber liegende Wand.
„Wie wäre es, wenn du die Kontrolle übernommen hättest und dich mit Ihnen duelliert hättest, wie an dem Tag, an dem ich dich aufgelesen hab?", seine Stimme steigt mit seiner Wut.
„Du hast gesagt, wir sollen keine Seelenwechsel machen und außerdem habt ihr es mir zu verdanken, dass ihr überhaupt noch lebt, klar?"
„Wie ist das denn zu verstehen?", plötzlich verfliegt seine Wut.
„Ihr habt nur überlebt, weil die Wächter mich nicht gesehen haben. Ich hab mich zurückgezogen. Ich habe die Fähigkeit, meine Seele mehr oder weniger aus diesem Körper zu verbannen. Die Wächter können durch einen Blick in die Augen in die Seele schauen, also hab ich mich schon in der Bibliothek so weit es ging zurück gezogen, damit sie auch keine Reste meiner Seele sehen. Kaleihrah war ein fast reiner Mensch zu diesem Zeitpunkt. Deswegen haben die Wächter euch weiter gehen lassen.", sie beendet und es wird still.
Sie sieht ihn an. Ihre schwarzen Augen starre in ihn hinein. Sie erwartet wohl eine Antwort, denn sie schüttelt den Kopf und geht wieder auf die Couch zurück.

Einmal Dämon, immer DämonWo Geschichten leben. Entdecke jetzt