Arbeit eines Menschen

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Er schließt die Tür und zieht die Jacke noch etwas weiter zusammen, weil ihn ein kühler Luftzug um die Ohren saust.
Ist es kälter geworden?
Selbst bei Tag ist der Himmel grau in grau. Dass es dahinter einen blauen Himmel gibt, mit einer hellen Sonne, weiß er nur aus Büchern der Bibliothek. Wie eigentlich alles, was er nicht in der Schule oder auf der Arbeit erzählt bekommt.
Ja, er war auf der Schule...zumindest bis seine Eltern verschwunden sind. Danach wurde er mit hohen Bogen aus der Schule geworden. Zumindest hat er Teilnahmezertifikat bis zur 8. Klasse ausgestellt bekommen. Damit konnte er eine Lehre in einem kleinen Betrieb hinter einem Schreibtisch anfangen und beenden.
Wie alt sie wohl ist?
Wieso schweifen seine Gedanken jetzt zu der Hybridin? Sie wirkt jung. Ob sie jemals eine Schule besuchen durfte?
Wohl kaum, sie sagte ja selber, dass sie nichts anderes als das Observatorium kennt. Und man merkt es ein bisschen an ihrem Wortschatz und der Betitelung von Dingen.
Er geht die dunklen Straßen entlang, bis er an eine der drei Hauptstraßen gelangt.
Ich hoffe nur, sie macht nicht allzu viel Radau.
Während er sich in Richtung Büro bewegt, kommt er an vielen Läden vorbei, wovon einige ein großes Schaufenster haben. An einem bleibt er stehen, ohne erst zu wissen, warum. Doch dann entdeckt er, was ihn im Schaufenster festgehalten hat. Ein paar Lederhandschuhe, an deren Fingern die Hälfte des Stoffes fehlt. Es scheint, dass das Design extra so ist.
Wie viel sie wohl kosten? Irgendwie würden sie zu Kaleihrah passen, oder eher noch zu Kyra.
Aber dafür hat er jetzt keine Zeit, wie er beim Blick auf die Turmuhr, auf der anderen Straßenseite, merkt. Also hastet er weiter zwischen den Menschen und Dämonen, wovon sich einige verwirrt umdrehen und ihm nachstarren, zum Bürogebäude. Ein wenig außer Atem stempelt er seine Karte ab und macht sich auf den Weg in den dritten Stock. Da der Aufzug nur für die Chefs und Dämonen ist, muss er die Treppe nehmen.
Mecker nicht, es hält jung und gesund.
Im dritten Stock angekommen öffnet er die Tür und betritt einen großen Raum, in dem viele Tische in reih und glied stehen. Sie sind in Querreihen mit Blickrichtung zur Tür angeordnet, mit einem Fluchtweg in der Mitte des Raumes, der bei der Tür des Chefbüros endet. Diese Abteilung hat fast 50 Mitarbeiter, den Chef nicht mitgezählt und dementsprechend groß ausgebaut ist der Raum. Der Chef hat natürlich sein eigenes Büro am anderen Ende des Raumes mit einer großen Glastür, um sie stetig im Blick zu haben.
Derzeit sind noch nicht viele da. Die meisten seiner Kollegen fangen erst mittags an, weil es da die meiste Arbeit gibt. Myro hatte sich von Anfang an gesagt, dass er lieber früh anfängt, weil er dann nicht unbedingt Gefahr läuft, nachts auf dem nach Hause weg, überfallen zu werden oder schlimmeres. Interessanter Weise sind die Straßen Bellendras morgens sicherer als abends. Er seufzt und setzt sich an seinen Platz, der in einer mittleren Reihe an der Wand ist. In seiner Reihe ist noch niemand sonst da. Hinter ihm sitzen noch drei Leute, vor ihm einer und auf der anderen Seite sitzen nochmal ungefähr 10. Nur der Mann vor ihm -Fletcher Rigma- grüßt ihn mit einem kurzen Lächeln, dreht sich aber direkt wieder zu seinem Bildschirm. Myros Computer fährt hoch und auf dem Bildschirm erscheint die Anmeldemaske.
Um halb 10 ist Frühstück. Um 14:30 bist du hier raus.
Soll ich ihr die Handschuhe kaufen? Wieviel sie wohl kosten.
Er öffnet die Programme und sieht, dass er schon mehrere Aufträge hat.
Hoffentlich komme ich mit denen durch bis heute Mittag.
Er beginnt, den ersten Auftrag zu bearbeiten und füllt die erforderlichen Formulare in seinem zweiten Programm aus. Ruck zuck hat er in der ersten Stunde schon drei Aufträge geschafft. Im Augenwinkel merkt Myro, dass sich etwas von links auf ihn zu bewegt. Zuckt aber trotzdem zusammen, als sein Chef eine Hand auf seine Schulter legt.
„Hast du kurz Zeit Ferngully?"
Wortlos steht Myro auf und folgt mit hängenden Schultern seinem Chef.
Hab ich etwas falsch gemacht?
Die anderen im Raum drehen ihre Köpfe in seine Richtung um zu sehen, welchen Armen Tropf es diesmal erwischt. Wenn der Chef jemanden persönlich in sein Büro bittet, ist das selten was gutes gewesen. Wenn er so darüber nachdenkt, noch nie.
In seinem Büro setzt sich sein Chef hinter den Schreibtisch und Myro nimmt vor dem Tisch platz.
„Habe ich etwas falsch gemacht?", mit gesengtem Kopf klemmt er seine Hände zwischen seine Oberschenkel.
„Falsch?", fragt sein Chef nach einer langen Pause.
„Nein. Du bist einer meiner besten Mitarbeiter, Ferngully. Wegen deiner hohen Quoten, sind die hohen Tiere ganz oben zu der Übereinkunft gekommen, dass sie deinen Lohn um 20 Tries aufstocken wollen.", die schwarzen Augen, seines Gegenübers sind geschlossen.
Hab ich richtig gehört? Eine Lohnerhöhung?
Sein Mund wie seine Augen sind weit aufgerissen.
„Mach nicht so ein Gesicht. Und jetzt geh zurück an die Arbeit. Sollte sich deine Leistung allerdings sichtlich verschlechtern, werden dir die 20 Tries wieder abgezogen!"
An der Tür, erhebt sein Chef nochmal das Wort.
„Und Ferngully! Hab gehört, dass sich ein Hybrid in deiner Wohngegend rumtreiben soll, pass auf dich auf."
„Natürlich, Chef. Mach ich doch immer.", ohne sich zu ihm umzudrehen, geht Myro aus dem Raum.
Er will nur keinen so guten Arbeitnehmer verlieren.
Der Rest des Tages verläuft gut für Myro. Zurück am Arbeitsplatz bekommt er auch schon eine Bestätigungsmail von einem der Leiter des Unternehmens.
Dann stimmt es wohl.
Um Punkt 14 Uhr 30 stempelt er gedankenverloren aus. Die Lohnerhöhung hat er immer noch nicht so ganz realisiert. An der Hauptstraße läuft er wieder an dem Laden mit den Fäustlingen vorbei, doch diesmal direkt zur Tür des Ladens.
„Entschuldigen Sie.", er tippt einer Dame mit dunkelbraunem Pferdeschwanz auf die Schulter.
Sie dreht sich zu ihm um. Sie ist etwas kleiner als Kaleihrah und trägt eine grüne Schürze. Ihre Augen sind schwarz und leuchten unter der hellen Beleuchtung des Ladens, in dem neben Kleidung auch Lebensmittel verkauft werden. Sie sieht ihn genervt an.
„Was, Mensch? Siehst du nicht, dass ich am arbeiten bin?"
„Es tut mir leid, ich wollte nur fragen, wie viel die Handschuhe in ihrem Schaufenster kosten."
„Was, die alten Teile? Du weißt schon, dass das Frauenhandschuhe sind?", erst jetzt merkt Myro, dass sie einen Kaugummi am kauen ist.
„Ja, das weiß ich. Also, wie viel kosten sie?"
„13 Tries und 50 Quran."
„Ich würde sie gerne kaufen."
Sie sieht ihn mit einer hochgezogenen Augenbraue an, geht zum Fenster rüber, nimmt die Handschuhe und läuft zur Theke mit der Kasse. Sie tippt ein wenig auf dieser rum und hält ihm die offene Hand hin, ohne ihn anzuschauen, weiter Kaugummi kauend. Er zieht seine Geldbörse und kramt den genannten Betrag heraus. Die Kasse springt auf, die Dämonin legt das Geld hinein, greift nach einer kleinen Tüte unter dem Tresen und stopft die Handschuhe hinein. Sie streckt ihm die Tüte entgegen, und schaut ihn skeptisch an, bevor sie die Tüte loslässt.
„Ist aber ein komisches Verlobungsgeschenk."
„Bitte wie? Ach nein. Sie ist nicht meine Freundin.", winkt er ab.
„Trotzdem ein teures und komisches Geschenk für ein einfaches Mädchen.", sie dreht sich rum und kramt wieder in irgend welchen Regalen rum.
Er hebt die Augenbrauen, denkt nicht weiter darüber nach und verlässt den kleinen Laden.

Einmal Dämon, immer DämonWo Geschichten leben. Entdecke jetzt