Wie erklärt man jemandem was eine Blume ist? Er hatte bisher ja auch nur Bilder davon gesehen. In den Büchern in der großen Bibliothek. Er geht von der Haustür weg nach rechts. Auf der linken Seite des dunkelroten Flurs ist am Ende die Tür zur Küche. Er öffnet diese und zeigt der Hybridin, hinein zu gehen. Leicht wackelig, betritt sie die Küche. Myro schließt die Tür hinter sich etwas zu schnell und sie erschreckt sich, wirbelt herum und geht in Abwehrstellung.
„Es tut mir leid, aber ich muss die Türen schließen, sonst wird's hier drin zu schnell kalt. Auch wenn der Flur klein ist, hab ich das Gefühl, als würden die Wände alles an Wärme aufsaugen. Deswegen rate ich dir immer dicke Socken zu tragen und dich nicht zu wundern, wenn dir eine kalte Brise entgegen kommt, wenn du die Tür öffnest.", Myro geleitet sie zum kleinen Tisch, an dem zwei Stühle stehen und dreht sich dann zu der kleinen Kochnische.
„Reicht es, wenn ich dir ein Ei und Brot mache? Ich hab leider nicht so viel da.", aus dem Kühlschrank nimmt er die Packung mit den Eiern und aus dem Schrank unter dem Herd eine Pfanne.
„Ich denke schon.", murmelt sie, während sie sich wieder umschaut.
Hat sie noch nie eine Wohnung gesehen? Er denkt während dem kochen über ihre Hintergrundgeschichte nach.
Wenn sie gemarkt ist, bedeutet das, dass die Regierung sie gefangen gehalten hat. Und wenn sie hier ist, bedeutet das wohl, dass sie irgendwie geflohen sein muss.
Die Regierung versucht zwar den Wesen in Bellendra auszureden, dass sie Hybriden gefangen hält, aber jeder weiß, dass es stimmt.
„Hier. Ich hoffe es schmeckt.", er stellt ihr den Teller hin und nimmt noch Salz und Pfeffer aus dem Hängeschrank.
„Was ist das?", fragt sie und zeigt auf die Gewürzgläschen.
Hatte sie denn auch noch nie Gewürze gesehen?
„Äh...Salz und Pfeffer, falls das Essen nachgewürzt werden muss.", Myro setzt sich ihr gegenüber auf den anderen Stuhl.
Er hatte noch nie allzu viele Freunde, deswegen brauchte er sich bisher auch nie einen größeren Tisch oder mehr Stühle zu kaufen.
Sie nimmt das Brot mit dem Ei in die Hand und betrachtet es von allen Seiten, bevor sie hungrig hinein beißt. Während sie genüsslich isst, beobachtet Myro sie weiter. Er merkt, dass sich ihre Augen kurz verfärben zu einem hellen rot, so rot wie ihr Blut.
„So...alsoo, äh.", er druckst rum, um die Stille zu füllen.
Kaleihrah hebt leicht den Kopf, isst aber weiter.
„Was ist mit deiner Familie? Über meine hab ich ja schon erzählt.", verlegen kratzt er sich am Nacken und lehnt sich im Stuhl zurück.
„Kennen wir nicht. Haben schon immer im Observatorium gelebt...gefangen gehalten worden.", sie steckt sich das letzte Stück Brot in den Mund und leckt sich die Finger ab.
„Oh, das tut mir leid."
„Du entschuldigst dich aber ganz schön oft.", skeptisch lehnt sie sich mit verschränkten Armen zurück.
Man hört nur das leise ticken der Uhr, die über der Tür hängt.
„Ja, das bekomme ich öfter zu hören.", er betrachtet die Tischfläsche mit dem Holzmuster.
„Dann sind deine Freunde wohl auch davon genervt.", er bemerkt, dass sie einen Mundwinkel hochzieht, nur ganz leicht und ganz kurz.
Die Uhr tickt weiter.
„Oh, ich sehe.", bemerkt sie nur und sieht sich wieder in der Küche um.
Wieso wirkt sie immer so, als suche sie nach einem Fluchtweg?
„Sag mal, wie bist du eigentlich...", beginnt Myro den Satz, wird aber von einer durchdringlichen weiblichen Stimme unterbrochen.
„Die Uhrzeit beträgt 19 Uhr. Alle Bewohner Bellendras werden aufgefordert, den Fernseher anzuschalten.", die Stimme verstummt.
Kaleihrah hat sich die ganze Zeit hektisch umgeschaut, um die Quelle der Stimme zu finden, wie er vermutet.
„Komm.", Myro steht auf und hält ihr die Tür auf.
Sie betreten wieder das Wohnzimmer und setzen sich nebeneinander auf die Couch. Der Fernseher flackert und geht an. Ein schwarz-weißes Bild erscheint. Ein Mann der hinter einem Tisch sitzt und ein paar Karten in der Hand hält, seine Augen sind schwarz, komplett. Der Dämonennachrichtensprecher beginnt mit den Meldungen. Beim rüberschielen zu Kaleihrah bemerkt Myro, das sie ganz fasziniert von dem sprechenden Kasten ist.
Was kennt sie denn überhaupt?
Nein, denkt Myro, sei nicht so unhöflich.
„Und nun zu unserer letzten Meldung. Untröstlicherweise mussten wir feststellen, dass ein Hybrid in der Stadt seine Unwesen treibt. Wenn sie ihn gesehen oder etwas von ihm gehört haben, melden Sie es umgehend den zuständigen Behörden in ihrer Nähe. Sobald wir informiert sind, werden wir uns darum kümmern, und die Gefahr beseitigen."
Die Gefahr beseitigen? Kaleihrah? Aber vielleicht meinen sie einen anderen Hybriden.
„Der Hybrid ist von weiblicher Natur. Ihre Nummer lautet 20557443 und sie ist geläufig unter dem Namen Kaleihrah und ihr Dämon unter Kyra, wie wir vor der Sendung erfahren haben. Nach der Sendung blenden wir noch ein Bild des Hybriden ein. Wir weisen sie noch einmal darauf hin, sollten sie ihn sehen oder erfahren, das jemand aus Ihrer Umgebung ihn gesehen hat, melden Sie es sofort den zuständigen Behörden. Und denken sie daran, sollte die Regierung herausfinden, das Sie den Hybriden gesehen haben und es nicht melden, oder ihn gar beherbergen, droht ihnen die Todesstrafe. Haben sie noch einen guten Abend. Bellendra wacht über sie.", beendet der Sprecher die Nachrichten.
Erst jetzt löst Myro den Blick von dem Kasten und sieht den Hybriden an. Sie hat die Hände an die Ohren gelegt und die Augen geschlossen. Sie wippt vor und zurück und flüstert etwas unverständliches.
„Hey, was ist denn los?", er greift nach ihrer Schulter, doch sie reagiert nicht.
Ihr Flüstern wird lauter.
„Nein, nein, nein. Ich werde das nicht machen, nein. Lasst mich in Ruhe."Das Bild des Fernsehers flackert nochmal auf. Zu sehen ist ein weibliches Gesicht. Sie hat helle schulterlange Haare und Augen. Eine relativ normal große Nase und einen Mund mit leicht schmalen Lippen. Das Foto sieht aus, wie ein Verbrecherfoto. Neben dem Foto mit dem Gesicht, taucht noch ein kleineres Foto mir ihrer Tätowierung auf und darunter nochmal der Hinweis alles zu melden, was auf den Hybriden hinweist.
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Einmal Dämon, immer Dämon
FantasyBellendra. Eine Welt in der es Menschen, Dämonen und Hybride gibt. Jeder Mensch trägt einen Dämon in sich, bei manchen kommt er nie zum Vorschein, bei anderen übernimmt er die Kontrolle. Manchmal kommt es vor, dass Dämon und Mensch in einem Körper v...