Aufgeflogen

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Myro weckt Kaleihrah und beide frühstücken. Die Stimmung ist düster und irgendwie bedrückend. Sie reden kein Wort miteinander und gehen sich umziehen. Sie tragen dieselben Klamotten wie gestern, da diese noch tragbar sind. Und er für sie sowieso kaum etwas anderes hat.
Wir sollten nachher vielleicht Klamotten kaufen gehen, wenn wir zurück fahren.
Natürlich würden sie wieder den Bus nehmen, da Myro kein eigenes Auto oder anderweitiges Fahrzeug besitzt. Erstens, weil er ein Mensch ist und es ihm mehr oder weniger untersagt ist, ein derartiges Fahrzeug zu besitzen. Und zweitens, weil er sowieso nicht genug Geld verdient, um sich so etwas auch nur ansatzweise leisten zu können.
Er hilft Kaleihrah die Jacke zu zu machen und die Schuhe ordentlich zuzubinden.
„Ich habe Angst.", flüstert sie, während er ihre Schuhe bindet.
„Ich weiß, ich will dich nicht anlügen...ich habe auch Angst.", er sieht in ihre grünen Augen.
Sie sind groß und angsterfüllt. Sie sieht ihn traurig an.
„Aber das dürfen wir uns nicht anmerken lassen. Und keine Sorge, wir nehmen heute einen anderen Bus.", er versucht sie mit einem Lächeln aufzumuntern.
Es funktioniert, ihre Lippen zeichnen ein leichtes Lächeln ab. Sie nickt. Er stellt sich wieder hin und hilft ihr beim aufstehen, da sie auf dem Boden sitzt. Während er die Tür öffnet, greift Myro nach seiner Jacke und geht auf die Straße. Kaleihrah zieht hinter sich die Tür zu und Myro schließt sie ab. Daraufhin gehen sie dieselbe Route wie am Tag zuvor schon, zu der Haltestelle. Da viele Leute da sind, stellen die beiden sich etwas abseits hin. Ein paar Busse halten, Leute steigen ein und aus, und er fährt wieder ab. Dann kommt auch der Bus mit dem die beiden gestern schon gefahren sind. Reaktionell zuckt Myros Fuß, aber er schafft es sich an gestern zu erinnern und bleibt stehen. Er sieht dem Bus hinterher, wie er in Richtung Sapient davon fährt.
„Wir müssen mit dem nächsten Bus fahren.", bemerkt Myro und Kaleihrah nickt stumm.
Sie hat die Kapuze wieder tief ins Gesicht gezogen.
Nach ein paar Minuten kommt der Bus und die beiden steigen ein.
„Zwei Tickets nach Arsta."
Myro bezahlt und der Fahrer gibt ihnen die Tickets ohne ein Wort zu sagen, oder sie eines Blickes zu würdigen. Sie setzen sich in eine der hinteren Reihen und der Bus fährt ruckelnd los.
Mit einem Blick zum Fenster bemerkt er, dass Kaleihrah einen Arm daran abstützt und ihn ignoriert.
„Wir werden nach Arsta fahren und von da aus laufen müssen.", erklärt er.
Keine Reaktion.
Er lehnt sich zurück in den Stuhl und sieht sich im Bus um. Es sitzen noch ein paar Leute da, zwei Menschen und vier Dämonen. Einer der Dämonen beäugt die beiden argwöhnisch. Dreht sich aber wieder nach vorne, als er merkt, dass Myro ihn ansieht.
Ob er uns verdächtigt? Ich glaube nicht. Er kann ihr Gesicht nicht sehen.
Ansonsten verläuft die Fahrt ruhig, der Dämon steigt sogar an der nächsten Haltestelle aus.
Gut eine halbe Stunde später steigen auch Myro und Kaleihrah als letzte Fahrgäste aus. Die bunten Häuser des Viertels empfangen sie. Kaleihrah zieht die Kapuze wieder tiefer. Sie machen sich auf den Weg ins nächste Viertel. Sie brauchen einige Zeit, in der die beiden auch nichts reden. Sie gehen einfach nur nebeneinander her. Kaum einer begegnet ihnen und die grauen Wolken am Himmel sehen heute freundlich aus.
Die Sonne muss wohl scheinen.
Sie kommen endlich an dem großen Platz an. Während sie an der Statue vorbeigehen, rückt Kaleihrah etwas näher an Myro ran, sodass sich ihre Schultern berühren. Er sieht sie kurz an und legt vorsichtig einen Arm um ihre Schultern. Sie weicht nicht zurück, also lässt er sie dort.
Sie besteigen die grünen Mamorstufen und das Gebäude. Beim kurzen Blick in Richtung Information, sieht er Helenary, die ihn erst anlächelt und winkt, dann Kaleihrah sieht und ihr Gesichtsausdruck verfinstert sich.
Was hat sie denn?
Aber er geht direkt zu der Metalltreppe und in dieselbe Abteilung wie am Tag zuvor. Auch Kaleihrah sieht sich ein paar der Bücher an. Sie bleibt an ein paar Comics hängen, die wohl aus der Außenwelt kommen.
„Du kannst dir die Comics ja anschauen und hier bleiben, dann weiß ich wo du bist. Ich schaue mal ein paar Regale weiter.", Kaleihrah nickt und blättert weiter in dem Heft.
Er geht drei Regale weiter und ließt wieder die Titel der Bücher.
Gedichte und Reime. Zungenbrecher und Weisheiten...
Noch ein Regal weiter kommt er der Sache schon näher.
Hier, Karten der verschiedenen Welten.
Er zieht den ersten Band heraus und schlägt das Buch irgend wo in der Mitte auf. Seine Augen weiten sich bei den Bildern, die sich ihm bieten. Bunte Bilder von Karten erstrecken sich über die großen Seiten. In Grün, Braun und Blau. Das Blau scheint Wasser darzustellen. Das Grün und Braun müssen dann das Land darstellen. Da das Braun immer in Kreisen auftritt, denkt Myro, dass es sich um Erhöhungen handeln muss. Ein paar Seiten weiter ist ein Teil der Karte weiß.
Ob sie hier vergessen haben weiter zu zeichnen?
Die Karten sind alphabetisch geordnet, also blättert er zu B wie Bellendra. Er öffnet die Seite und starrt auf graue Streifen.
Die Streifen müssen die Straßen sein. Hier ist die Mitte und das müssten dann die einzelnen Viertel sein.
Er dreht sich vom Regal weg um mehr Licht zu haben. Die großen Hauptstraßen verlaufen von der Mitte zum Rand der Karte. Und zwischen den großen und den normalen Hauptstraßen verlaufen Querstraßen. Von weitem betrachtet sieht Bellendra aus wie ein Spinnennetz. Im Herzen der Welt, die Mitte der Stadt, liegt das Gebäude des Bürgermeisters, die Ausbildungsstelle und natürlich das Observatorium. Die Gebäude sind markiert und beschriftet. Zum Rand der Karte hin, werden die Beschriftungen immer weniger. Und am Seitenrand steht gar nichts mehr. Als gäbe es da nichts. Keine Gebäude, keine ordentlichen Viertel und nicht ein Tor zur Außenwelt.
„Das ist doch unmöglich."
Er blättert vor und zurück, doch ist das die einzige Karte, die von Bellendra in diesem Buch ist. Auch im Verzeichnis ist nur die eine Seite zu finden.
Er zieht ein weiteres Buch raus, doch auch hier nichts. Er durchsucht auch die anderen Bücher, bis...
„MYYYROOOO!", Kaleihras Schrei hallt durch den großen Raum.
Sie schreit erneut, doch wird sie unterbrochen. Myro hastet um die Ecke. Auf dem Hauptgang sind drei Wächter in ihren schwarzen Rüstungen und zwei von ihnen halten Kaleihrah unter den Armen fest. Diese zappelt und wehrt sich. In ihrem Mund ist ein Stofffetzen. Sie entdeckt Myro und versucht erneut zu schreien. Der dritte Wächter wird darauf aufmerksam und dreht sich zu Myro um. Dieser macht ein paar Schritte rückwärts. Bevor er noch etwas machen kann, gibt der dritte Wächter ein Zeichen und zwei kräftige Arme packen Myro von hinten unter den Armen.
„Den nehmen wir auch mit."
Doch anstatt in die selbe Richtung zu gehen, entfernet sich die Truppe um Myro. Kaleihrah streckt einen Arm in seine Richtung. Myro versucht sich zu wehren, doch bekommt als Antwort nur einen Schlag auf den Hinterkopf und seine Sicht wird schwarz.
Kaleihrah...

Einmal Dämon, immer DämonWo Geschichten leben. Entdecke jetzt