„Kalayrah, komm.", er dreht sich rum und lässt ihren Ärmel dabei los.
Er bereut es in der nächsten Sekunde, will sich rumdrehen, doch genau in dem Moment stürmen die ganzen Zweiseelen aus der Straße und rennen ihn um. Er fällt zu Boden, zieht die Beine an und hält die Arme schützend vor seinen Kopf. Sein Herz rast und er kann keinen klaren Gedanken fassen. Ein paar Wesen stolpern über ihn, er hört nur noch die Schreie und Rufe der Zweiseelen, die aus der Straße kommen. Immer mehr, als wären sie zahllos.
Ich werde sterben.
Er hört das Blut in seinen Ohren und sein Körper beginnt zu zittern.
Ich werde sterben...
Plötzlich reißt jemand Myro auf die Füße, ein Wesen rennt in seinen Rücken, doch diesmal fällt er nicht hin. Jemand steht vor ihm und hält ihn noch an den Schultern fest. Es ist eine Frau. Sie nickt ihm zu, dass er ihr folgen soll und er folgt ihr ohne zu fragen.
Sie laufen erst ein gutes Stück mit den freien Zweiseelen, bevor die Frau ihn nach rechts aus der Masse zieht. Sie laufen an der leeren Straße entlang und die Geräusche der Entkommenen werden leiser und dumpfer. Die blonde Frau wird langsamer, bis sie eine normale Schrittgeschwindigkeit erreichen und lässt Myros Arm endlich los. Mit dem langsamen Tempo, sinkt Myros Aufregung und sein Gehirn beruhig sich und beginnt sofort Fragen zu stellen.
Wer ist diese Frau? Und wieso bin ich ihr einfach gefolgt? Warum folge ich ihr immer noch? Sie scheint offensichtlich ein Mensch zu sein. Was hatte sie da zu suchen?
Doch sein Körper schafft es vor lauter Erschöpfung nicht, die Fragen auszusprechen. Also folgt er ihr weiter. Sie geht in eine Nebenstraße und bleibt vor einer Tür stehen. Sie kramt in ihrer Hosentasche rum und zückt einen Schlüssel. Es klappert und die Tür öffnet sich mit einem leisen Klacken.
Die Frau schwingt die Tür auf und lädt ihn mit einer ausgiebigen Geste in den Flur ein. Mit einem kurzen Zögern betritt er den hellen Flur.
Der Flur endet links in einem großen offenen Raum, der wohl eine Art Wohnzimmer mit Esstisch darstellt. Ansonsten entdeckt Myro noch drei Türen und eine Treppe am Ende des Flures. Die Frau tritt hinter ihm ein und verriegelt die Tür. Schnellen Schrittes läuft sie an ihm vorbei in die erste Tür rechts.
„Ich hab ihn gefunden.", ist ihre Stimme aus dem Raum zu hören.
Erst jetzt bemerkt Myro seine schmerzenden Rippen. Und auch seine Arme sowie seine Beine schmerzen. Er beginnt wieder zu zittern, versucht sich an der Wand abzustützen, doch seine Hand gleitet an ihr ab und er fällt zu Boden. Er vernimmt noch Fußgetrappel, bevor alles schwarz wird.Es wird etwas heller. Myro sieht sich um und merkt, dass er auf einer Schaukel sitzt. Um ihn herum ist ein Park, der in orangenes Licht getaucht ist. An dem großen Baum neben der Schaukel hängen noch bräunliche Blätter. Der kleine Park ist umzäunt und dahinter stehen Häuser in reih und Glied. Alle sehen gleich aus.
Wie Schuhkartons. Alle klein, alle sehen gleich aus von innen. Nur ihre Besitzer verändern sie durch ihre Individualität.
„Ferngully? Das kann nicht sein.", er dreht den Kopf nach links und entdeckt Florentina.
Das hellblonde Hybridenmädchen lehnt mit verschränkten Armen gegen die Schaukelstange. Ihre grünen Augen heben sich stark von der Umgebung ab. Und im Gegensatz zu all den Gegenständen, die er sieht, hat sie keinen langen Schatten.
„Was denn? Nicht sowas wie Myrontia, Mythorik oder Mythirol?", Myro dreht den Kopf in die andere Richtung, zu Kaleihrah.
Sie sitzt auf einer weiteren Schaukel und sieht ihn durch ein paar Strähnen ihres Feuerroten Haares an.
„Äh..."
„Und deine Eltern. Die sind tot?"
„Nein, sie werden mich abholen. Ganz bestimmt.", eine fiepsige Stimme entweicht aus seiner Kehle.
„Sie werden nicht kommen.", sagt Kaleihrah wieder.
Trotzig schaut er zu Boden. Schritte sind zu hören und beide schauen zur Straße. Eine ältere Frau geht auf dem Bürgersteig und betritt den kleinen Park. Sie bleibt vor Myro stehen und beugt sich runter um mit ihm auf einer Höhe zu sein.
„Deine Mama und dein Papa haben mir gesagt, dass sie dich nicht abholen können. Sie haben mich gebeten, auf dich aufzupassen, bis sie zurück kommen.", er erkennt seine alte Nachbarin in ihr.
„Nein! Sie haben es mir versprochen. Sie werden kommen.", er schüttelt energisch den Kopf.
„Ich sag doch sie kommen nicht.", Kyra steht von der Schaukel auf und geht zum Parkausgang.
Die ältere Dame streckt freundlich lächelnd ihre Hand aus. Myro sieht nochmal zum Parkausgang, doch Kyra ist verschwunden.
„Ka...Kyra? Kaleihrah?", er steht auf, läuft zum Ausgang und sieht sich dabei um.
„Wer?", fragt seine Nachbarin.
„Ich...ich weiß es nicht..."
Nach und nach löst sich der Park plötzlich auf in langen Fäden, die nach oben gehen. Die Farben verschwimmen, bis er sich in einem schwarzen Raum wiederfindet. Er kann nichts erkennen.
Plötzlich wird eine unsichtbare Lampe angeschaltet und er sieht seine Eltern.
Sie knien auf dem Boden, eng umschlungen. Das alte Bild, die alte Szene. Doch es fühlt sich anders an.
„Na komm, tu es. Sie haben es verdient.", flüstert eine weibliche Stimme in sein Ohr.
Er dreht sich um, doch da ist niemand. In seiner rechten Hand spürt er plötzlich ein Gewicht und entdeckt eine Pistole darin. Sein Puls steigt und sein Kopf bekommt keine klaren Gedanken zusammen.
Seine Mutter schreit, ohne dass ein Ton aus ihr kommt. Myros Augen füllen sich mit Tränen.
„Sie haben es verdient! Drück ab, so wie schon zuvor!"
„Nein! Nein, das werde ich nicht!", er schüttelt den Kopf, doch lässt die Pistole nicht los.
„Dann lässt du mir keine Wahl."
„Kyra? Was, nein!", er spürt, wie jemand seine Arme um ihn legt, die aber in seine Haut eindringen und seinen Körper mit Kälte füllen.
Langsam hebt er die Arme, mit der Pistole zwischen seinen Händen.
„NEIN! Bitte!", eine Träne rollt seine Wange runter, doch der Dämon will nicht aufhören.
Sein Zeigefinger wandert zum Abzug.
„Bitte, sie sind unschuldig!", mittlerweile strömen die Tränen und trüben seine Sicht.
„Das. Glaubst. Du."BANG.
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Einmal Dämon, immer Dämon
FantasyBellendra. Eine Welt in der es Menschen, Dämonen und Hybride gibt. Jeder Mensch trägt einen Dämon in sich, bei manchen kommt er nie zum Vorschein, bei anderen übernimmt er die Kontrolle. Manchmal kommt es vor, dass Dämon und Mensch in einem Körper v...