Die Stadt

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Die Hauptverkehrsader ist wie immer voll belebt. Viele Autos fahren über die Straße und die Bürgersteige sind mit Menschen wie auch Dämonen gefüllt. Der Himmel ist zwar grau, aber es ist einer der schöneren Tage in Bellendra. Die Hochhäuser ragen in ihren trostlosen Farben in den Himmel und wirken wie eine Mauer zwischen den Straßen. Die Geschäfte sind gut besucht und die Büros gefüllt mit Arbeitskräften. Die Menschen und Dämonen bleiben hier und da an einem Schaufenster stehen und in den wenigen Cafés sitzen gut bekleidete Dämonen und lesen eine Zeitschrift oder schauen durch eine Sonnenbrille durch die Gegend, während sie immer mal wieder an ihren Tassen nippen.
An diesem guten Tag, tritt Myro auf die Straße und macht ein paar Schritte auf dem Bürgersteig. Er merkt erst nach Sekunden, dass die Hybridin ihm nicht folgt. Um nach ihr zu sehen, blickt er in die Straße, wo sie steht.
„Alles okay?"
Zitternd, die Fäuste an die Brust gehoben und mit gesengtem Kopf steht sie da. Ganz leise hört man sie wimmern. Voller Sorge geht er zurück in die Seitenstraße, während sie zur Hauswand rechts von ihr zurückweicht.
„Hey, keine Sorge.", er legt seine Hände auf ihre Schultern, doch sie reagiert nicht.
Er nimmt ihren Kopf in seine Hände und hebt ihn an.
„Ich bin bei dir. Es wird dir niemand etwas tun. Oder ist dir in meiner Nähe schon etwas passiert?", er sieht ihr direkt in die Augen, die voller Tränen sind.
Langsam schüttelt sie den Kopf, hebt einen Arm und wischt sich die Tränen mit ihrem Ärmel ab. Ihre Augen sind immer noch rot.
„Dann komm.", er nimmt ihre Hand und geht langsam zur Hauptstraße zurück.
Der ein oder andere hat die kleine Szene bemerkt, ist aber einfach weiter gelaufen. Sie wissen, dass in solcher Öffentlichkeit nichts passieren kann. Niemand würde es wagen, in der Nähe einer Hauptstraße ein Verbrechen zu begehen. Im Gehen, zieht die Zweiseele ihre Kapuze tiefer ins Gesicht. Sie weist auch Myros Hand nicht zurück und verstärkt ihren Griff sogar, als sie auf den Bürgersteig der Hauptstraße gehen. Dicht hintereinander gehen die beiden nach rechts die Straße herunter. Kaum einer beachtet sie.
Ein Glück, dass ich ihr die Handschuhe gekauft habe und die Idee mit dem Kapuzenpulli hatte. Wer weis, was sie mit ihr gemacht hätten, wenn sie herausfinden würden, wer sie ist? Aber wir sind noch nicht in der Bibliothek.
Er wundert sich immer noch, warum er sich mehr Gedanken um die Hybridin macht, als um sich selber.
Vielleicht weil mir mein eigenes Leben nicht so wichtig ist...
Bei der Bushaltestelle angekommen, bietet er ihr einen der Sitzplätze an. Sie flüstert ein „Danke" und setzt sich. Er stellt sich direkt neben sie, woraufhin sie wieder nach seiner Hand greift. Erstaunt guckt er zu ihr runter, während sie zu ihm hoch schaut. Immer noch mit leicht roten Augen. Er lächelt leicht, weswegen sie sich beruhigt und auf die Straße starrt. Neben ihr sitzen zwei Menschen. Sie interessieren sich nicht für die beiden, was ihnen zugute kommt.
„Wie weit ist es denn noch?", fragt Kaleihrah ohne ihren Blick von den vorbeifahrenden Autos abzuwenden.
„Wir müssen auf den Bus warten, der in ein paar Minuten kommen müsste.", er sieht nur ihre Kapuze und die Nasenspitze, die herauslugt.
Keine zwei Minuten später kommt auch schon das Mehrpersonengefährt und hält in der Parkbucht vor der Haltestelle. Die anderen, die um die Bushaltestelle stehen, bewegen sich in Richtung Tür des Busses. Myro zieht Kaleihrah hoch und besteigt den Bus als letzter mit ihr.
„Oh, dich hab ich ja schon länger nicht mehr gesehen Myro. Wieder einmal nach Sapient?", begrüßt ihn der Fahrer mit einem freundlichen Lächeln.
„Nein, zweimal.", er macht einen halben Schritt beiseite und gibt den Blick auf Kaleihrah frei.
„Uiuiui. Myro, ich wusste gar nicht, dass du eine Freundin hast. Und dann auch noch solch eine Schönheit. Aber wieso trägt sie eine Kapuze?", der Fahrer setzt sich leicht seitwärts.
„Sie ist eine Freundin, nicht meine.", seine Wangen sagen aber was anderes, „Und musst du nicht deinen Fahrplan einhalten Jefforaya? Also, zwei Tickets nach Sapient, bitte.", Myro legt etwas Geld auf die kleine Ablage vor Jefforaya und streckt die Hand aus, um die kleinen Papierstreifen zu bekommen.
„Du hast dich verändert seit dem letzten Mal. Pass auf dich auf. Bellendra wacht über uns.", er händigt Myro die Tickets aus.
Ohne ein Wort, greift er wieder Kaleihrahs Hand und zieht sie in den Gang, wo rechts und links die Sitze sind. Im hinteren Teil des Busses finden sie eine freie Bank und er lässt sie reinrutschen. Er setzt sich hin und beobachtet die anderen Fahrgäste. Sie beachten die beiden nicht.
Gut. Wir haben soweit keine Aufmerksamkeit erregt.
Mit einem Ruck fährt der Bus los. Kaleihrah entfährt ein leiser Schrei und sie zuckt zusammen.
„Hey, keine Angst. Wir sind nur losgefahren."
Sie beruhigt sich schnell und sieht aus dem Fenster. Nach einiger Zeit stützt sie ihren Ellenbogen am Rahmen ab. Sie ist die ganze Zeit über still.
Sie durchfahren mehrere Stadtteile. Einige Grenzen erkennt man kaum, andere sind gut zu erkennen, an den abrupten Stiländerungen der Häuser. Sie wechseln von grau und schlicht zu leichten Farben und  Verzierungen.
„Wir sind jetzt im Künstlerteil der Stadt. Auch Arsta genannt.", erklärt Myro, während er nach draußen zeigt.
Unbeeindruckt hebt sie den Kopf. Wieder sieht er nur ihre Nasenspitze aus der Kapuze hervorlugen.
„Wir sind bald da, keine Sorge.", er wendet sich wieder den Fahrgästen zu.
Der Bus wird nach einiger Zeit langsamer und fährt in eine weitere Haltebucht.
„Komm.", er rutscht aus der Bank und hilft ihr indem er wieder ihre Hand nimmt und hinter sich her zieht.
Sie drängen sich an jemandem vorbei und steigen aus der hinteren Tür aus. Ausgestiegen, krallt sich Kaleihrah wieder in Myros Arm. Die Türen schließen sich hinter den beiden und der Bus fährt weiter. Sie schaut dem Personenfahrzeug hinterher, ohne Myros Arm loszulassen.
Vorsichtig entfernt er einen Arm von ihr, hält sie aber weiter an der Hand fest.
„Keine Sorge. Hier dürften kaum bis gar keine Wächter sein.", flüstert er ihr dabei ins Ohr.
Sie nickt mit gesengtem Kopf. Die beiden setzen sich in Bewegung.

Einmal Dämon, immer DämonWo Geschichten leben. Entdecke jetzt