6. Vernachlässigung und Geschwisterliebe

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Unter meinen kleinen, beziehungsweise manchmal auch größeren Stalking Aktionen leidet die Schule ziemlich. Ich war ja noch nie besonders gut in der Schule, aber die ganze Situation wächst mir so über den Kopf, dass ich nicht auch noch lernen kann. Also kassiere ich eine Sechs nach der anderen.

"Dir hat die Auszeit scheinbar doch nicht so gut getan.", sagt Satans Tochter und gibt mir meine Englischarbeit zurück. Eine fünf, obwohl ich in Englisch eigentlich ganz gut war "Sometimes suicide is a solution.", flüstert sie mir zu. Als wir in der Pause wieder am Lehrerparkplatz stehen, lässt Elli ihrer Wut freien Lauf. Sie schimpft wie ein Rohrspatz. "Oh Göttin, ich hasse diese Frau so sehr.", sagt sie, als sie sich wieder beruhigt hat. Ich nicke zustimmend. Jonas schaut sehnsüchtig unserem ehemaligen Sportlehrer hinterher, aber außer mir bemerkt das niemand.

Zuhause sitze ich stundenlang auf meinem Bett und starre ins Leere. Dabei denke ich über Mona nach. Warum kann sie mich nicht lieben, warum beachtet sie mich nicht? Und warum verdammt, bin ich immer die, die am Ende leidet?

"Sophie, ist alles okay bei dir? Kann ich rein kommen?", fragt Tom und steht in der Tür. "Du bist ja quasi schon drinnen.", sage ich. Er setzt sich neben mich aufs Bett und schaut mich fragend an. "Was?", frage ich. "Irgendwas ist mit dir. Ich weiß dass es dir nicht gut geht. Du musst mit mir reden, ich bin dein Bruder. Was ist mit dir los?", sprudelt es aus ihm heraus. "Alles gut, mach dir keine Sorgen.", sage ich. "Sophie, ich studiere Psychologie und ich weiß ganz genau dass etwas mit dir nicht in Ordnung ist. Irgendwas bedrückt dich aber du musst auch mit mir reden. Dir geht es bestimmt besser wenn du mit mir geredet hast.", sagt er. Ich schaue genervt aus dem Fenster.

"Kennst du noch Frau Stark, die Lehrerin die du damals so gehasst hast?"

"Klar, Satans Tochter."

"Sie ist jetzt meine Klassenlehrerin, außerdem habe ich sie in Englisch und Sport."

"Mein aufrichtiges Beileid, Schwesterherz."

"Sie ist nicht besonders nett. Kurz gesagt, sie macht mir, Jonas und Elli das Leben zur Hölle."

"Mäuschen, das legt sich wieder. Du musst bei ihr einfach im Unterricht mitmachen und vielleicht nicht unbedingt neben Jonas und Elli sitzen."

"Jonas und Elli sind meine besten Freunde."

"Ich weiß, aber sie haben nicht unbedingt einen guten Einfluss auf dich."

"Geht's noch?"

"Du erinnerst dich doch noch bestimmt an Lars und Marco, das waren meine besten Freunde, bis ich gemerkt habe dass sie mir nicht gut getan haben, dass sie mir Steine in den Weg gelegt haben, ohne es zu wollen. Ich war früher ein ziemliches Arschloch, ich war ziemlich gemein zu Mama und zu dir. Irgendwann habe ich gemerkt dass Freunde nicht alles im Leben sind. Ich habe jetzt nur noch einen besten Freund, bei dem ich mir sicher sein kann dass er immer auf meiner Seite steht."

"Das Leben ist nicht so mein Ding."

"Das weiß ich, manchmal ist das Leben auch nicht so mein Ding."

Mein großer Bruder nimmt mich in den Arm, das hat er nicht mehr gemacht, seit er mich das erste Mal in der Klinik besucht hat und davor hat er es eigentlich noch nie gemacht. Er war schwierig, aber auf eine andere Art als ich. Erst jetzt wird mir zum ersten Mal so richtig bewusst, wie sehr ich ihn lieb habe.

I love you until I die | LGBTQWo Geschichten leben. Entdecke jetzt