Es sind noch Sommerferien und ich bin sehr nervös. Immerhin war ich ein Jahr lang nicht über Nacht Zuhause. Ich fühle mich mehr wie eine Besucherin, als meine Mama mir mein Zimmer zeigt. Es ist sehr schön geworden. Die Wände sind jetzt hellblau, wie ich es mir gewünscht habe. Die Möbel, die ich schon seit Jahren hasse, haben Mama, Papa, Anna und Tom auch entsorgt. Ich habe jetzt ein riesiges Bett, einen schönen Schrank und den Schreibtisch, der mir so gut gefallen hat. Alles was mich jetzt noch an meine Vergangenheit erinnert, ist Panto, mein Stoffhund, den mir mein Opa zur Geburt geschenkt hat. Und natürlich meine Musik und meine Bücher.
Jetzt sitze ich also in meinem neuen Zimmer und frage mich, ob ich dieses Jahr überleben werde. Ich habe die Schule schon immer gehasst, denn sie zerstört jegliche Kreativität. Das einzige angenehme an meiner bisherigen Schulzeit waren Elli und Jonas, meine besten Freunde. Sobald ich wieder stabil war, durften sie mich in der Klinik besuchen. Die Besuchstage waren die schönsten Tage meines Lebens, Elli hat jedes mal Muffins oder Kuchen mitgebracht und Jonas hat mit seiner lustigen Art alle zum Lachen gebracht. Meine Mutter klopft vorsichtig an die Tür. "Alles klar bei dir?", fragt sie. Ich nicke. Sie nimmt mich in den Arm und zum ersten Mal seit vier Jahren lasse ich das wieder zu.
Ich war nicht grundlos in der Klinik. Nach einem Nervenzusammenbruch inklusive Suizidversuch hat meine Mutter mich in die Klinik gebracht. Ich habe niemandem erzählt, was der wirkliche Grund für meinen Klinikaufenthalt war. Eigentlich war ich einfach nur verliebt, aber die Frau, in die ich mich verliebt habe, hat meine Liebe nicht erwidert. Es war eine ausweglose Situation, denn sie war meine Lehrerin. Irgendwann bin ich durchgedreht und konnte nicht mehr, ich wollte mit ihr zusammen sein oder sterben. Da ich nicht mit ihr zusammen sein konnte, habe ich beschlossen zu sterben, was leider nicht geklappt hat.
Mittlerweile geht es mir wieder ein bisschen besser, zumindest die Suizidgedanken sind weg. Klar, ich bekomme starke Antidepressiva. "Sophie, alles okay bei dir?", fragt meine Mutter, die bemerkt hat, dass ich wieder zu sehr nachdenke. "Alles gut.", sage ich knapp und hoffe, dass sie mir glaubt. Sie schaut mich zweifelnd an, verlässt aber das Zimmer. Endlich bin ich wieder allein.
Als erstes schnappe ich mir meine Lieblingsplatte und mein Lieblingsbuch, das habe ich am meisten vermisst. Ich könnte stundenlang lesen und Musik hören, denn das versetzt mich irgendwie in eine Art Paralleluniversum, in dem alles gut ist. Ich höre nicht die typische Musik, ich höre Rock, Punk und eigentlich so ziemlich alles, was zwischen 1960 und 1998 erschienen ist. Am liebsten höre ich die Beatles und Pink Floyd. Niemand außer Jonas und Elli versteht, warum ich diese Musik gerne höre. Die beiden hören die gleiche Musik und wir lieben es, stundenlang bei Elli zu sein, ihre Musik zu hören und darüber zu reden. Wir fühlen uns dann wie auf einer Insel, der Insel der ungeliebten Spielsachen. Die beiden lesen auch gern, was eigentlich der Grund ist, warum wir Freunde geworden sind. In der sechsten Klasse saß Jonas in der einen Ecke vom Schulhof und hat sein Buch gelesen, Elli saß ein paar Meter weiter und hat ein Buch gelesen und ich bin mit meinem Buch rumgelaufen und wusste nicht so wirklich, wo ich hingehöre. Bevor ich mit Jonas und Elli befreundet war, war ich eigentlich richtig beliebt, nur an diesem Tag hat meine komplette Clique beschlossen die Schule zu schwänzen, um shoppen zu gehen. Das fand ich nicht wirklich sinnvoll, also war ich allein. Als ich Jonas und Elli gesehen habe, habe ich mich auch einfach an die Wand gesetzt und habe gelesen. Das war dann mein Ritual für die nächsten paar Wochen. Einfach alleine dort sitzen und lesen, das war für mich der Himmel auf Erden. Nach ein paar Wochen hat Elli mich dann angesprochen, ob ich gerne Harry Potter lesen würde. Ich habe genickt und im nächsten Moment waren wir Verbündete. Ein paar Tage später kam Jonas dazu und wir waren die perfekte Clique. Wir waren zwar die Außenseiter, weil in unserem Umfeld niemand Bücher liest und alte Musik hört, aber das war uns schon immer egal.
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I love you until I die | LGBTQ
Teen Fiction"Wir waren verdammt nochmal was besonderes!", rufe ich. "Sophie, sei leise, verdammt. Ich hatte Angst.", flüstert sie. "Du hast immer Angst.", sage ich ruhig und lasse meine erste große Liebe stehen. Gerade hat Sophie ihr Leben wieder im Griff, da t...