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Den Sonntag vor Schulbeginn schaffte es Hannah, noch einmal Maite zu besuchen. Ungeduldig wartete sie auf ihre Mutter, die sich ihre Schuhe anziehen musste: „Immer mit der Ruhe, Hannah. Von deinem Gehetze werden wir auch nicht früher loskommen." „Ich habe aber nicht so viel Zeit. Immerhin willst du mich doch heute Abend schon wieder abholen." „Du musst morgen wieder in die Schule, da kannst du nicht bis spät in die Nacht unterwegs sein." Hannah brummte. Sie wollte ja auch nicht unterwegs sein, sondern einfach Zeit mit ihrer besten Freundin verbringen. „Können wir jetzt endlich los?", fragte Hannah genervt und verdrehte die Augen, als ihre Mutter in ihrer Handtasche herumwühlte und bemerkte, dass der Autoschlüssel fehlte. Als sie im Auto saß, hing Hannah ihren Gedanken hinterher. In den letzten zwei Nächten hatte sie ständig von Paddy geträumt. In einem Traum war Paddy ein neuer Schüler, der in ihre Klasse kam und neben ihr saß, in einem anderen wiederum war er ihr Freund, mit dem sie Hand in Hand spazieren ging. Die Träume verwirrten Hannah. Vor allem bekam sie ein wohliges Gefühl in der Magengegend, wenn sie an die Träume mit Paddy dachte. Sie war kurz davor Maite davon zu erzählen, ließ es dann jedoch sein. Normalerweise würde Hannah keine Minute daran zweifeln, ihrer besten Freundin so etwas anzuvertrauen. Die Tatsache, dass in diesen Träumen jedoch Paddy vorkam, war ihr dann doch zu suspekt. Wahrscheinlich würde Maite sie für verrückt erklären und die wildesten Theorien darüber aufstellen, warum sie so etwas träumte. „Erst kannst du es kaum erwarten loszukommen und nun willst du gar nicht aussteigen. Du bist echt unmöglich Hannah." Hannah schreckte hoch und bemerkte jetzt erst, dass sie Mülheim bereits erreicht hatten und ihre Mutter die Beifahrertür geöffnet hatte. „Ich hole dich dann um 21 Uhr ab." Hannah nickte und schulterte ihren Rucksack, ehe sie sich von ihrer Mutter verabschiedete und zur Sean O'Kelley rüber spazierte. Kurz vor dem Hausboot hielt sie inne und atmete noch einmal tief die warme Sommerluft ein. An Deck angekommen sah sie Barby, wie sie in der Sonne saß und malte. Als Barby sie bemerkte, stand sie freudig auf und begrüßte Hannah, die neugierig auf Barbys Block linste: „Hast du das gezeichnet?", fragte Hannah ungläubig und betrachtete das Aquarell, das eine Landschaft darstellte. Barby nickte verlegen. Als Hannah das Bild genauer betrachtete, fiel ihr auf, dass die gemalte Landschaft ein Ebenbild des gegenüberliegenden Rheinufers zeigte. „Wow, das ist wirklich gut! Du bist echt begabt." „Danke", sagte Barby und errötete leicht. Hannah lächelte ihr zu: „Sind Maite und die anderen unten?" Als Barby ihre Frage bejahte, ging sind unter Deck und fühlte sich gleich wie zu Hause. Es roch nach frisch aufgebrühten Kaffee und Kuchen. Behutsam zog sie ihre Schuhe aus und legte ihren Rucksack an der Garderobe ab: „Hallo? Ist jemand zu Hause?" Als ihr keiner antwortete, ging sie langsam den Flur entlang und wagte einen Blick in die Küche, die jedoch leer war. Ihr war etwas mulmig zu mute, weil keiner reagierte, beschloss ihren Weg jedoch fortzusetzen und weiter ins Wohnzimmer zu gehen. „Hallo?" An der Wohnzimmertür blieb sie abrupt stehen. Sie sah Paddy und Joelle, die sich plötzlich voneinander lösten. Joelle strich sich ihr Kleid und ihre Haare glatt und richtete sich auf, während Paddy vom Sofa aufsprang und mit hochrotem Kopf zu Hannah eilte: „Oh, hallo Hannah. Schön, dass du da bist." Er umarmte sie stürmisch und versuchte sich ebenfalls die Haare aus dem Gesicht zu streichen. Hannah war die Situation megapeinlich. Sie senkte den Blick und fragte Paddy, ob er wusste wo Maite ist. Ohne Paddy noch einmal anzuschauen, suchte Hannah Maites Kajüte auf, öffnete ruckartig die Tür und verschwand so schnell es ging bei Maite im Zimmer. Sie knallte die Tür förmlich zu und ließ sich an ihr hinuntergleiten. Maite, die an ihrem Schreibtisch saß, schaute verwirrt zu Hannah: „Was ist denn dir über die Leber gelaufen?" Hannah versteckte ihr Gesicht in ihren Händen: „Das ist ja so peinlich. Dein Bruder ist echt unmöglich." Maite lachte: „Das sind sie alle, da musst zu schon spezifischer werden." „Na wer wohl? Paddy natürlich. Hat der kein eigenes Zimmer, in dem er mit Joelle rummachen kann?" Ihre beste Freundin verdrehte die Augen und gesellte sich zu ihr auf den Boden: „Ja, das passiert zurzeit öfter. Angelo hat sich endlich mal durchgesetzt und auf sein Zimmer bestanden. Er hat Paddy und Joelle quasi rausgeschmissen." Bei diesem Satz musste Maite grinsen. „Du hättest Angelo sehen sollen, wie er an der Tür stand und den beiden eine Predigt gehalten hat, dass bei ihm im Zimmer kein Rumgelecke erlaubt ist und schon gar nicht Kinder gezeugt werden sollen." Hannah lächelte schräg. Solche Themen waren ihr echt unangenehm: „Also ist die Situation von eben ‚normal'?" Maite nickte: „Ja seitdem Joelle hier ist, können die beiden nicht ihre Finger von einander lassen. Ein Wunder, dass sie überhaupt hier übernachten durfte. Ich frage mich, ob die beiden..." „Ihh, Maite. Ich will so etwas nicht hören und schon gar nicht wissen." Hannah hielt sich demonstrativ die Ohren zu. So etwas wollte sie wirklich nicht hören, denn allein der Gedanke versetzte ihr einen Stich in die Magengrube. Maite machte eine saloppe Handbewegung und lachte: „Ach sei nicht so prüde! Früher oder später werden die beiden eh Sex haben" Hannah schüttelte fassungslos den Kopf: „Er ist dein Bruder! Sag mir bitte nicht, dass dich das wirklich so brennend interessiert, ob die beiden miteinander...du weißt schon." Maite zuckte mit den Schultern: „Früher oder später wird es mir eh einer von den beiden erzählen." „Also Basti hat mir so etwas auch nie erzählt und ich bin wirklich froh darüber, dass ich komplett nichts von seinem Liebesleben wusste. Und von Paddy will ich das erst recht nicht wissen." Als Hannah sich einigermaßen abreagiert hatte fragte sie: „Wie lange ist denn Joelle schon hier?" Maite überlegte und schaute zur Decke. Ich glaube drei oder vier Tage?" „Ach so", war alles, was Hannah darauf antwortete. Es machte sie rasend, dass sie die letzten Tage nicht konnte und Joelle hier ihren Spaß hatte. „Mach dir keinen Kopf wegen ihr. Ihre Eifersuchtsszenen sind schon lange vorbei und du kannst wirklich normal mit ihr reden." ‚Ihre Eifersucht ist vielleicht vorbei, aber wer weiß wie es bei mir aussieht', dachte sich Hannah und ohrfeigte sich für diesen Gedanken innerlich selbst.

„Was hälst du davon, wenn wir uns nach draußen zu Barby gesellen? Es ist richtig schön draußen", fragte Hannah. „Was hälst du davon, wenn wir uns zu Barby gesellen und selbstgemachten Apfelstrudel mit Vanilleeis dazu essen?", ergänzte Maite und stand auf. Hannah nickte. Als sie auf den Weg in die Küche am Wohnzimmer vorbeikamen hielt sich Maite die Augen zu und schrie: „Paddy? Joelle? Hannah und ich wollen in die Küche, also benehmt euch!" Hannah verdrehte die Augen, musste aber grinsen als sie von Paddy nur ein „shut up", zu hören bekam.

Beste FreundinnenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt