Während des Abendessens verkündete Kathy auch den anderen die frohe Botschaft über ihren Nachwuchs und alle freuten sich und gratulierten hier: „Das müssen wir feiern", schrie Jimmy schon fast und eilte in die Küche um ein paar Flaschen Sekt aus der Speisekammer zu kramen. „Ich wusste doch, den würden wir noch für etwas brauchen." Schnell wurden ein paar Gläser angeschafft und der Sekt für die Älteren eingeschenkt, während die Jüngeren mit ihren bereits eingeschenkten Getränken anstießen. Das Abendessen dauerte länger als gewöhnlich, die Stimmung war nach dieser freudigen Nachricht auch an diesem Abend auf ihrem Höhepunkt. Hannah war jedoch immer noch etwas vom Tag angefressen und wollte nur noch ins Bett, hielt aber so lange durch, bis sich die Runde auflöste und sich alle nacheinander in ihre Schlafräume verzogen.
Hannah schlief in der Nacht wirklich schlecht. Sie konnte zuerst nicht einschlafen und drehte sich von einer Seite zur anderen, während Maite seelenruhig schlief. Als sie dann endlich eingeschlafen war, träumte sie von ihrem Vater und Basti, wie er blutüberströmt auf dem Boden lag und ihr Vater sich einfach umdrehte und ging. Im Traum war Hannah im Zwiespalt mit sich selbst und wusste nicht was sie tun sollte: Sollte sie ihren Vater hinterher oder Basti helfen? Schweißgebadet wachte Hannah auf. Sie bemerkte, dass sich der kalte Schweiß mit Tränen vermischte, rieb sich mit ihren Händen das Gesicht und verließ das Zimmer. Im Badezimmer angekommen betrachtete sie sich im Spiegel: ‚So scheiße hast du ja schon lange nicht mehr ausgesehen', dachte sich Hannah und stützte sich kopfschüttelnd am Waschbecken ab, ehe sie sich kaltes Wasser ins Gesicht spritzte. An Schlaf war jetzt beim besten Willen nicht mehr zu denken. Die Angst nochmal von Basti und ihrem Vater zu träumen war einfach zu groß. Sie beschloss in die Küche zu gehen, um etwas zu trinken. Dabei hörte sie leise Gitarrenklänge aus dem Wohnzimmer. Neugierig steuerte Hannah das Wohnzimmer an und sah Paddy, mit Shirt und Boxershorts bekleidet, auf dem Boden sitzen, umringt von seinen Notizblättern. Er war so konzentriert, dass er anfangs Hannah gar nicht bemerkte. Erst als sie mit ihrem Knie an den Türrahmen knallte und fluchend aufschrie, sah Paddy zu ihr auf. „Tut mir leid, ich wollte dich nicht stören", nuschelte sie. „Was ist los? Kannst du nicht schlafen?" „Nein, nicht wirklich. Willst du auch etwas trinken?" Paddy nickte. Hannah ging schnell in die Küche, füllte zwei Gläser mit Wasser und ging wieder in das Wohnzimmer: „Hier, bitte." „Danke." Sie setzte sich auf das Sofa und zog ihre Beine an. Dabei beobachtete sie Paddy, der sich wieder seinen Aufzeichnungen widmete und konzentriert arbeitete. „Konntest du auch nicht schlafen?", fragte sie ihn. Paddy schüttelte den Kopf und sah zu ihr auf. „Was zur Hölle hast du denn gemacht?" Hannah schaute ihn verwirrt an: „Was denn?" „Deine Schienbeine sind komplett blau und deine Knie aufgeschlagen." „Oh, das habe ich gar nicht gemerkt. Kein Wunder, dass das gerade so weh getan hat. Ich bin heute Nachmittag gestürzt." Paddy lehnte seine Gitarre an das Sofa und ging zur Kommode, um dort Verbandsmaterial raus zu suchen. Dann ging er zu Hannah und kniete sich vor ihr hin, während er die Wunden reinigte und Pflaster draufklebte: „Besser?" Hannah nickte. Paddy schien jedoch zu merken, dass etwas nicht stimmte. „Warte." Er ging nochmals zur Kommode, holte einen roten Filzstift aus der Schublade und kniete sich wieder vor Hannah hin. Er grinste zu ihr auf und malte ihr einen lachenden Smiley und ein Herz auf die Pflaster. „Jetzt besser?" Hannah betrachtete sein Werk, lächelte und fing dann unwillkürlich an zu weinen. „Hey, was ist denn los?" Paddy setzte sich zu ihr und nahm sie in den Arm. „Sind meine Zeichnungen so schlimm?" Sie lächelte kurz und schüttelte den Kopf: „Der Tag war einfach scheiße." „Willst du drüber reden?" Hannah sah Paddy tief in die Augen, als ob sie nach einem Zeichen suchte, das ihr sagte, dass sie ihm trauen konnte. Langsam schüttelte sie den Kopf: „Kann ich dir einfach noch ein bisschen beim Gitarre spielen zu hören?" „Sicher doch". Paddy griff nach seiner Gitarre. „Willst du etwas Bestimmtes hören?" „Vielleicht etwas nicht so Trauriges?" Er überlegte eine Weile, dann nickte er sich mehr oder weniger selbst zu und fing an die ersten Akkorde von „Chicken Pies" zu spielen. „Normalerweise erzähle ich dazu immer eine Geschichte, aber die lasse ich jetzt mal weg." Paddy spielte noch einige Lieder, wohl bedacht, dass sie nicht allzu traurig klangen. Hannah ließ sich von den Melodien berieseln. Die Musik beruhigte sie ungemein und sie wurde langsam schläfrig. Paddy legte die Gitarre beiseite und stand kurz auf, was Hannah mit einem fragenden Blick beobachtete. Nach einer Weile kam er mit zwei Tassen warmer Milch mit Honig wieder. „Soll angeblich beim Einschlafen helfen." Er zuckte mit den Schultern. Hannah nahm lächelnd eine Tasse entgegen, während Paddy seine auf dem Tisch abstellte und eine Decke holte: „Soll angeblich gemütlicher sein." Er grinste Hannah breit an, die sein Lächeln erwiderte. „Spinner." Schweigend tranken sie ihre warme Milch. „Magst du mir jetzt erzählen, warum dein Tag so scheiße war?" „Nein, eigentlich nicht." Ihr war wirklich nicht danach, alles noch einmal zu erzählen, zumal die Sache mit Ben ihr immer noch irgendwie peinlich war. „Du bist aber auch ein Sturkopf, Hannah. Vielleicht geht es dir dann besser. Manchmal hilft es zu reden", erwiderte Paddy und legte seinen Arm um ihre Schulter. Hannah ließ ihren Kopf auf seine Schulter fallen und seufzte: „Weißt du, früher war alles einfacher." Mehr sagte sie nicht. Diese Geheimnistuerei machte Paddy fast wahnsinnig, aber er beschloss nicht weiter nachzuhaken, weil er Hannahs impulsive Art immer noch nicht einschätzen konnte und er nicht wusste, ob sie bei einem Nachfragen an die Decke gehen oder wieder in Tränen ausbrechen würde. Hannahs Blick war auf Paddys Gitarre gerichtet, was nicht unbemerkt blieb: „Tu dir keinen Zwang an". Er nahm die Gitarre und reichte sie Hannah, die sie zögernd annahm. Sie setzte sich auf, zupfte behutsam an den Saiten der Gitarre. Sie spielte ein paar Töne, die sehr stark an eine spanische Melodie erinnerten. „Das kommt mir bekannt vor", sagte Paddy. „Basti hat das damals in Spanien gespielt. Erinnerst du dich?" „Ach ja stimmt. Das war der Abend am Lagerfeuer, richtig?" Hannah nickte. „Das war wirklich ein schöner Abend", merkte Paddy an. „Ja das stimmt. Und genau diese Gelassenheit vermisse ich einfach. Damals war alles noch so problemlos. Und heute? Basti ist nicht mehr da, auf meinen Vater konnte ich mich auch nicht verlassen und über Ben reden wir erst gar nicht." Es sprudelte einfach so aus ihr heraus. „Ist Ben nicht der Typ von gestern?" Hannah bemerkte gar nicht, dass sie ihn in ihrem Redefluss erwähnt hat. Entsetzt schaute sie in Paddys Gesicht und wurde knallrot. Paddy grinste: „Du stehst auf den Typen, oder? Hat er mit deinem Scheißtag zu tun?" „Auch." Hannah ließ immer wieder einen Zipfel der Decke zwischen ihre Finger durchgleiten. „Los jetzt erzähl schon, ich habe die ganze Nacht Zeit". Sie atmete einmal tief durch, legte die Gitarre beiseite und legte sich auf das Sofa, so dass ihr Kopf auf Paddys Schoß lag. „Maite und ich haben Ben heute im Park getroffen und während Maite ohne Probleme ein Gespräch anfangen konnte, stand ich da, wie ein Baum und hab absolut nichts zu Stande gebracht. Ich weiß noch nicht mal wieso ich das nicht konnte. Mit dir kann ich ja wohl auch ganz normal reden." Hannah schaute zu Paddy auf, der sie aufmerksam beobachtete. „Viel schlimmer war aber, dass mein Vater mit mir sprechen wollte. Er hat heute mit Tante Gretchen telefoniert als wir Pad zurückgebracht haben." „Was ist da dran so schlimm?", fragte Paddy mit ernstem Interesse. „Er hat nicht mehr mit mir gesprochen, seit Basti nicht mehr da ist und jetzt auf einmal will er mit mir reden? Nein, danke." Paddy zog die Augenbrauen hoch: „Oh. Ich wusste gar nicht, dass du keinen Kontakt mehr zu deinem Vater hast." „Ach ist auch gar nicht der Rede wert." Hannah wollte dieses Thema nicht weiter vertiefen, weil sie merkte, wie sie wütend und gleichzeitig auch wieder traurig wurde.
Paddy hing seinen Gedanken nach. Er wusste, dass der Tod von Basti Hannah sehr nahe ging. Welcher Tod eines geliebten Verwandten ging einem nicht nahe? Dass sie aber keinen Kontakt mehr zu ihrem Vater hatte, wunderte ihn doch umso mehr. In Spanien war ihr Vater so ein aufgeschlossener und liebenswerter Mann, der in seiner Vaterrolle voll aufblühte, und Hannah vergötterte ihn. Paddy wollte gerade zu einer Frage ansetzen, als er auf seinen Schoß hinunterschaute und bemerkte, dass Hannah eingeschlafen war. Er versuchte aufzustehen und sie komplett zuzudecken, als Hannah verschlafen ein: „Bleibst du hier?" nuschelte und Paddys Hand nahm. Er lächelte: „Wenn du mir ein wenig Platz machst." Hannah rutschte mit geschlossenen Augen zur Seite und nahm die Decke hoch, so dass Paddy sich ohne Probleme neben sie legen konnte und deckte sie und sich selbst zu. „Dann schlaf schön." „Mhh", gab Hannah von sich und war schon wieder eingeschlafen. Paddy schloss ebenfalls die Augen und versuchte zu schlafen. Kurz bevor er einnickte, merkte er noch, wie Hannah sich auf die Seite drehte und sich an ihn ran kuschelte.
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Beste Freundinnen
FanfictionHannah ist ein gewöhnliches Mädchen, das wie jede andere Jugendliche auch zur Schule geht und alltägliche Teenagerprobleme bewältigen muss. Doch eine Sache unterscheidet sie doch von ihren Mitschülern. Ihre beste Freundin ist alles andere als ein ge...