11. Kapitel

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Das alleinige Tapezieren stellte sich schwieriger heraus, als ich dachte. Wahrscheinlich lag es auch daran, dass ich nicht sehr groß war und so etwas noch nie gemacht hatte. Innerlich verfluchte ich Reece mehrmals, denn ich hatte ihn heute nicht einmal gesehen und er wusste, dass ich heute beginnen wollte. Anstatt dass er hilft, tauchte er gar nicht erst auf.

Mir war egal, dass ich den Kleister noch in den Haaren hatte, denn Fee würde mich höchstens nur auslachen und nach dem Training musste ich sowieso duschen. Ich war bereits auf dem Weg zum Tanzstudio, als mir einfiel, dass ich es so viel leichter hätte haben können.

Denn während ich über die perfekte Technik des Tapezierens grübelte, bemerkte ich, dass ich sogar jemanden kannte, der es mal beruflich gemacht hatte. An der Ampel griff ich nach meinem Smartphone, tippte die Wahlwiederholung und vernahm das Freisignal durch meine Kopfhörer. Ich wartete einige Momente, bis ich seine Stimme vernahm.

»Lucas Lewis«, meldete er sich, weshalb sich ein Grinsen auf meine Lippen schlich. Ich ließ meine Räder ausrollen, als ich die Sporthalle entdeckte.

»Lucas!«, flötete ich in den Hörer, woraufhin ich ihn deutlich seufzen hörte. Ich schloss mein Fahrrad ab, schulterte meine Sporttasche und ging durch Flügeltür. Meine Füße trugen mich durch den Saal, indem Fee auf mich wartete. Ich gab ihm zu verstehen, dass ich gerade telefonierte.

»Was verschafft mir die Ehre, dass mein liebes Patenkind sich einmal meldet?«, fragte er mit bedacht, denn er wusste bereits, dass ich etwas von ihm wollte. Ich war genau die Person in der Familie, die jeden um den Finger wickeln konnte und ich nutzte das sehr aus.

»Ich bräuchte deine Hilfe.«, murmelte ich, woraufhin ich ein leises Lachen aus dem Hörer vernahm.

»Das wusste ich bereits, als ich deinen Namen im Display gelesen hatte. Aber sag mir, wobei kann ich dir behilflich sein?«, fragte er mich und ich begann zu grinsen.

»Du darfst nicht sauer auf Mama sein. Aber sie hat mal wieder Anekdoten aus eurer Collegezeit erzählt und da gab es witzige Bilder von dir und einem Kleistereimer in der Hand«, begann ich zu erzählen und brauchte die Geschichte wohl nicht weiter auszuführen, denn Lucas verfluchte bereits seine Schwester.

»Ich habe heute echt versucht, alleine zu tapezieren, aber ich habe es überhaupt nicht hinbekommen. Ich muss nicht erwähnen, dass ich danach aussah, wie eine Mumie«, redete ich schließlich weiter, als das Gefluchte aufhörte. Es trat erst einmal Stille ein.

Da Fee schon anfing sich aufzuwärmen, ging ich in die Umkleide, da ich mich noch umziehen musste.

»Wo willst du denn tapezieren? Soweit ich weiß, ist dein Zimmer so tapeziert, dass du nur überstreichen müsstest.«, wollte er schließlich verwirrt wissen, sodass ich nun diejenige war, die seufzte.

»Du kennst doch den Nachbarsjungen. Naja, er und ich fangen nach dem Abschluss ein Projekt an und haben dafür ein Haus gekauft, das noch renoviert werden muss«, erklärte ich ihm wage. Dass ich Reece Namen nicht verwendete, war reine Vorsichtsmaßnahme, denn meine Familie wusste, dass ich ihn nicht ausstehen konnte.

»Du fängst mit dem Sohn von Daniel Brown zusammen – ich wiederhole zusammen ein Projekt an und er hat ein Haus gekauft?«, fragte er überrascht und ich hörte, dass er irgendetwas beiseiteschob.

»Woher-?«, entgegnete ich und brauchte meine Frage nicht einmal mehr zu Ende formulieren.

»Wer könnte sich in deinem Alter sonst einfach so ein Haus kaufen?«, stellte er mir die Frage, die ihn zu dem Entschluss gebracht hatte, dass ich Reece meinte. Wohl oder übel gab ich ihm recht, denn so ein Kauf war schon etwas ausgewöhnlich und teuer.

guardian angel IWo Geschichten leben. Entdecke jetzt