8. Kapitel

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»Bis morgen«, verabschiedete ich mich von Talia, die mir kurz zu winkte. Ich schwang mich auf mein Fahrrad und bog in die nächste Straße. Ich war nicht die Beste, wenn es um Orientierung ging, doch ich war stets bemüht. Dass das Auto um der Browns am Straßenrand stand und nicht irgendwo auf der Einfahrt, kam mir sehr gelegen. So blieb es mir erspart, das Wohngebiet gründlich abzusuchen.

Ich ließ meine Räder auf der Einfahrt ausrollen, stieg nach wenigen Augenblicken von meinem Drahtesel und lief die letzten Meter bis zur Haustür. Das Haus lag komplett im Dunkeln und ich schaute verwirrt zurück, ehe ich auch auf meine Uhr sah. Es war noch nicht allzu spät und selbst das Auto parkte noch an der Straße. Reece musste hier sein, selbst, wenn es einen anderen Anschein machte. Mein Fahrrad ließ ich rechts neben dem Eingang stehen, damit ich die Tür aufschließen konnte. Doch während ich den Schlüssel aus meiner Jackentasche zog, beschlich mich ein merkwürdiges Gefühl. So wie ich Reece nach der Entführung eingeschätzt hatte, wusste ich, dass er manchmal in Angstzustände zurückfiel. Ich zögerte, ehe ich langsam mein Handy aus meiner hinteren Hosentasche nahm und ein paar Schritte weiter nach rechts ging. Der Blick durch die Glasfront gab mir jedoch auch keinen Hinweis darüber, ob er sich im Inneren des Hauses befand oder nicht.

Meine Finger schwebten einen Moment über den Anrufer-Button, doch als ich erkannte, dass er online war, schrieb ich ihm nur eine kurze Nachricht. Es dauerte nicht lange, da wurde die Eingangstür bereits geöffnet und als ich einen Schritt nach hinten trat, erkannte ich Reece mit verschränkten Armen und hochgezogenen Augenbrauen.

»Warum hast du nicht einfach geklingelt, wenn du nicht einfach so herein kommen wolltest?«, fragte er mich verwirrt und begann mich kritisch zu mustern. Ich zuckte als Antwort nur mit meinen Schultern. Ich wusste, dass es die richtige Entscheidung war, nicht einfach herauszugehen und war mir sicher, dass er es auch wusste.

»Du kannst deine Sachen einfach in die Küche werfen, denn da ist im Moment noch die einzige Ablagemöglichkeit.«, erwiderte er, als er merkte, dass ich nichts mehr dazu sagen würde. Reece ging bereits durch den hallenden Raum, weshalb ich ihm folgte und schlussendlich meine Tasche auf die marmorierte Arbeitsfläche legte.

»Gut, dann erzähl mal. Was hat dich an dem Vertrag gestört?", will er interessiert wissen, während ich den Umschlag bereits sachte aus meiner Tasche zog.

»Es ist wirklich nichts Weltbewegendes. Es sind auch nur zwei Punkte!«, murmelte ich und schlug die erste Seite, die ich mit einem grünen Post-It markiert hatte, auf.

»Ich meine diese Verschwiegenheitsklausel ist ja schön und gut. Aber du weißt, dass ich das nicht wirklich für mich behalten kann. Ich habe eine wirklich neugierige beste Freundin und Mutter.«, erklärte ich ihm den ersten Punkt und schaute auf. Er lehnte mit seinem Rücken an dem Tresen und sah mir aufmerksam mit seinen grünen Augen entgegen. Erst jetzt fiel mir auf, dass er seine Collegeuniform gegen normale Alltagskleidung getauscht hatte. Im Gegensatz zu ihm trug ich noch den dunkelroten Blazer, auf dem unser Schullogo prangte, die dazu passende Krawatte, meine weiße hochgeschlossene Bluse und meinen schwarzen Lieblingsrock. Unsere Uni war nicht mehr ganz so versteift, wenn es um die einheitliche Uniform ging, weshalb nur Blazer und Krawatte Pflicht waren. Außerdem mussten wir entweder eine schwarze Hose oder einen schwarzen Rock tragen, der Rest war uns überlassen. Ganz so viele Farbkombinationen blieben uns zwar auch nicht, aber jeder hatte noch die Möglichkeit zu entscheiden, wie er sich in der Uniform zeigte. Als privates College wollten sie die Einheitlichkeit jedoch nicht ganz ablegen.

Sein Blick lag noch eine Zeit lang konzentriert auf dem DinA4-Blatt, bevor seine Augen nach oben wanderten und meinen Blick auffingen.

»Mir geht es eher darum, dass es erst einmal unter uns bleibt, damit die Presse nicht so schnell Wind davon bekommt. Sie kann wahnsinnig eigensinnig sein und etwas voreilig in eine falsche Richtung leiten. Daher will ich anfangs noch versuchen, es in Ruhe aufzubauen.«, entgegnete er nachdenklich, schob dann jedoch hinterher, dass er kaum glaube, dass Talia oder meine Mum es weitererzählen würden.

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