37. Kapitel

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Das Wochenende kam und ging.

Es war nicht besonders aufregend und doch verging es zu schnell.

Ich genoss die Zeit mit meiner Familie, denn wir waren die Tage irgendwie immer zusammen.

Ob wir nun Freitag abends essen gingen, Samstagnachmittag zusammen Kaffee tranken und Kuchen aßen oder sonntags zusammen frühstückten.

Es war viel auf einmal, denn so oft hangen wir nie aufeinander, doch es tat uns gut und wir genossen die Zeit. Auch wenn uns die ganze Zeit bewusst war, dass eine Person fehlte. Und irgendwie schaffte ich es auch, dass mein Handy die ganze Zeit wo anders lag, damit ich nicht ständig in die Mitteilungszentrale sah. Doch Reece war hartnäckig.

So war es kaum verwunderlich, dass er Samstag am späten Abend vor unserer Haustür stand.

»Ich wollte nur fragen, warum du mir nicht antwortest«, begann er schmollend und ich fing leicht an zu lächeln, bevor ich ihn hinein ließ.

Wir gingen in mein Zimmer und redeten eine Weile, bis wir abermals nebeneinander einschliefen.

Das Sonntagsfrühstück fand jedoch bei uns statt und wir waren nicht rechtzeitig wach, damit Reece unbemerkt verschwinden konnte.

»Wenn ich ins Wohnzimmer gehe, verschwindest du«, hauchte ich ihm ins Ohr, als wir auf der letzten Treppe standen.

»Ich versteh nicht, warum ich nicht normal gehen kann«, erklärte er mir nochmals verwirrt, doch bekam keine Antwort vor mir.

»Wir sehen uns morgen früh«, entgegnete ich stattdessen und straffte etwas meine Schultern, damit ich mit einer Unschuldsmiene das Wohnzimmer betreten konnte.

Leider ging unser Plan nicht ganz auf und man konnte deutlich hören, wie die Haustür gegangen war, aber ich musste nichts erklären, denn meine Eltern hatten nichts mitbekommen und der Rest hielt seinen Mund.

»Hallo wunderschöne Frau«, begrüßte mich Reece mit einem charmanten Lächeln an einem Montag morgen.

»Muss ich mir Sorgen machen?«, fragte ich ihn mit hochgezogener Augenbraue und ging auf ihn zu.

»Vielleicht. Aber du siehst heute nun einmal besonders gut aus«, entgegnete er und zuckte ungezwungen mit den Schultern. Ich jedoch überlegte noch, ob heute ein besonderer Tag war. Aber mir fiel nichts ein, weshalb ich mit einem gemurmelten danke und einem gut sichtbarem Augenrollen in sein Auto stieg.

Und genauso vergingen auch die nächsten Tage im Schnellflug. Und ich war endlich froh, dass ich alles irgendwie in den Griff bekam.

Ich traf mich öfter als sonst mit meinen besten Freunden, denn ich hatte bemerkt, wie kurz und beschissen das Leben sein konnte. Wenn ich Reece tagsüber nicht sah, dann trafen wir uns abends, wobei es dann oft dabei endete, dass wir nebeneinander einschliefen.

Ich war zufrieden, es fehlte zwar ein gewisser Teil, aber ich war fast wieder glücklich.

Das Einzige, worauf ich mich jetzt noch freute, war das Ziehen meiner Fäden. Denn ich wusste, dass ich danach endlich wieder mit dem Tanzen beginnen konnte. Mein Kämpfergeist war nach der Niederlage geweckt worden und es kostete viel Kraft, nicht einfach weitermachen zu dürfen.

Doch der ganze Mist, den ich die Wochen ertragen musste, hatte wohl immer noch kein Ende.

»Wie weit bist du?«, fragte ich Mama, nachdem ich sie in der Küche gefunden hatte. Ich war schon ganz nervös, wenn ich daran dachte, dass sie mir die Fäden zogen.

»Ich bin sofort fertig. Ich trinke nur noch meine Tasse leer und dann können wir fahren«, erklärte sie mir sanft und stellte im nächsten Moment bereits das leere Gefäß auf die Spülablage. Ich war froh, dass sie frei bekommen hatte, denn dann konnte ich sicher sein, dass jemand bei mir war, wenn mein Kreislauf zusammenbrach. Auf der Fahrt war ich wirklich nervös, denn ich konnte auch nicht mehr abwarten, dass man mir sagte, dass ich nicht mehr mit Krücken laufen brauchte.

guardian angel IWo Geschichten leben. Entdecke jetzt