16. Kapitel

841 50 0
                                    

»Mäuschen, willst du nicht aufstehen?«, reißt mich die belustigte Stimme meiner Mutter aus den Tiefen meines Traumes.

Ich war am Vortag erst sehr spät wieder zuhause und musste tatsächlich noch duschen, denn im Tanzstudio wurden die sanitären Anlagen momentan gewartet. Ich grummelte ein wenig vor mich hin und versteckte mein Gesicht unter meiner Bettdecke als Mama das Licht einschaltete.

»Ich habe ja schon immer gesagt, dass ihr beiden verrückt seid. Wer geht denn auch so lange trainieren, wenn man weiß, dass man am nächsten Tag früh aufstehen muss«, lachte sie und zog mir, so frech wie sie war, die Bettdecke weg.

»Du kennst doch Fee und morgen geht's schon nach Los Angeles, und dann haben wir keine Zeit mehr, in der wir in Ruhe trainieren können«, erklärte ich ihr nochmals, denn es kam nicht gerade selten vor, dass sie mich fragte, ob wir nicht mehr alle Tassen im Schrank hatten.

»Ich weiß, aber ich an deiner Stelle würde jetzt aufstehen, wenn du noch pünktlich kommen willst!«, sagte sie und ich hörte das Grinsen aus ihrer Stimme. Erst jetzt warf ich einen Blick auf meinen Wecker und wäre fast aus dem Bett gefallen.

»Warum sagst du mir das erst jetzt?!«, rief ich und sprang auf, damit ich meine Sachen zusammen suchen konnte. Als ich auf meinen Beinen war, musste ich mich erst konzentrieren, nicht einfach umzukippen, doch mir gelang es, mich schnell zu orientieren.

»Ich wollte nur meinen Spaß. Frag doch Reece, ob er dich mitnehmen kann«, hörte ich sie sagen und ich sah sie noch einen kurzen Moment an, ehe ich wütend an ihr vorbei rauschte.

»Wir sehen uns dann heute Abend«, verabschiedete sie sich, obwohl ihre Floskel eher nach einer Frage klang, weshalb ich mich seufzend zu ihr drehte.

»Ich bin heute Abend nicht zuhause. Nach der Uni fahre ich direkt zum Haus und danach zum Training und danach bin ich zum Essen eingeladen worden«, antwortete ich ihr, weshalb sie verwirrt die Augenbrauen hochzog.

»Reece hat mich gefragt, da seine Eltern wieder nicht zuhause sind«, schob ich schließlich hinterher, woraufhin sie versuchte das breite Grinsen mit einem gespielten Husten zu verstecken.

Ich war mir selber nicht mal sicher, ob ich das Abendessen heute Abend sodarstellen konnte, denn es war schon irgendwie ein Date, glaubte ich. Mit einem gespielt liebevollem Lächeln hob ich meinen Mittelfinger, um mich an meiner Schläfe zu kratzen.

»So und jetzt verschwinde, ich habe sowieso keine Zeit mehr!«, ergänzte ich und schloss aussagekräftig die Badezimmertür hinter mir. Ich hörte noch, wie sie lachte aber schlussendlich verschwand. Sie liebte es mich in den besten Momenten zu verarschen - und das am liebsten nach Strich und Faden. Ich konnte mir gar nicht vorstellen, wie es wäre, wenn ich in einer anderen Familie aufgewachsen wäre, denn ich liebte unseren Zusammenhalt. Wir standen zueinander und wussten, dass wir auf den anderen zählen konnten. Ich seufzte, ehe ich mir das lauwarme Wasser ins Gesicht spritze.

»Emma!«, begrüßte mich meine beste Freundin freudestrahlend, weshalb ich mich abermals fragte, wie sie so gut gelaunt aufstehen konnte.

»Ich habe gestern mit dem Koordinator meiner Universität in München telefoniert! Er haben mir so viel erzählt und ich kann es kaum noch abwarten, bis ich endlich im Flugzeug sitze«, erzählte sie mir begeistert und ich musste mich daran erinnern, dass sie mir gesagt hatte, dass sie gestern mit ihnen telefonieren wollte.

»Das hört sich doch vielversprechend an«, antwortete ich ihr, weshalb sie mir leicht in die Seite stupste.

»Ich würde dich doch auch am liebsten mitnehmen, damit du dich hier nicht langweilst, doch du wolltest ja nicht fliegen!", erklärte sie mir lachend, weshalb sich auch ein leichtes Grinsen auf meine Lippen schlich. Sie hatte Recht, denn sie hat lange versucht, mich zu überreden, doch ich hatte zu viel Angst.

guardian angel IWo Geschichten leben. Entdecke jetzt