45. Kapitel

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Unbewusst starrte ich auf das gegenüberliegende Haus und wartete komischerweise darauf, dass Reece sich jeden Moment zu mir umdrehte. Doch er tat es nicht.

Er stand einfach da; mit einem gesenkten Kopf, die Hände in seinen Hosentaschen. Reece hatte seinen Talar bereits ausgezogen, was mich verwunderte, denn bis vor einigen Minuten hatte er es noch an. Seine Absolventenkappe konnte ich auch nicht finden, weshalb ich meine wie von selbst auch abnahm. Ich versuchte mir vorzustellen, was er gerade dachte, aber ich stellte schnell fest, dass sein Leben viel zu komplex war, um überhaupt nachvollziehen zu können, wie es ihm ging. Da seine Gedanken herauszufiltern, war noch schwieriger. Keiner wusste, was er dachte und was er als nächstes machte. Damals hat er das mit Sicherheit geliebt. Er konnte einfach das machen, was er wollte ohne, dass man ihn dafür schräg beäugte. Doch ich glaubte, dass es heute anders war. Er wollte verstanden werden. Reece wollte, dass man verstand, dass er nicht schlecht war. Warum sollte er auch sonst so viel Fleiß in dieses Projekt stecken?

Ich war vorhin noch so glücklich, dass ich das Ganze hinter mir gelassen hatte. Doch jetzt war ich traurig, denn ich wusste, dass Reece momentan nicht das gleiche empfand. Er durfte stolz auf sich sein. Es ist kein Projekt, dass ihm Vermögen versprach. Im Gegenteil, denn er bekam für die gemeinnützige Arbeit kaum einen Cent.

Ich sah ihm nach, bis er schließlich im Haus verschwand. Mein Herz schmerzte bei seinem Anblick und ich wusste nicht, wie ich ihm helfen konnte, damit es ihm besser ging.

Aber ich war auch ehrlich, dass ich kaum einen Gedanken daran verschwendet hatte, dass Reece heute einem anderen Druck ausgesetzt war als ich. Seine Eltern waren nicht mehr zusammen, gaben der Öffentlichkeit aber ganz andere Signale. Sein Vater war ein Arschloch unter welchem seine Mutter und er litten, doch keiner sagte etwas. Jeder wusste, was Daniel für ein Mensch war, spätestens als er das Geld für die Lösegeldforderung seines eigenen Sohnes nicht zahlen wollte.

»stolz auf dich gewesen«, drangen schließlich Mamas Worte zu mir durch.

»Was?«, fragte ich verwirrt, nachdem sie mich auffordernd durch den Rückspiegel beobachtet hatte. Gerade als sie es wiederholen wollte, unterbrach Papa sie, denn er wollte scheinbar nicht noch länger im Auto versauern: »Könnt ihr das nicht auch drinnen besprechen? Ihr habt echt komische Angewohnheiten«. Mama und ich blieben gerne mal etwas länger im Auto sitzen, um unser Thema zu beenden, anstatt einfach auszusteigen und weiter zu reden.

»Jetzt weiß ich aber nicht mehr, was ich gesagt habe«, erwiderte sie und sah ihn genervt an, weshalb Papa erfreulich grinste. So hatte er es zumindest geschafft, dass wir ausstiegen. Kaum zu glauben, dass die beiden sich teilweise noch benahmen, als gingen sie noch zur High School. Ich wollte mich nicht beschweren, denn wenn ich Reece sah, wie unglücklich er war, dann - Ich brach den Gedanken ab, denn ich kam dort sowieso nicht weiter.

Mama öffnete unsere Haustür, während Papa das Auto in die Garage fuhr. Wie selbstverständlich zog ich meinen Schuh aus, begutachtete meine Absolventenkappe, während ich in unser Wohnzimmer ging.

»Überraschung«, drang es plötzlich von allen Seiten zu mir, weshalb ich wirklich erstaunt aufschaute und kaum glaubte, was ich da sah. Unser Wohnzimmer war geschmückt mit Ballons und Konfetti, und obwohl ich gesagt hatte, dass ich nach der Zeremonie nichts machen wollte, wartete meine ganze Familie auf mich. Bis auf Caden. Sie wussten, dass ich das College nicht weiter machte, weshalb das mein letzter Abschluss war und den schienen sie angemessen feiern zu wollen.

Ich schüttelte vehement den Kopf und wiederholte, dass sie doch verrückt waren. Doch in letzter Zeit schlich sich immer eine Person besonders in meine Gedanken. Reece. Ich konnte mir kaum vorstellen, dass er so etwas kannte. Diesen Familienzusammenhalt, denn ich habe auch nie Verwandte bei ihm gesehen.

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