31. Kapitel

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Reece

Ich hörte sie die ganze Zeit schmerzlich weinen und ich konnte nichts tun.

Ich konnte hier nur sitzen und warten, dass sie wieder heraus kam, damit ich sie direkt wieder in den Arm nehmen konnte.

Doch nun hörte ich sie bereits seit einer viertel Stunde endlos schluchzen.

Ich hatte mich schon etwas in die Nähe des Zimmers gestellt, damit ich sie trösten konnte, wenn sie zu mir kam. Doch es schmerzte mich zu wissen, dass ich gerade nichts für sie tun konnte, damit sie sich besser fühlte.

»Bist du der Freund von Emma?«, unterbrach eine weibliche Stimme meine Gedanken, die mich aufschauen ließ. Die rothaarige Frau mittleren Alters sah mich abwartend an und während ich ihr antwortete, fiel mir ein, dass sie eben bereits mit Emma gesprochen hatte. Sie mussten sich schon länger kennen, denn ich glaubte, dass die Assistenzärztin viel von Emma kannte.

»Ein Freund, aber ja«.

»Das ist relativ!«, lächelte sie leicht und fuhr mit einem müden Lächeln fort: »Emma muss dir sehr vertrauen, denn sie hat bis jetzt noch niemanden mit ins Krankenhaus zu ihm genommen. Vielleicht mag es auch wirklich eine traurige Ausnahme gewesen sein, aber auch sonst hält sie diesen Teil ihres Lebens eher für sich«.

Ich blickte ihr in die Augen und fragte mich gleichzeitig, warum sie mir das erzählte. Ich selber kannte Emma erst seit ein paar Wochen näher und ich erzählte auch nicht jedem sofort meine tiefsten Geheimnisse.

Trotzdem hatte sie mir über ihren Cousin, der im Krankenhaus lag, erzählt. Ich wusste nur nicht, was er gehabt hatte und das wusste ich zu diesem Zeitpunkt immer noch nicht. Es musste nur sehr schwerwiegend gewesen sein, denn ich hatte das Gefühl, dass er hier schon etwas länger gelegen hatte.

Sein junges Alter konnte ich nur vermuten, denn Emma hatte in einer sehr süßen Art und Weise mit ihm telefoniert und ich befand mich augenscheinlich auf der Kinderstation.

»Ich weiß nicht«, murmelte ich schließlich, denn ich konnte nicht wirklich sagen, ob Emma mir vertraute oder nicht. Ich wusste selber, dass es lange dauern konnte, bis man Vertrauen zu jemanden aufgebaut hatte und dass man nie sagen konnte, ob es echt war.

»Sie schafft das nicht alleine. Emma meint oft, dass sie stark genug wäre, all ihre Ängste und Sorgen für sich behalten zu können. Doch ich habe ihr immer angesehen, wie schwer ihr die Situation mit Caden fiel. Und jetzt da sie ihn verloren hat, braucht sie jemanden, der für sie da ist, denn auch wenn sie glaubt, dass sie das alleine schaffen kann, schafft sie es nicht«. Ich wusste nicht, was sie mir damit sagen wollte und auch wenn, ich hatte meine Ängste und Sorgen selber nicht einmal unter Kontrolle. Wie sollte ich ihr dann helfen mit ihren klar zu kommen?

»Sei einfach für sie da, dann wird sie auch für dich da sein!«, fuhr sie fort, weshalb ich mich wieder auf die Krankenschwester vor mir konzentrierte. Natürlich wusste sie, wer ich war und konnte deshalb nur vermuten, dass auch ich selber nicht mit mir umzugehen wusste und dass auch ich jemanden brauchte, der mir half manches Mal meine inneren Dämonen zu vergessen und vielleicht zu überwinden.

»Sie wollen ihn gleich hinunter bringen und ich kann in die Routine meiner Kollegen nicht eingreifen. Ich kann es nicht erträglicher machen; kann ihnen nicht sagen, dass sie noch warten sollen. Es wird selbst für mich schwer, das mit ansehen zu müssen, doch ich kann nicht sagen, inwieweit Emma das verkraften kann. Ich will dir nichts zumuten, aber wenn ich da rein gehe, dann würde sie nicht auf mich hören. Vielleicht hört sie aber auf dich!«

Ich hatte nicht mehr damit gerechnet, dass sie etwas sagen würde, denn wir hatten bereits einige Minuten schweigend den schmerzlichen Lauten hinter der Tür gelauscht.

guardian angel IWo Geschichten leben. Entdecke jetzt