12. Kapitel

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Den Rest der Woche kam ich nicht dazu, im Haus vorbei zu schauen, denn nach der Schule lag ich nur regungslos im Bett und musste mich danach zwingen wieder aufzustehen, damit ich noch pünktlich zum Training kam.

Am Anfang musste ich mich nämlich noch mehr auf die Choreografie konzentrieren, denn Felix forderte viel und das Verwerfen unserer vorherigen Choreo kostete uns viel mehr Zeit.

Ich erinnerte mich genau daran, wie Fee immer und immer wieder versucht hatte, über mich hinweg zu springen und wie wir eine passende Höhe gesucht hatten. Er ist glaube ich an die zwanzig Mal in mich hinein gesprungen.

Aber am Ende hatten wir es tatsächlich geschafft und von da an war ich viel euphorischer als zuvor. Ich hatte es im Gefühl, dass wir es schaffen konnten. Reece hielt sogar sein Versprechen, dass er verstehen könnte, wenn ich mal nicht im Haus vorbeischaute. Ich konnte gar nicht so schnell schauen, da war schon Samstagsmorgen. Meinen Wecker klingelte so früh, dass ich ihn mehrmals verfluchte. Doch ich wusste, dass Lucas pünktlich war und musste es ebenfalls sein. Träge lief ich durch die Etage und versuchte irgendwie wach zu bleiben, was nach einer ausgiebigen Dusche auch endlich klappte.

Meinen Entschluss, dass Auto zu nehmen, verwarf ich auch, denn ich brauchte zusätzlich etwas Bewegung, damit ich gleich eine Hilfe war und nicht einschlief.

Lucas wartete wirklich schon vor der Haustür auf mich und als er mich entdeckte, konnte er sich ein Grinsen nicht mehr verkneifen. Wir hatten uns zuletzt auf dem Geburtstag meiner Oma gesehen und der lag bereits drei Monate zurück. Und obwohl wir in der gleichen Stadt, zwar nicht im gleichen Stadtteil, wohnten, sahen wir uns nicht oft. Ich hatte viel mit dem Lernstoffstoff und mit dem Training zu tun, hinzu kamen die Besuche bei Caden; und Lucas arbeitete Vollzeit und hatte selber Familie. Ich lief auf ihn zu und umarmte ihn fest und stürmisch, was er erwiderte.

»Da habt ihr euch aber wirklich etwas Schickes gekauft«, begrüßte er mich, nachdem ich ihn wieder freigab.

»Ich habe gar nichts gekauft, sondern bin nur in das Projekt mit eingestiegen«, erwiderte ich und holte im nächsten Moment den Schlüssel aus meiner Jackentasche, um die Haustür aufzuschließen.

»Herzlich willkommen«, fügte ich hinzu und trat einen Schritt beiseite, um ihn hinein zu lassen. Ich hörte ihn leise pfeifen, weshalb ich ein kleines Lächeln nicht verkneifen konnte.

»Man sieht, wo du es versucht hast«, fing er plötzlich an zu lachen, weshalb ich ihm einen leichten Stups in die Seite verpasste.

»Ich habe doch gesagt, dass mein Versuch miserabel war«, gab ich schließlich von mir und strich mir eine meiner Haarsträhnen hinter mein Ohr.

»Zeigst du mir noch den Rest oder muss ich selber nachschauen?«, riss er mich schließlich aus meinen Gedanken, weshalb ich meinen Kopf leicht schüttelte und schließlich voran ging, um ihm die Räume zu zeigen.

»Reece hat wirklich einen guten Geschmack, denn das Haus ist der Hammer. Warum zieht er nicht einfach selber ein?«, fragte mich mein Onkel, während wir von draußen wieder ins Wohnzimmer gingen. Ich zuckte nur kurz die Schultern, ehe ich antwortete: »Reece macht im Moment viel durch. Auch wenn man ihm das Meistens nicht ansieht, kämpft er mit sich selbst. Im Endeffekt hat er mir nur gesagt, dass er anderen helfen will. Da er das aber scheinbar ohne Hilfe nicht schafft, hat er mir einen Job angeboten«, erklärte ich ihm ehrlich und lehnte mich leicht gegen den Küchentresen.

»Ich stelle mir das echt hart vor. Nicht nur die Entführung, sondern auch mit Daniel Brown, Besitzer eines verdammt kalten Herzens«. Ich gab ein trauriges und zustimmendes Nicken von mir, ehe ich euphorisch den Kleistereimer in die Höhe hielt und damit das Zeichen gab, dass wir beginnen sollten. Ein eher uneleganter Themenwechsel, doch ich wollte meinen Tag nicht mit den Problemen anderer verbringen.

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