guardian angel I

20. Kapitel

Als wir auf den Schulhof fuhren, drehte sich zwar niemand auffällig zu uns um, doch insgeheim betrachteten uns einige im Augenwinkel. Ich schob mein Fahrrad in die Verankerung, was Reece mir gleichtat. Nachdem ich es auch ordentlich abgeschlossen hatte, schaute ich mich nach ihm um. Zumindest sah ich in die Richtung, in der er zuletzt gestanden hatte. Er war einfach gegangen und hatte mich hier stehen gelassen, ohne ein Wort zu sagen. Verwirrt und etwas verletzt darüber, dass er genau das getan hatte, wovor ich die ganze Zeit Angst hatte - er nutzte mich, damit er sich jemandem anvertrauen konnte. Doch das war nicht ganz schlüssig, denn warum sollte ich dann für ihn arbeiten. Es war Zeit, dass ich endlich mit Talia redete, denn ich brauchte jemanden, der diese Situation objektiv betrachten konnte. Dieses ganze Chaos wollte ich vor meinem Auftritt vermeiden, doch nun steckte ich voll drinnen.

»Ich muss mit dir reden«, brummte ich, als ich an meinem gelben Spind zum Stehen kam und Talia im nächsten Schritt mit in die Cafeteria zog.

»Hey nicht so stürmisch. Und den mürrischen Blick solltest du heute eigentlich gar nicht in Betracht ziehen!«, erwiderte sie überrascht und als ich unsere Mensa betrat, drehte ich wieder um. Sie war mir eindeutig zu voll und ich brauchte keine Zuhörer bei meinem Gespräch mit meiner besten Freundin.

»Habe ich Recht in der Annahme, dass das Ganze etwas mit Reece zu tun hat?«, fragte sie als ich mich auf eine der Bänke in unserem Campusgarten niederließ.

»Verdammt, ja. Ich weiß gar nicht wo mir der Kopf steht und dabei war ich heute Morgen so entspannt«, jammerte ich.

»Ich wollte ja schon die ganze Zeit wissen, was da bei euch abgeht, aber du hast es mir nicht erzählt!«, zuckte sie mit den Schultern und setzte sich neben mich. Resigniert seufzte ich, woraufhin sie anfing zu grinsen und mir ihren Ellbogen in die Seite stupste.

»Jetzt erzähl, was dir so schwer auf dem Herzen liegt. Und hoffentlich fängst du mit eurem Date an«, erwiderte sie und schwieg, damit ich anfangen konnte zu reden. Tatsächlich hielt ich unser Date in der Erzählung relativ kurz, denn irgendwie trug der Rest unserer gemeinsamen Zeit genauso viel dabei. Das Vertrauen, welches wir zueinander aufbauten, das basierte auf alle Gespräche, alle Gesten, auf alles, was er mir anvertraut hatte. Da Talia den langen Augenkontakt sowieso vermied, schaute ich während unseres Gesprächs die ganze Zeit auf den Boden und sah erst auf, als ich fertig war. Sie blickte mich mit schockierten Augen und leicht geöffneten Mund an, ehe sie die ersten Worte formte: »Wie jetzt? Du, ich meine Emma McGowan, hast letzte Nacht mit Reece in einem Bett geschlafen?!«

»Naja, es war ja nicht das erste Mal«, antwortete ich und schob hinterher, dass mich sein Verhalten von vorhin einfach nur verwirrte und ich keine Ahnung hatte, was das sollte.

»Er war wahrscheinlich überfordert. Nachdem was du mir erzählt hast, wusste er heute Morgen nicht, was er tun sollte. Er wusste nicht, was das zu bedeuten hatte, genauso wenig wie du es wusstest. Reece hatte es nicht leicht gehabt, das hast du mir selbst erzählt und ich glaube kaum, dass er sein neu gefundenes Glück aufgeben würde. Wie gesagt, er war wahrscheinlich einfach überfordert und ich glaube, dass er sich darüber bereits ärgert und es dir irgendwann erklären wird. Mach dir darüber also jetzt keinen Kopf, denn es war wahrscheinlich eine unüberlegte Handlung seinerseits und du solltest dich auf deinen Auftritt konzentrieren«, half mir meine beste Freundin mit genau den richtigen Worten weiter und ich war ihr unglaublich dankbar dafür.

»Danke«, flüsterte ich und umarmte sie von der Seite.

»Was mache ich nur, wenn du nicht mehr hier bist?«, fragte ich sie traurig, woraufhin sie jedoch lachte.

»Entweder du folgst mir nach München oder du musst dich mit Telefonaten abfinden!«, schob sie hinterher und schloss ebenfalls die Arme um meinen Körper. Gott ich musste mich ablenken, sonst hätte ich mit Kopfschmerzen im Zug gesessen und das hätte mich alle Kraft gekostet.