42. Kapitel

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Ich versuchte, mich selbst davon zu überzeugen, dass es mir gut ging und dass es mich gar nicht so sehr verletzte, wie es sich gerade anfühlte.

Talia rief mich an, um mir zu mitzuteilen, dass sie am Treffpunkt war, um mich abzuholen. Ich stand also von der Bank auf und wollte direkt gehen, doch ich musste mich einfach noch einmal umdrehen, um zu sehen, ob er nicht doch kam. Mein Herz zog sich merkwürdig zusammen, denn ich hatte einerseits doch gehofft, dass er noch auftauchte.

»Darf ich fragen, wie du hierhergekommen bist?«, begrüßte mich Talia und lachte herzhaft, als sie ausstieg und mir beim Einsteigen half. Ich hasste es, doch ich musste mich damit arrangieren, da ich sonst keine Wahl hatte.

»Mit Reece«, murrte ich, da ich ihr ja eh die Wahrheit sagen musste.

»Und wo ist er jetzt?«, fragte sie mich durcheinander als sie meine Krücken auf die Rückbank legte. Gerade als ich ihr antworten wollte, schloss sie die Tür und lief um das Auto herum, um schließlich wieder einzusteigen. Ich hoffte, dass ich ihr so nicht mehr antworten musste, doch sie sah mich abwartend an und hielt ihren Blick solange auf mir, bis ich ihr antwortete.

»Wir haben uns gestritten..., wenn man das überhaupt ›streiten‹ nennen kann«, brummte ich schließlich leise und hatte so gar nicht das Bedürfnis danach zu reden.

»Wie meinst du das denn jetzt?«, hakte sie nach und ich hasste es, wie sie mich ansah.

»Ich weiß auch nicht. Wir haben doch schon einmal darüber geredet, wie er sich zwischen den Welten entscheiden muss. Und heute hat er sich definitiv nicht für die entschieden, in der ich lebe«, antwortete ich und machte bei Welten Gänsefüßchen in die Luft und verdrehte zusätzlich noch meine Augen, weil ich ihr demonstrieren wollte, dass ich es ihr nicht besser erklären konnte und wollte. Zumindest jetzt noch nicht.

»Oh Emma«, hauchte sie, weshalb ich meinen Kopf nun wieder zu ihr drehte.

»Ich komme mir so dumm vor«, entgegnete ich und warf frustriert die Hände in die Luft.

»Egal! Ich wollte dich eigentlich nicht anrufen und jetzt musstest du kommen und mich abholen! Entschuldige!«, fuhr ich fort. Ich konnte im Augenwinkel erkennen, wie sie mich mitleidig ansah, dann jedoch ein kleines Lächeln aufsetzte.

»Das macht doch nichts. Ich bin doch immer für dich da!«, erklärte sie mir, weshalb ich ihr wieder in die Augen sah und sie dankbar anlächelte. Ich überwand den Abstand zwischen uns, um sie fest in den Arm nehmen zu können. Das war zwar sehr ungemütlich, da sich die Mittelkonsole noch zwischen uns befand, aber die Umarmung war definitiv herzlich.

»Ich sage es dir zwar nicht oft, aber ich habe dich lieb«, murmelte ich in ihr linkes Ohr, woraufhin sie mich fester an sich zog und flüsterte, dass sie mich genauso lieb hatte.

»Du machst mir den Abschied noch verdammt schwer«, räusperte sie sich und blinzelte schnell, so als wollte sie kommende Tränen vermeiden.

Die Frage war, wem der Abschied schwerer fiel. Denn ich konnte mir nicht vorstellen, wie es war, wenn sie nicht um mich herum wirbelte.

»Lass uns fahren«, murmelte ich, woraufhin sie nickte und den Motor startete.

»Ist Emma hier?«, hörte ich seine Stimme und sie klang merkwürdig aufgebracht und laut, weshalb ich meine Schultern unbewusst straffte. Mein Blick ging zu Papa, der neben mir saß und mich fragend beobachtete.

»Reece?! Ja, sie sitzt im Wohnzimmer. Was ist denn passiert?«, entgegnete Mama mit verwirrter Stimme. Sie war selber gerade erst von Oma wieder gekommen und stand wohl noch im Flur, da sie kurz nach dem Klingeln bereits die Tür geöffnet hatte. Eigentlich hatte ich vor, mich vor ihm zu verkriechen und ihn irgendwie auch für die Aktion zu bestrafen, aber das schien mir jetzt unmöglich. Er wollte nicht mit Mama sprechen und hätte wahrscheinlich auch so lange darauf beharrt, mich zu sehen, bis ich vor ihm stand. Und genau aus diesem Grund stand ich schließlich doch auf und schlich in den Flur.

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