15. Kapitel

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»Na du kleiner Racker, bis zu welcher Seite hast du nun schon wieder gelesen?«, erschreckte ich Caden, der abermals hinter dem Buch saß, welches wir momentan lasen. Mich wunderte es nicht, dass er sich so sehr erschreckte, dass er das Buch fallen ließ, da ich zuvor nicht an die Tür geklopft hatte.

»Oh man, Emma. Jetzt weiß ich nicht mehr, auf welcher Seite ich war«, grummelte er leise.

»Du versucht gar nicht erst zu lügen?!«, fragte ich ihn überrascht, denn ich kannte es normalerweise ganz anders.

»Ich bin kein Kleinkind mehr«, murmelte er trotzig, was mich zum Lachen brachte.

»Natürlich bist du das nicht mehr«, antwortete ich, konnte mich aber nicht beherrschen und fing abermals an zu lachen. »Du bist blöd!«, starrte er mich böse an, doch ich kannte ihn gut genug, um zu wissen, dass er nicht lange auf mich böse sein konnte.

»Bin ich das?«, fragte ich ihn sarkastisch und zog im gleichen Moment den Zeichenblock aus meinem Rucksack.

»Und die Stifte?«, hakte er nach, griff aber auch umgehend nach dem großen Block.

»Bist du etwa so gierig?«, schmunzelte ich und legte ihm mein altes Schulmäppchen gefüllt mit vielen neuen Stiften auf sein Krankenbett.

»Du bist die Beste!«, gab er begeistert von sich und fiel mir quasi in die Arme.

»Ich weiß!«, murmelte ich und knuffte ihm in die Wange.

Ich begutachtete das Buch in seinem Schoß und fragte ihn anschließend, bis zu welcher Seite er gelesen hatte.

Wir waren so in unserem Element, dass wir bereits wahnsinnig weit gelesen hatten, doch während ich ihm die nächsten Seiten vorlas, merkte ich sehr stark, wie er mich beobachte, was mich beim Lesen etwas unsicher machte.

»Was ist?«, wollte ich von ihm wissen, nachdem ich den nächsten Satz vollendete und er seinen Blick nicht abwandte.

»Ich überlege gerade wie das Wort heißt, welches Henry letzte Woche benutzt hat«, erklärte er mir, weshalb ich das Lesezeichen zwischen die Seiten legte und ihn fragend ansah. »Versuch es mir zu beschreiben«, munterte ich ihn auf, damit ich ihm helfen konnte. Er überlegte kurz, ehe er mit seiner Erklärung anfing: »Wir haben Superman im Fernsehen geschaut. Wir, von der ganzen Station, das war wirklich super. Kannst du dir gar nicht vorstellen und ich saß sogar in der ersten Reihe, neben Henry. Und der findet Superman wirklich toll und will genauso werden wie Superman. Alles gleich machen und so oder seine Hilfe sein«

Ich versuchte zu überlegen, welches Wort er nun suchte. »Meinst du einen Helden?«, fragte ich ihn verwirrt und legte das Buch nun ganz zur Seite, damit ich mich zu ihm drehen konnte. Caden schüttelte wild mit seinem Kopf, sodass ich kurz Angst hatte, dass er irgendeinen Anschluss heraus reißen könnte.

»Nein. Er meinte, dass er alles was Superman macht, toll findet und es genauso machen möchte«, schob er schließlich hinterher.

»Willst du ihn eben fragen?«, hakte ich leicht lächelnd nach, doch er schüttelte abermals mit seinem Kopf, diesmal nur langsam und niedergeschlagen.

»Er durfte nach Hause. Seine Eltern waren da und danach habe ich ihn nicht mehr gesehen. Er hat nicht einmal tschüss gesagt«, antwortete er auf meinen verwirrten Gesichtsausdruck.

»Das tut mir leid, Caden. Dann überlegen wir halt weiter. Uns wird das Wort schon einfallen!«, munterte ich ihn nochmals auf, weshalb er mir ein schüchternes Lächeln schenkte. Es tat mir leid, ihn so zu sehen. Es musste wahnsinnig schwer sein, immer wieder einen neuen Freund zu finden, aber nicht zu wissen, wann er einen wieder verlässt.

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