Chapter 30

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Die Tür wurde geöffnet und ein Junge der vielleicht ein bisschen älter war als ich schaute rein. "Oh. Das muss wohl ein Irrtum sein. 'Tschuldigung für die Störung." sagte er und schloss die Tür wieder. Das war komisch. Ich ließ mich wieder entspannt ins Kissen fallen und konzentrierte mich auf meine Herzschläge und nicht auf den Schmerz. Dann dachte ich an den Typen. Er war auch mit Krücken unterwegs und sah gar nicht schlecht aus. Soweit ich das von dem kurzen Moment beurteilen kann hatte er blond gefärbt Haare und dunkle Augen.
Kurze Zeit später klopfte es wieder an der Tür und der Junge streckte seinen Kopf wieder in den Raum. "Es tut mir leid, es gibt kein freies Zimmer mehr. Ich muss also zu dir, aber ich werde eine Lösung finden und dann bin ich weg." stammelte er vor sich hin. Ich setzte mich auf und sah ihn an. "So und jetzt nochmal so, dass ich es verstehe." sagte ich lachend und stand schwerfällig auf. "Ich bin hier eingebuchtet worden und dachte es sei ein Irrtum, dass ich mir das Zimmer mit einem Mädchen teilen muss, aber es war kein Irrtum, weil alle anderen Zimmer belegt sind, weil das zweite Gebäude renoviert wird und deswegen soll ich mir mit dir das Zimmer teilen."
Ich schnappte mir meine Krücken und öffnete die Tür ganz und half ihm mit der Tasche rein.
"Du kannst mir ja jetzt beim Essen alles erzählen. Es gibt jetzt Abendessen." sagte ich und lächelte ihn freundlich an. "Ok." lächelte er freundlich zurück. "Ich bin Leondre." Er reichte mir seine Hand und ich nahm sie an. "Ich bin Hanna, aber dein Name klingt nicht deutsch." sagte ich. "Ja ich komme aus Wales, bin 2010 nach Deutschland gezogen und jetzt wollte ich mich von meinen Eltern unabhängig machen und bin alleine hier in die Nähe gezogen." antwortete er während wir uns auf den Weg zu den Fahrstühlen machten.
Im Speiseraum angekommen suchten wir uns einen Platz und ich musste mich kurz setzen und mich ausruhen. Dann raffte ich mich wieder auf und lief zum Buffet.

Mit vollen Tellern saßen Leondre und ich uns nun gegenüber und unterhielten uns über die Zimmersituation. "Also wie gesagt. Ich hab kein Problem damit, wenn wir uns das Zimmer teilen. Wenn du so einen Tagesplan bekommst wie ich, dann bist du eh nur Nachts und am nächsten Morgen drin." sagte ich. "Was hast du eigentlich gemacht, dass du hier bist?" fragte er nun interessiert. "Ich lerne laufen, weil ich hüftabwärts gelähmt war." lächelte ich. "Wieso war? Was ist passiert?" fragte Leondre weiter. "Naja, also ich hatte als ich kleiner war einen Autounfall und es hat nur mich getroffen, deswegen war ich hüftabwärts gelähmt und jetzt ist die Lähmung halt zurück gegangen und ich hab die Möglichkeit auf ein normales Leben bekommen." lächelte ich stolz. "Aber was hat dich hierher gebracht?" fragte nun ich. "Ach. Das ist eine doofe Geschichte. Ich bin einfach doof gefallen und hatte einen Schienbein Bruch und jetzt soll ich halt das Bein wieder belasten. Nichts besonderes. Wie lange musst du hier sein?" fragte er. "Naja heute ist mein dritter Tag hier und ich muss zwei Wochen hier sein. Du?" mittlerweile war mein Teller fast leer. "Ich muss bis Mittwoch nächste Woche da bleiben, also zwei Tage weniger als du. Eigentlich richtig sinnlos, weil ich nicht direkt in der neuen Schule einfach nicht nicht auftauchen möchte." Ich hätte nicht gedacht, dass Leondre noch in die Schule geht. "Wie alt bist du denn?" fragte ich deswegen nach. Ich bin Anfang Oktober 18 geworden und mach jetzt an einer neuen Schule die 12. Klasse."

Wir redeten und redeten und bemerkten erst als wir fast die Letzten waren, dass es Zeit ist zu gehen. Nach dem Abendessen war freie Zeit und mein nächster Termin würde erst morgen sein. "Geh du ruhig schon mal hoch. Ich geh noch meine Pläne holen an der Rezeption." sagte Leondre, der bereits stand und unsere Teller wegbrachte. "Ok." lächelte ich. Ich lächelte ziemlich viel...
Ich fuhr mit dem Fahrstuhl auf die Etage und schloss die Tür auf. Wir werden uns mit dem Schlüssel wohl reinteilen müssen.
Ich räumte erstmal mein Zeug von dem noch leeren Bett, damit Leondre Platz hatte. Dann machte ich im Schrank Platz und packte die dreckige Wäsche direkt in meinen Koffer. Gerade als ich ins Bad ging, hörte ich wie die Tür geöffnet wurde. "Leondre?" fragte ich. "Nenn mich bitte einfach nur Leo. Leondre ist so lang." lachte er. "Ja soo lang ist das jetzt auch nicht." lachte ich mit. "Was ich fragen wollte... Brauchst du viel Platz im Bad?" Nun kam er zu mir. "Eigentlich nicht. Mach dir keinen Stress ich komm zurecht." lächelte Leo.

Als wir später in unseren Betten lagen, fertig ausgepackt und alles ordentlich, verglichen wir unsere Tagespläne. Wir hatten morgen drei gleiche Termine und und hatten beide die Aufgabe bekommen raus zugehen und rumzulaufen, deswegen hatten wir auch vor am nächsten Tag einen Spaziergang zusammen zu machen.
Gerade als wir die Pläne weggelegt hatten klingelte mein Handy. Shit. Ich hatte Lukas ganz vergessen.
Ich stand auf und lief, an der Wand entlang mit dem Handy in der Hand ins Badezimmer. Dann ging ich ran. "Hey Lukas. Es tut mir leid, dass ich nicht angerufen habe." sagte ich sofort. "Ich hab ewig auf deinen Anruf gewartet. Ich hab mir schon Sorgen gemacht, aber solange es dir gut geht ist ja alles gut." sagte er zum Glück nicht sauer. "Ja es tut mir leid. Ich habe einen Zimmernachbar bekommen und mit dem hab ich mich so angeregt unterhalten, dass ich dich glatt vergessen habe. Aber mir geht es gut." Und das letzte war eine glatte Lüge. Ich wollte ihn nicht anlügen, aber ich wollte auch nicht, dass er sich Sorgen macht. Er hat schließlich auch noch ein eigenes Leben.

Ich erklärte ihm die ganze Situation mit Leo und er war nicht begeistert, vertraute mir aber.
Inzwischen saß ich auf dem Teppich im Bad, weil ich nicht mehr stehen konnte.
Wir verabschiedeten uns ich ging wieder ins Bett. Ich war so erschöpft, das ich sofort einschlief.

In den nächsten Tagen war ich ziemlich passiv. Alles zog nur so an mir vorbei. Ich ignorierte Fragen von Leo, ignorierte Anrufe von Lily und wenn meine Eltern anriefen sagte ich ihnen, dass ich keine Zeit hätte und es mir gut ging. Wenn Lukas anrief, lag ich meistens im Bett und sagte, dass ich müde war. Ich achte auf nichts und niemanden. Machte stumm das was ich tun sollte. Lief so viel wie möglich ohne Krücken. Aß wenig und trank umso mehr.
Jeden Abend brannte mein ganzer Körper. Ich hatte überall Schmerzen und schmuggelte mir heimlich Schmerztabletten ins Zimmer.
Heute war ein Tag, an dem ich einfach nur ins Leere starrte. Ich saß auf meinem Bett und wartete die Zeit bis zum Abendessen ab.
Leondre setzte sich neben mich und schaute mich von der Seite an. "Hanna, ich weiß zwar nicht was mit dir los ist, aber du kannst mit mir über alles reden!" sagte er und dann kam der Blick, den ich inzwischen hasste. Der Ich-mach-mir-Sorgen Blick.
"Mir geht es super." sagte ich, stand auf, ging ins Bad und schloss ab.
Ich starrte in den Spiegel und ohne, dass ich es wollte, kullerte mir eine Träne über die Wange. Und dann noch eine. Und noch eine. Bei mir brauchen alle Dämme und die Tränen strömten nur so meine Wange runter. Ich konnte ein Schluchzen nicht unterdrücken und ließ einfach alles raus. Ich ließ mich auf den Boden fallen und hatte Kopfschmerzen. Ich kroch zur Toilette und übergab mich. Ich ließ alles raus was raus musste. Dann fühlte ich mich so leer, dass ich mich auf dem Boden zusammen kauerte und einfach weinte. Mein ganzer Körper zitterte und ich fror. Ich nahm nur halb wahr, dass Leo irgendwie die Tür geöffnet hatte und sich vor mich hockte. Ich sah ihm deutlich an, dass er erschrocken war und nicht wusste was er tun sollte. Dann zog er mich einfach in seine Arme ich ich schluchzte an seinen Hals. Ich krallte mich in seinem Shirt fest und lockerte meinen Griff erst, als ich mich etwas beruhigt hatte.
Inzwischen liefen mir nur noch Tränen über das Gesicht. "Mir geht es nicht gut." murmelte ich an Leos Hals. "Ich weiß. Du musst mir nichts erzählen." sagte er und strich mir über den Rücken. Dann stand er vorsichtig auf und schnappte sich seine Krücken. Dann machte er einen Waschlappen nass und wusch mein Gesicht.


Kiss me (Lukas Rieger FF)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt