Kiss me (Lukas Rieger FF)

Chapter 47

Am Frühstückstisch herrschte ein komisches Schweigen zwischen mir und meinen Eltern. Es war komisch zu wissen, dass die Eltern genau wissen, dass ihre Tochter Sex hatte. Ich räusperte mich. "Kannst du mir mal die Nutella reichen?" fragte ich meine Mutter. Ich hoffte einfach, dass Helena oder Henry gleich durch die Tür platzen und alles peinliche Schweigen vernichten würden. Aber es kam keiner. Irgendwann unterbrach dann ein Handy klingeln die Stille. "Oh Entschuldigung." sagte Lukas und ging ran. "Hey Karsten, was gibt's?" fragte er und stand vom Tisch auf um zu telefonieren. "Und? Wie war es?" fragte meine Mama. "Mama! Ist das dein ernst? Das geht euch nichts an. Außerdem ist das peinlich." sagte ich und lief rot an. "Wieso peinlich? Das ist ganz normal und gehört zum erwachsen werden dazu." meldete sich nun auch Papa zu Wort. "Ich will einfach nicht darüber reden, okay?" stellte ich klar. Peinlich. Ich aß schnell auf und wartete darauf, dass Lukas wieder kam.

Als er dann endlich kam aß auch er zügig auf und wir standen auf um in mein Zimmer zu gehen. Lukas saß wie immer auf dem Bett und machte irgendwas am Handy. Ich räumte meinen Schreibtisch frei um mein Schulzeug für morgen zu machen. Dabei fand ich wieder die Zeichnung von Leo. Ich fragte mich, warum er das Gesicht von dem Jungen weg radiert hatte. Ich holte meinen Rucksack und schaute, was ich machen musste. "Wer hat vorhin eigentlich angerufen?" fragte ich Lukas. "Das war nur Karsten." antwortete er abwesend. Wenn er mir nichts erzählt, dann wird es nicht so wichtig gewesen sein. "Ok." sagte ich daher nur und machte mich an meine Aufgaben.

*Zeitsprung ca. 3 Monate*

Viele Wochen waren vergangen und Lukas war mit seiner Tour fertig und arbeitete bereits an neuer Musik. Ich lag in meinem Bett, starrte an die Decke und hörte 'The Feeling' von Justin Bieber und Halsey in Dauerschleife. In den letzten Wochen war viel passiert. Meggy war glücklich mit ihrem Koreaner, dessen echter Name übrigens nicht V ist sondern Taehyung. Meiner Meinung nach unaussprechlich. Mit Ria hatte ich Recht behalten. Es war ein ewiges hin und her zwischen ihr und Leo. Ich persönlich denke, dass Leo einfach nicht bereit für eine Beziehung ist.Ob das jetzt nur an Ria liegt oder generell, dass weiß natürlich keiner. Ich denke er braucht einfach Zeit zum Nachdenken. Ria währenddessen fühlte sich nicht so gut. Klar. Würde ich auch an ihrer Stelle. Da ist man in einen Typen verliebt und der weiß selbst nicht was seine Gefühle sagen. Und da soll noch mal einer sagen, dass Frauen kompliziert sind. Bei Lukas und mir war alles in Ordnung. Wir hatten uns Mal kurz gestritten, wegen meiner dummen Eifersucht. Da war so ein Mädchen namens Faye mit ihm auf Tour und da ist halt das ein oder andere Bild im Internet aufgetaucht. Er war so oft wie es ging hier. Immer wenn er in der Nähe war, kam er zu mir. Luis war auch einmal dabei. Inzwischen meldete sich Lukas nicht mehr an, weil er nicht wollte, dass sich meine Eltern so viele Gedanken machen und plötzlich einen Aufräum-Anfall bekommen. Also eigentlich will er nicht, dass wir ihn wie einen Gast behandeln. Was hat sich noch verändert? Ich hab Lily verziehen. Aber wir sind nicht befreundet. Wir reden nur das nötigste miteinander. Ich habe ihr mehrmals gesagt, dass alles cool ist zwischen uns. Ich habe es nicht vergessen, aber das heißt nicht, dass ich ihr das jahrelang vorhalten muss. Jeder macht mal Fehler. So sind wir Menschen halt. Keiner ist perfekt und deswegen ist es auch so wichtig, dass wir lernen zu vergeben. Auch uns selbst. Und das fällt Lily noch schwer. Ich habe ihr verziehen, aber sie hat sich selbst noch nicht verziehen. Nach ihren Aktionen redeten nur noch wenige mit ihr. Deswegen versuchte ich umso mehr über meinen Schatten zu springen und sie mit einzubeziehen. Klar möchte ich sie manchmal am liebsten anschreien, aber das würde keinem von uns beiden helfen, also schlucke ich lieber meine Wut runter und versuche ihr offen zu begegnen. Und das ist es was die Welt braucht. Weniger Hass, weniger Rache, weniger Neid. Vergebung, Liebe und Zuneigung ist das was die Welt braucht. Und wenn du nur deinem Nachbar ein Kompliment machst. Genau das ist das Prinzip von der Nächstenliebe.
Nächstenliebe. Nächstenliebe. Ich stand auf und holte mir die Bibel die ich in Hannover gekauft hatte aus dem Regal. Ich hatte in letzter Zeit öfter darin gelesen. Manches verstand ich sofort, manches nach dem zweiten Mal lesen und manches auch nach dem fünften Mal noch nicht. Bibel lesen ist gar nicht so langweilig wie man immer sagt. Wenn man es aus freien Stücken macht und sich wirklich dafür öffnet, dann kann es ermutigen.

Ich sah das mein Handy blinkte und schaute wer mir geschrieben hatte. Es war Leo. 'Bin in 10 Minuten bei dir. Ich hab großen Redebedarf.' Das könnte alles bedeuten. Was gutes was schlechtes. Oder er verarscht mich und hat einfach nur pure Langeweile. Oder alles zusammen. Ich räumte meinen Boden und mein Bett leer, weil mein Zimmer echt wie ein Saustall aussah. Nichts neues, seit ich laufen kann braucht ich ja nicht mehr so viel Platz. Da kann man auch alles zustellen.
Gerade als ich sogar noch meinen Schreibtisch aufgeräumt hatte, kam Leo rein. Er sah nicht so glücklich aus, weshalb ich mir die Fragen schon selbst beantworten konnte. Seine Augen waren leicht angeschwollen. "Wie schlimm ist es?" fragte ich und nahm ihn in den Arm. Er fing an zu weinen. Ich wusste, dass er ein emotionaler Mensch war und es ihn nicht störte vor anderen zu weinen, aber trotzdem war ich leicht überfordert. "Ich hol dir ein Glas Wasser. Taschentücher stehen auf dem Schreibtisch." sagte ich und löste mich von ihm um in die Küche zu gehen. Dort füllte ich uns zwei Gläser mit Wasser und ging wieder in mein Zimmer. Leo saß auf dem Boden mit seinem Bild in der Hand, was wohl noch auf meinen Schreibtisch lag. Ich hätte ihn jetzt fragen können, aber ich hörte ihm lieber erstmal zu. "Ich hab endlich einen klaren Kopf." fing er an. "Aber ist das nicht was Gutes?" fragte ich. "Ich wünschte es wäre so, aber ich schäme mich selbst dafür." sagte er. "Wofür?" fragte ich weiter.