7 - cup of tea

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Jimin

„Darf- darf ich für ein paar Stunden bei euch unterkommen?", fragte ich Hoseok und auch Yoongi, welchen ich gerade noch so im Hintergrund entdeckt hatte. Meine Stimme war kratzig und vom ganzen Weinen noch heiser. Ich war mental am Ende. Ebenso wie meine physischen Kräfte, weshalb ich beinahe das Gefühl hatte, unter der Schwäche meiner Beine zusammenzubrechen. Zusätzlich plagten mich Kopfschmerzen, welche vom Abend zuvor kamen. Wobei mir Yoongi in den Sinn kam, welcher auch ziemlich verkatert sein musste.

Erneut rollte eine Träne über meine Wange. Die Geschehnisse der vergangen Stunden saßen noch tief in meinen Knochen und raubten mir meine Kräfte.

„Sicher doch, komm rein", bat mich Hoseok, ging einen Schritt zur Seite, sodass ich eintreten konnte. Meine Klamotten waren völlig durchnässt und hinterließen unzählige Tropfen auf dem Boden. Zusätzlich zitterte mein ganzer Körper, was nicht nur an der Kälte lag, sondern auch am Schwinden des Adrenalins, welches in den letzen Stunden durch meinen Körper gepumpt worden war.

„Brauchst du vielleicht ein paar trockene Klamotten?", fragte mich Hoseok hastig. Es schien, als wäre ihm erst in diesem Moment aufgefallen, wie meine Klamotten auf dem Boden feuchte Spuren hinterließen und mein nasses Haar an meiner Stirn klebte.

„J-ja b-bitte", erwiderte ich zitternd. Meine Zähne fingen an zu klappern. Mir war fürchterlich kalt. Hoseok nickte schnell, ehe er sich Yoongi zuwandte, welcher so verloren im Gang stand und einen solch jungen Eindruck machte. Man konnte ihm förmlich ansehen, wie überfordert er mit dieser Situation war.

„Yoongi, gib' Jimin ein paar Klamotten von dir!", forderte er diesen auf. „Warum ausgerechnet-"
„Jetzt mach einfach", schnitt er seinen kläglichen Versuch, sich zu beschweren ab. Angesprochener murmelte nur etwas, ehe er in einem Raum verschwand, nur, um kurz darauf mit einem Stapel Klamotten wieder aufzutauchen, welche er mir auch sogleich in die Hände drückte.

„Danke", bedankte ich mich bei Yoongi, welcher aber nichts darauf erwiderte, sondern nur schnell seinen Blick von mir abwendete. Mir fiel auf, dass seine Hände zitterten und er den Eindruck machte—ich könnte aber auch falsch liegen—, dass er fror. Doch es war nur eine kleine Sache, die mir aufgefallen war, nicht mehr und auch nicht weniger. Und vor allem nichts von Bedeutung.

[•••]

„Möchtest du einen Tee?", fragte mich Hoseok, nachdem ich auf ihrer Couch Platz nahm. Ich brachte nur ein Nicken zustande. „Bin gleich wieder da", sagte er, bevor er verschwand und mich mit Yoongi alleine ließ. „Danke für die Klamotten", meinte ich mit geschwächter Stimme. Ich fürchtete eine Erkältung zu bekommen, was aber Anhand der Tatsache, dass ich seit gut einer Stunde durch den Regen wanderte, nur noch logisch war.

„Ich hoffe sie passen", sagte er nur abwesend. Wo war nur sein Selbstbewusstsein hin? Letzte Nacht haben wir uns prima unterhalten können, und nun kam es mir so vor, als gäbe es eine Barriere zwischen uns.

„Hast du geweint?", platzte es auch schon Sekunden später aus mir heraus. Mir war nicht entgangen, dass er verheult aussah—womöglich aber sah er einfach genauso aus wie ich, denn mit weinen hatte ich meine letzten Stunden ebenfalls verbracht. Er räusperte sich kurz, versuchte womöglich seine Stimme stark wirken zu lassen, ehe er antwortete: „Nicht ich, sondern er oder sie." Er kam trotzdem nicht drum herum seine Stimme unsicher und gebrochen wirkte.
Ich gab nur ein verständnisvolles Nicken von mir.

„Hier!" Mit einem geräuschvollen Laut stellte Hoseok vor mir eine Tasse heißen Tee auf den Tisch. „Ich wusste nicht, welchen du bevorzugst, weshalb es schlichter Minztee ist", klärte er mich auch schon auf. „Minze ist gut", erwiderte ich neutral, als ich auch schon die Tasse an meinen Mund führte, um einen Schluck zu trinken, wobei ich mir beinahe meine Zunge verbrannt hatte. Gut, vielleicht sollte ich noch ein paar Minuten warten und ihn abkühlen lassen.

„Unterbrich mich, wenn das zu privat sein sollte, aber warum standest du so zerstört vor unserer Tür?", bedachte mich Hoseok mit seiner Frage. Es war klar, dass er neugierig war. Jeder normale Mensch wäre neugierig gewesen, herauszufinden, was los war. Ich konnte es ihm also nicht verübeln.

„Ich bin euch eine Erklärung schuldig, nicht wahr?" Ich ließ meinen Blick zwischen Yoongi und Hoseok wandern. Nebenbei verfluchte ich meine Stimme, dass sie so gebrochen klang. Doch sie spiegelte lediglich mein Innerstes wider.

Ich atmete tief durch, versuchte mir so viel Mut anzueignen, wie nur möglich, bevor ich meinen Mund öffnete und anfing zu erzählen: „Jungkook und ich... wir haben uns gestritten. Ziemlich schlimm sogar, wenn ich ehrlich bin." Ich senkte meinen Blick auf meine Hände, welche ich seltsam miteinander verschlungen in meinem Schoß abgelegt hatte.

„Aber du und Jungkook habt auf mich immer den Eindruck gemacht, als würdet ihr perfekt zueinander passen und als gäbe es in eurer Beziehung keinen Platz für Streit." Bei Hoseoks Worten musste ich beinahe schmunzeln. So wirken wir also auf andere? Doch die Realität hatte uns eingeholt, weshalb ich nun ironisch auflachte: „Unsere Beziehung schien schon seit einigen Wochen den Bach runterzugehen, nur wollte es keiner von uns beiden so richtig wahrhaben."

Es breitete sich eine undefinierbare Stille zwischen uns aus, welche sich keiner so wirklich trauen wollte, zu durchbrechen. Um mich wenigstens ein klein wenig aus dieser Situation zu winden, trank ich einen Schluck vom Tee, welcher nun wirklich eine angenehme Temperatur erreicht hatte. Wohlig rann die Flüssigkeit meinen Hals herunter, bescherte mir für einen kurzen Augenblick tatsächlich Wärme.

„Das tut mir leicht", sagte Hoseok. Ein entschuldigendes Lächeln hatte sich auf sein Gesicht abgelegt, doch ich schüttelte nur vehement mit dem Kopf. „Das muss es nicht. Es war lediglich nur eine Frage der Zeit. Ich habe mir von Anfang an schon gedacht, dass es irgendwann so enden würde." Während ich sprach, schnürte sich mein Hals immer mehr zu, sodass ich die letzten Worte beinahe krächzend aus mir heraus brachte.

„Was war der Grund? Also für euren Streit meine ich", fragte der Braunhaarige weiter, darauf bedacht, mich in keinster Weise zu bedrängen. „Natürlich musst du es nicht erzählen, wenn du nicht willst", fügte er noch schnell hinzu, als er mitbekam, wie ich mit mir selbst haderte. „Wir waren nicht füreinander bestimmt", überwand ich mich dann trotzdem. „Am Anfang dachten wir es... doch mit der Zeit wurden wir vom Gegenteil überzeugt. Und als ich dann gemeint habe, dass es nicht wirklich mehr einen Sinn ergibt, diese Beziehung am Leben zu halten, ist er wütend geworden." Meine Stimme hatte dermaßen an Kraft verloren, sodass ich beinahe schon geflüstert hatte.

„Willst du damit sagen, dass ihr keine Seelenverwandten seid?", fragte mich Hoseok. Die Überraschung in seiner Stimme war deutlich herauszuhören. Ich nickte nur stumm. Wie naiv ich am Anfang nur war. „Aber er hat dich nicht irgendwie... du weißt schon?" Diesmal schüttelte ich vehement mit dem Kopf—auch wenn, er sich dafür mehr als nur beschwerte. „Oh Gott nein! Wir haben uns nur angeschrien. Er war ein wenig betrunken... ich war ein wenig mehr betrunken. Ich nehme an, dass das das Feuer nur noch schneller zum Lodern gebracht hatte." Mein Hals fing an zu kratzen. Ich würde wirklich drohen, eine Erklärung zu bekommen. Super.

„Und dann bist du gegangen", schlussfolgerte Hoseok. Ich nickte nur, wusste, dass ich sowieso bald keine Worte mehr herausbekommen würde. „Aber warum ausgerechnet zu uns? Ich bin mir nämlich ziemlich sicher, dass du bessere Freunde hast, als uns." Ich biss mir auf die Unterlippe. Ich hatte nicht sonderlich viele Freunde, auch, wenn viele das immer annahmen.

„Weil ich mir ziemlich sicher bin, dass er nicht auf die Idee kommen würde, dass ich bei seinem Feind bin", sagte ich mit der letzten Kraft, die meine Stimme noch zu bieten hatte. „A-außerdem komme ich mit euch gut zurecht. V-vor allem mit dir H-Hoseok," meinte ich zitternd. Mein Immunsystem schien mich in diesem Moment endgültig im Stich zu lassen. Mein Blick glitt zum Angesprochenen, welcher mir aber nur mit großen Augen entgegenblickte. Zu Yoongi sah ich auch hinüber. Er hatte sich die ganze Zeit zurückgehalten und kein einziges Wort gesagt. Es beunruhigt mich, um ehrlich zu sein.

„Du kannst so lange bleiben, wie du willst", meinte Hoseok nur, woraufhin ich ihm ein ehrliches Lächeln schenkte. Allerdings behielt ich im Gedächtnis, dass es nicht länger, als nötig sein würde.

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[20191002]

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