11 - crying

3.7K 258 146
                                    

Yoongi

Es musste noch mitten in der Nacht gewesen sein, als ich aufwachte. Weinend. Erneut. Nur dieses Mal war mir wirklich nach weinen zumute, denn mir ging es schrecklich. Und das schon seit gut einem Tag.

Ich richtete mich auf, fuhr mir mit dem Ärmel meines Pullovers die Tränen weg, welche sich auf meinen Wangen breitgemacht hatten. Träge schlug ich die Decke von meinen Körper. Auch, wenn mir nicht danach war, stand ich auf. Schlaf würde ich momentan sowieso nicht mehr finden und mich stundenlang im Bett herumzuwälzen, wollte ich auch nicht.

Mit einem Knarzen öffnete ich meine Zimmertür. Ich wusste nicht, wie spät es war, weshalb ich mich umso mehr bemühte, wirklich niemanden zu wecken.

In der Küche angekommen füllte ich mir ein Glas mit Wasser. Meine Kehle fühlte sich unglaublich ausgetrocknet an. Als ich das Glas geleert und es abgestellt hatte, wollte ich wieder zurück ins Bett gehen; vielleicht könnte ich ja doch wieder dem Schlaf verfallen.

Als ich allerdings auf dem Weg zurück war, riskierte ich instinktiv einen Blick ins Wohnzimmer, wo Jimin auf unserer Couch schlief. Wer weiß, wie lange er hierbleiben würde. Doch ich hatte mitbekommen, dass er nicht länger bleiben wollte, als nötig. Um unsere Gastfreundschaft nicht unnötig auszunutzen, oder so ähnlich.

Mein Herz begann fürchterlich weh zu tun, als ich Jimin schluchzen hörte. Dieses Geräusch ging mir durch jede Faser meines Körpers und hallte in meinem Kopf wider. Es bereitete mir körperliche Schmerzen, ihn so zu hören.

Ich erkannte ihn senkrecht auf der Couch sitzen. Er war also, genauso wie ich, hellwach.

Ich überwand die letzten Stritte zu ihm, ehe ich zu sprechen begann: „Ist alles in Ordnung?" Schreckhaft fuhr der Jüngere zusammen, hatte mich zuvor wohl nicht bemerkt. Was ich ihm nicht verübeln könnte; es schien, als wäre er in einer Trance gewesen, kilometerweit von der Realität entfernt.

„Du würdest mir nicht glauben, würde ich "Ja" sagen, richtig?", erwiderte er schniefend. Seine Stimme klang so gebrochen, es machte mir Sorgen. Ein ironisches Lachen kämpfte sich aus seiner Kehle. Es machte allerdings nicht den Anschein, als wollte es den Raum erfüllen, weshalb er es sofort aufgab.

„Was ist los?", meinte ich nur, als ich mich kurz darauf neben ihn setzte. Er schniefte erneut auf; wieder flossen Tränen über seine Wangen; wieder verspürte ich das Gefühl, ebenfalls zu weinen beginnen. „I-ich... es tut mir leid ich-"
„Du musst nicht mit mir reden, wenn du nicht willst." Ich stand auf, wollte gehen, ihn alleine und wieder in Ruhe lassen, doch er hielt mich auf, indem er mich an meiner Hand festhielt. Augenblicklich wurde mein Körper von einem angenehmen Schauer durchzogen. Er griff ein wenig fester zu, was mein Herz dann doch noch schneller schlagen ließ.

„Das ist es nicht", sagte er dann zittrig. „Lass dir Zeit; ich zwinge dich zu nichts", erwiderte ich. Ich respektiere die Tatsache, dass er mir tatsächlich etwas anvertrauen würde, da wollte ich ihn nicht hetzen, weder ihn dazu nötigen. „Danke", meinte er leise.

Es dauerte ein paar Minuten, bis er sich wieder einigermaßen beruhigt hatte. Den Griff um meine Hand hatte er schon lange gelockert, doch er hielt sie noch immer schwach fest; womöglich unbewusst.

„Ich vermisse ihn", kam es dann ruhig von ihm. „Auch, wenn die letzten Wochen schrecklich waren, vermisse ich ihn so unglaublich sehr." Es machte mich glücklich, zu wissen, dass er mir sein Herz öffnete, doch anderseits machte es mich unglaublich traurig ihn so zu sehen, oder reden zu hören. „Ich denke, dass das in Ordnung ist, schließlich seid ihr wie lange zusammen gewesen?"
„Drei- drei Jahre."
Ich musste schlucken. Mir war nicht bewusst, dass sie dennoch so lange ein Paar gewesen waren. Doch umso mehr verwunderte es mich, dass ihnen erst nach so vielen Jahren aufgefallen war, dass sie nicht füreinander bestimmt waren.

„Ich nehme an, dass es nach einem solch langen Zeitraum nur logisch ist, dass ihr einander vermisst." Ich schloss Jungkook mit ein, da ich nur ahnen konnte, dass es ihm womöglich in diesem Moment genauso ging.

„Findest du?" Langsam legte Jimin seinen Kopf auf meiner Schulter ab, was ich unglaublich genoss. Generell fühlte ich mich in seiner Gegenwart—im Vergleich dazu, als ich aufgewacht war—unglaublich wohl.
„Selbstverständlich. Ihr habt euch womöglich so an die Gegenwart den anderen gewöhnt, sodass es nun schmerzhaft sein muss, ohne einander klarzukommen." Während ich sprach fing der Jüngere wieder an zu weinen. Augenblicklich verfluchte ich mich für meine vergangenen Worte. Jimin schniefte nur kurz auf, ehe er sich seine Tränen wegwischte und etwas erwiderte: „Aber ich schätze, dass es unumgänglich war. Schließlich hätten wir beinahe noch zwei weitere Menschenleben ruiniert."
„Wie meinst du das?"
„Wir waren nicht für einander bestimmt, Yoongi, verstehst du? Wären wir dennoch zusammengeblieben, würden zwei weitere ohne den richtigen Seelenverwandten leben müssen."
„Daran habe ich gar nicht gedacht."
Darauf folgte Stille. Allerdings war sie träge und angenehm; sie machte nicht den Anschein, als wolle sie sofort durchbrochen werden.

„Dass du sie oder ihn noch immer nicht gefunden hast, ist mir ein Rätsel", murmelte Jimin leicht träge.
„Mir auch", lachte ich kaum amüsant auf; es klang viel eher ironisch und ganz vielleicht auch ein Hauch verzweifelt.
„Du bist vielleicht nur ein wenig zu schüchtern, aber ansonsten bist du richtig liebenswürdig. Schon dumm, wenn er oder sie dich die ganze Zeit übersieht." Seine Stimme klang ganz lethargisch; womöglich war er kurz davor einzuschlafen.

„Aber bin ich denn nicht besser, wenn ich ihn die ganze Zeit übersehe?", konterte ich. Schließlich mussten wir beide schuld sein, wenn wir uns die ganze Zeit übersehen. Obwohl ich mir nicht einmal wirklich im Klaren war, ob wir in direkter Nähe oder Reichweite waren. Doch bei meinem Glück, ist das sicherlich nicht der Fall. Obwohl mich das mit der Party—meine urplötzliche Betrunkenheit—noch immer verwirrte.

„Stimmt auch wieder... dann seid eben ihre beide zu blind, um den anderen wirklich wahrzunehmen." Er kuschelte sich noch ein wenig mehr an meine Schulter.
„Womöglich hast du recht."
„Selbstverständlich."
Seine Atmung wurde immer ruhiger; ich fürchtete, dass er einschlief. Aber da gab es eine Frage, welche mir schon seit ein paar Stunden nicht mehr aus dem Kopf gehen wollte.

„Jimin?"
„Hmm..."
„Woran habt ihr eigentlich bemerkt, dass ihr keine Seelenverwandten seid?"
Er verkrampfte sich für einen kurzen Augenblick, ehe sein Körper wieder in die träge Lethargie zurückfiel. „Während er glücklich war, war mir nach weinen zumute. Während er voller Euphorie strotzte, wollte ich mich unter meiner Decke verstecken. Umkehrt war es natürlich auch der Fall. Aber ich nehme an, dass der Richtige womöglich nicht gerade der glücklichste Mensch auf dieser Welt ist." Ich bewunderte es, dass er trotz der Tatsache, dass er verdammt müde schien, so viele Sätze an einem Stück herausbrachte.

„Das alles war mir schon vor einiger Zeit aufgefallen, aber ich hatte einfach gehofft, dass es nicht bei jedem so gleich ist, wie es immer heißt, verstehst du?" Ich nickte und war mir sicher, dass er es zur Kenntnis genommen hatte, denn er sprach sofort weiter: „Außerdem habe ich von Anfang an dieses Gefühl vermisst, ihn gefunden zu haben. Es heißt ja immer, dass die Gefühle des anderen nachließen, sobald man zusammen ist. Irgendwie hatte ich nie das Gefühl, dass es in unserem Fall so war."

Es musste schrecklich sein, zu denken, dass man den Seelenverwandten gefunden hatte, nur, um mit der Zeit festzustellen, dass es doch nicht der Richtige war. Und dass man die Zeit, in der man mit dem Falschen zusammen war, den anderen hat verzweifelt suchen lassen. Jimin hatte unrecht; es wären vier Menschenleben ruiniert gewesen, denn sie wären niemals vollständig glücklich gewesen und die anderen zwei hätten ein Leben lang den Richtigen gesucht. Dennoch bewunderte ich ihn für seine Entscheidung, es zu beenden.

„Geht es dir ein wenig besser?", wollte ich als letzen noch wissen. Er nickte, antwortete mir mit einem „Ja".

Es vergingen weitere Minuten, in welchen ich beinahe ebenfalls wieder eingeschlafen wäre, da hörte ich Jimins Stimme ein letztes Mal, ehe ich dem Schlaf verfiel. „Ich danke dir."

••••••
[20191030]

A/N;
Uff I know
Aber die beiden brauchen noch ein wenig Zeit zum Annähern
But till now I'm so sorry

significant Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt