Jimin
Mit einem fiebrigen Ausdruck wanderte ich durch die Stadt. Mir war klar, wo ich hin wollte, doch meine Beine schienen sich vehement dagegen zu wehren. Was womöglich nicht nur an meinem geschwächten Immunsystem lag, sondern auch an dem Wissen, was passieren würde, würde ich wieder zurück gehen.
Jungkook war kein schlechter Mensch. Oh Gott nein, das war er wirklich nicht! Ich hatte ihn geliebt, das hatte ich wirklich. Nur irgendetwas war geschehen. Irgendetwas, was uns voneinander abgebracht hatte. Vielleicht war es die Tatsache, dass wir nicht füreinander bestimmt waren. Dass wir von Anfang keine Seelenverwandte waren. Auch, wenn ich das damals gehofft hatte. Doch irgendetwas schrie von Anfang an in mir, dass es nicht das Richtige war. Und ich verfluchte mich dafür, wie naiv ich doch war.
Ich musste husten. Ich hatte es tatsächlich geschafft, mir eine Erkältung inklusive Fieber zuzuziehen. Der Regen, der noch Minuten zuvor auf mich niederprasselte, war nicht gerade produktiv. Wozu war ich eigentlich fähig?
Mittlerweile stand ich vor dem hohen Wohnhaus, in welchem ich mir mit Jungkook eine Wohnung teilte. Ich war ohne jegliche Sachen geflüchtet. Ich musste die Wohnung verlassen, ich hielt es einfach nicht mehr aus. Aber jetzt war ich hoffnungslos verloren, ohne jegliche Sachen, die ich meine Habseligkeiten nennen konnte. Ich hoffte nur, dass er zuhause war, und ich sozusagen nicht Stunden darauf warten müsse, bis er wieder da war.
Ich stieß die Haustür auf. Es kam selten vor, dass diese verschlossen war. Dass es hier nicht zu mehr Einbrüchen kam, zumal es nicht die kleinste Stadt, dieses Landes war. Nein, sonder eher im Gegenteil; Seoul war die größte Stadt meines Heimatlandes. Aber sie war nicht wirklich meine Heimat, sonder meine Heimatstadt Busan, aus welcher Jungkook ebenfalls kam, weshalb wir von Anfang an einen guten Draht zu einander hatten. Aber nun war es nicht mehr als eine Erinnerung.
Während ich in meinen Gedanken schwelgte—oder war es nur eine Art Trance des Fiebers?—stand ich irgendwann vor unserer Tür. Womöglich war ich ganz ohne Verstand in den Fahrstuhl gestiegen und mit diesem nach oben gefahren.
Ich zögerte, ehe ich schwach anklopfe. Ich haderte mit mir selbst; ich könnte sofort verschwinden, bevor er die Tür öffnete und ich ihm entgegen stehen würde. Anderseits aber war dies unvermeidlich; früher oder später würde wir zu dem hier kommen. Wobei mir später bei weitem lieber gewesen wäre.
„Jimin!" Schreckhaft fuhr ich beim Klang meines ausgesprochen Namens zusammen. Früher hatte ich es geliebt, ihn aus seinem Mund mit seiner Stimme zuhören, doch nun jagte es mir einen Gänsehaut über den Körper—wobei das Fiber sicherlich ebenfalls seinen Teil dazu beitrug.
„Mich wundert es", er sah mich abschätzig an, verschränkte seine Arme vor seiner Brust „dass du wirklich wieder zurückkommst." Er lehnte sich am Türrahmen an. Auf seinen Lippen hatte sich ein süffisantes Lächeln eingemeißelt. Es machte mir Angst, ich hatte ihn noch nie so erlebt. Doch ich wollte mich nicht vor ihm fürchten. Jungkook war ein herzensguter Mensch, doch ich erkannte ihn nicht wieder.
„Darf ich bitte vorbei", versuchte ich zu sagen, scheiterte aber, als meine Stimme dabei abbrach. Kurz zog er verwundert seine Augenbrauen zusammen, ließ seinen Blick an mir heruntergleiten. „Wo warst du?!" Womöglich hatte er die fremden Klamotten entdeckt und eins und eins zusammen gezählt. „Kann dir doch egal sein", krächzte ich, als ich mich an ihm vorbei drückte.
Im Wohnzimmer angekommen, sah ich mich resigniert um. Wie konnte es nur zu all dem kommen?! „Was hast du vor huh?" Der Braunhaarige war mir gefolgt, stand nun dicht hinter mir. Ich drehte mich zu ihm um, sah in seine dunklen Augen, die ich einst zu lieben gelernt hatte. So etwas ähnliches hatte er mich schon vor Stunden gefragte, als ich schon beinahe fluchtartig unsere Wohnung verlassen hatte.
„Ich werde ausziehen", gab ich dann flüsternd bekannt. „Irgendwann in den kommenden Tagen." Ich wandte mich wieder von ihm ab. Mir eine Hand auf den Mund schlagend versuchte ich jämmerlich mein Schluchzer zu verbergen, welche sich dann doch aus meiner Kehlte bahnten. „Und jetzt flennst du wieder, so, wie in den letzten Stunden auch!", hörte ich Jungkook sagen. Er klang so anders, so fremd.
Ich ignorierte seine Aussage, ging einfach in unser ehemaliges Schlafzimmer, wo ich mir auch sogleich mein Handy schnappte, welches ich dort, bevor wir gestritten hatten, angeschlossen hatte. Er ging mir hinterher, beobachtete mich dabei. „Du willst also wirklich verschwinden?! Ein zweites Mal an diesem Tag." Er wurde etwas lauter, doch das war bei weitem nicht die Lautstärke, mit welcher wir uns während des Streites angeschrien haben.
Ich zwängte mich wieder an ihm vorbei, ignorierte seine Worte erneut. Ich sammelte jegliche Habseligkeiten zusammen, die ich für einen kurzen Aufenthalt wo auch immer gebrauchen könnte. Nur so lange, bis ich wusste, wo ich leben könne, ehe ich hier raus war. Jungkook folgte mir mit in jeden dieser Räume, sagte aber kein Wort mehr. Nachdem ich der Meinung war, dass ich alles, was ich gebrauchen könnte, in eine Tasche schmiss, schien ihm endgültig der Geduldsfaden gerissen zu sein.
„Das kann nicht dein Ernst sein", lachte er ironisch auf. „Wer hat denn die Ehre?" Er deutete auf die Tasche in meiner Hand an. „Zu wem gehst du?"
„Lass es gut sein", versuchte ich mich, aus dieser Situation zu winden.
„Es gut sein lassen?! Wir haben uns etwas aufgebaut, die letzten drei Jahre miteinander verbracht! Und jetzt willst du einfach alles so wegschmeißen?!"
„Wir waren einfach nicht dafür bestimmt, verstehst du?" Mich wunderte es, dass meine Stimme wirklich so stark klang, wie ich es mir erhofft hatte.
„Aber warum fällt dir-"
„Uns", korrigierte ich ihn.
Er atmete genervt aus: „Und warum fällt uns das erst nach drei Jahren auf?" Diesmal klang seine Stimme leise, beinahe resigniert. Womöglich wurde ihm jetzt klar, dass weder ich noch er daran schuld waren. Dennoch hatte mich sein Verhalten in den letzten Wochen unglaublich sehr eingeschüchtert, weshalb ich es nicht länger mit ihm aushielt.„Ich weiß es nicht", flüsterte ich. Nun hatte die Resignation auch mich im Griff.
„Aber wir waren doch glücklich!"
„Waren wir das?" Ich schüttelte nur mit dem Kopf. „Wir waren seit langem nicht mehr glücklich."Ich suchte meine Jacke, welche ich auch sogleich über den nassen Pullover zog. Ich würde sicherlich noch kranker davon werden, dachte ich mir, als ich daran dachte, wieder in die Kälte und damit den Regen zu gehen.
„Und jetzt gehst du davon aus, dass wir einfach so weiter leben?! Du bist ein unglaublicher Feigling, wenn du jetzt wieder gehen solltest." Er sah mich an. In seinen Augen erkannte ich so viele Emotionen und Eindrücke, so unendlich viele, doch nicht die Liebe, weder Verständnis. Wobei ich letzteres am meisten von ihm gebraucht hätte.
„Auf Wiedersehen, Jungkook." Ich traute mich nicht, ihn anzusehen, während ich die Tür hinter mir zuzog. Nun gab es kein zurück mehr und unsere Geschichte war nur noch ein kläglicher Teil der Vergangenheit.
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Der Regen hatte irgendwann nachgelassen, dennoch war er durch meine Kleidung gedrungen, sodass ich ihn sogar auf meiner Haut spüren konnte. Ich würde wohl niemals aus meinen Fehlern lernen.
Nachdem ich ein paar Minuten—oder waren es bereits Stunden gewesen?—hatte ich mit mir selbst gehadert, wo ich denn nun hingehen würde, entschied ich mich dann doch wieder, zurück zu Hoseok zu gehen. Er hatte mir ja schließlich angeboten, so lange zu bleiben, wie ich möchte. Auch, wenn ich es nicht wagen würde, länger zu bleiben, als ich eigentlich müsse. Mindestens noch kommende Nacht, dachte ich mir.
Also machte ich mich wieder auf den Weg. Und irgendetwas ganz, ganz unscheinbares in mir, sagte, dass es eine gute Idee sein würde.
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[20191016]
A/N;
first of all; ihr könnt euch nicht ausmalen, wie sehr ich mich dafür verabscheue, kooks in diese Rolle gegeben zu haben (no really)
second; rip jikook
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significant
Fanfiction- abgeschlossen - Eine Welt, in welcher es eine Selbstverständlichkeit ist, einen Seelenverwandten zu haben. Nur Yoongi hatte bis jetzt nicht das Glück, ihm begegnet zu sein. Doch dabei war ihm nicht bewusst, dass dieser näher war, als es die ganze...