12 - good morning

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Jimin

„Mach' ein Foto!"
„Ich werde ganz sicherlich kein Foto machen"
„Spielverderber."
Ich murmelte etwas und hörte daraufhin schnelle Schritte. Womöglich floh einer, nachdem klar wurde, dass ich nun wach war. Als ich kurz darauf müde meine Augen öffnete, sah ich in Hoseoks Gesicht, seine Lippen zu einem entschuldigenden Lächeln verzogen.

„Tut mir leid", meinte er. „Mein Freund kann manchmal etwas... eigen sein." Ich sah ihn nur blinzelend an. „W-wieso ein Foto machen?", fragte ich, meine morgendliche Stimme so kratzig und schwach, sodass ich sicher war, dass er mich nicht verstanden hatte, doch er lachte nur leise auf.

„Weil ihr gerade zu süß seid", antwortete er in einem freudigen und charmanten Ton. Ich verstand nicht, richtete mich also etwas auf. Und ehe ich anfangen konnte, die Situation zu analysieren, wusste ich, von was er sprach. Yoongi und ich mussten irgendwann eingeschlafen sein. Wir waren wohl beide zur Seite gerutscht, weshalb ich nun letztendlich auf seinem Oberkörper lag. Sofort errötete ich bei der Erkenntnis, dass wir wohl die letzen Stunden so nah aneinander verbracht hatten. Und auch, wenn mir diese Situation unglaublich unangenehm war, fühlte sie sich irgendwo so unvorstellbar vertraut und richtig an. Doch diese Erkenntnis schob ich schnell zur Seite.

„Aber wenn du jetzt schon wach bist, kann ich dich ja auch gleich fragen, ob du mit frühstücken möchtest." Mein Blick wanderte zu Yoongi, welcher so unglaublich friedlich schlief. „Ich lass' ihn lieber schlafen und das liegt auch gar nicht daran, dass er extrem launisch sein kann, wenn er aufgeweckt wird." Ich nickte nur, sah Hoseok dabei zu, wie er erneut unsere Lage musterte. Augenblicklich breitete sich eine so unglaublich Weichheit in seinen Augen aus und seine Gesichtszüge Grenzen unglaublich an Gelassenheit und auch ein klein wenig Besorgnis. Eine seltsame Kombination, meiner Meinung nach, aber ich wusste ja nicht, was ihm in diesen Moment durch den Kopf ging.

„Wie kam es überhaupt dazu?", fragte mich der Ältere, nachdem er sich womöglich den Anblick unserer Situation ins Gedächtnis gebrannt hatte. „Zu was?", erwiderte ich flüsternd.
„Na dazu." Er machte eine Geste, die auf mich und den Schlafenden deutet. „Ich konnte nicht schlafen und irgendwann ist er aufgetaucht", meinte ich leise. „Und dann haben wir geredet."
„Geredet?", wiederholte er letzteres in einem etwas lauteren Ton. Sofort schlug er sich eine Hand auf den Mund, als der Schwarzhaarige sich kurz rührte und den Anschein machte, als würde er aufwachen.

„Worüber habt ihr geredet?", wiederholte er sinngemäß mit gesenkter Stimme, als er sich sicher war, dass er Yoongi nicht geweckt hatte. „Ich habe ihm erzählt, wie sehr ich Jungkook vermisse und dann über diese ganze Seelenverwandtschafts-Sache und wie sehr es mich wundert, dass er noch immer nicht seinen Partner gefunden hat." Während meinen ganzen Worten achtete ich darauf, dass ich nicht zu laut sprach. Yoongi zu wecken wollte ich keinesfalls; ihm sei der Schlaf vergönnt, wenn er schon die halbe Nacht wach war, nur um mir Gesellschaft zu leisten.
Hoseok nickte nur verstehend, ehe er in eine Richtung deutete, was wohl nonverbal hieß, dass er in die Küche ginge und ich ihm folgen solle.

Dort angekommen erkannte ich Taehyung, welcher mit dem Rücken zu uns gedreht irgendetwas machte. Ich deutete, dass er gerade Kaffee zubereitete. Was aber nur noch unterstützt wurde, als dieser Geruch von frisch gebrühten Kaffee zu mir drang. Der Blonde schien uns nicht bemerkt zu haben, denn er summte weiter irgendein Lied, welches er wohl im Kopf hatte. Ich empfand es als schade, dass wir uns nicht sonderlich leiden konnten—obwohl ich rein gar nichts gegen ihn hatte. Taehyung wirkte nämlich jetzt, in diesem Augenblick, so unbekümmert und charmant. Ich würde mich unglaublich glücklich schätzen, wenn wir normal miteinander reden könnten. Ich war kein Mensch von Disharmonie und es brannte mir unglaublich in der Seele, zu wissen, dass mich jemand derartig nicht ausstehen konnte.

Aber jetzt, da der einzige Grund, weshalb er mich nicht leiden konnte, nicht länger zu mir gehört—die Erkenntnis schmerzte dennoch noch immer viel zu sehr—, bekam ich Hoffnung, dass wir möglicherweise von nun an normal miteinander umgehen würden.

„Weißt du, Hoseokie, ich mache mir ein wenig Sorgen um Yoongi-Hyung." Er schien mich noch immer nicht bemerkt zu haben, weshalb er nun so unbekümmert—und ganz ohne jeglichen Hass mir gegenüber—sprach. Nachdem weder ich, noch sein Freund etwas darauf erwiderte, drehte er sich zu uns herum. Als sich unsere Blicke trafen, schlich sich ein dunkler Schatten über sein Gesicht. Er könnte mich noch immer nicht ausstehen, was hatte ich auch schon erwartet. Doch im Gegensatz zu dem Blick, oder dem Verhalten, welcher er vor knapp einem Tag mir gegenüber zu Tage legte, war dieser hier noch freundlich.

„Auch mal ausgeschlafen?", begrüßte er mich mit Argwohn in der Stimme. Allerdings wich dieser Ausdruck in seinem Gesicht und wandte sich in einen neutralen—gar leicht friedlichen Ausdruck um.

„So ungern ich es zugeben würde, aber ich hätte gern ein Foto von euch beiden", meinte er leicht schmunzelnd. „Natürlich nur, um euch damit zu ärgern, versteht sich." Verlegen wandte ich meinen Blick von ihm ab, sah verzweifelt zu Hoseok hinüber, welcher aber nur über beide Ohren strahlte. „Ach Taehyungie", sagte der Braunhaarige nur, ehe er seine Arme um seinen Freund schlang, um dort seinen Kopf auf seiner Schulter zu legen und ihn dabei zu beobachten, wie er wieder irgendetwas mit den Tassen machte, da Taehyung sich schon wieder zu diesen ungewandt hatte, womöglich um diese mit der dampfenden, gutriechenden, dunklen Flüssigkeit zu füllen.

Währenddessen stand ich mutterseelenallein da, fühlte mich auf einmal unglaublich überflüssig. Mir tat Yoongi leid, denn er wusste sich andauernd so fühlen. Wie musste es sein, sich durchgehend wie das dritte Rad am Wagen zu fühlen? Sicherlich schrecklich.

„Du bist fast genauso schlimm wie Yoongi", brachte mich Hoseok aus meinen Gedanken. Verwundert sah ich ihn an, hatte keine Ahnung, was er damit meinte. „Yoongi-Hyung ist auch immer so sehr in Gedanken. Scheint euch diese Angewohnheit sogar zu teilen", klärte mich Taehyung auf. Kurz darauf hielt mir der Blonde eine Tasse mit eben der dampfenden Flüssigkeit hin, welche er kurz davor in drei weiße Tassen gefüllt hatte. Taehyungs Ausdruck war weich, gar freundlich. Möglicherweise war der Groll, welchen er gegen mich hatte, immer mehr abgeschwollen. Dankend nahm ich sie entgegen, woraufhin er mir sogar ein leichtes Lächeln schenkte.

Kurze Zeit später saßen wir zu dritt an der hohen Küchentheke auf den dazugehörigen hohen Stühlen. Es waren genau vier Stühle; sollte also Yoongi noch zu uns stoßen, sollte es kein Problem darstellen. Obwohl ich bezweifelte, dass er in den nächsten Minuten auftauchen würde. Rein aus meiner Intuition her, natürlich.

Ich biss auf meiner Unterlippe, während ich gedankenverloren auf die Tischplatte starrte. Ich verstand nicht, was wirklich mit mir los war, denn ich schien regelrecht in meinem unzähligen Gedanken zu ertrinken. Ich hatte zu viele Sorgen, Erinnerungen, fürchtete mich vor der Zukunft. Aber am meisten verwunderte es mich, dass ich mich in Yoongis Gegenwart so unglaublich wohl und geborgen fühlte. Ich hatte noch nie dieses Gefühl verspürt und war dementsprechend mehr als nur durcheinander. Ich-

„Geht es dir heute ein bisschen besser?", fragte mich Hoseok. Womöglich sein verzweifelter Versuch, mich aus meinen Gedanken zu bringen. „Ein wenig", sagte ich ehrlich. „Schaust auch ein klein wenig gesunder aus", merkte Taehyung an, ehe er aus seiner Tasse trank. „Was aber nicht heißt, dass du sonderlich lebendig aussiehst", fügte er noch leicht gehässig hinzu. „Danke", erwiderte ich sarkastisch. Womöglich würde diese Spannung, die dennoch zwischen uns herrschte, nie vollendest verschwinden. Aber irgendwie schien das nur noch nebensächlich.

„Warum machst du dir Sorgen um ihn?", fragte ich nach weiteren Minuten. Ich kannte Yoongi so gut wie kaum—innerlich würde ich aber alles dagegen tun wollen—aber er wirkte auf mich... normal. Oder zumindest gesund. Der Blonde verdrehte nur seine Augen. „Das interessiert dich doch sowieso nicht."
„Doch!", meinte ich eisern. „Doch das tut es."

Verwundert sahen mich beide an. Selbst ich war von meiner plötzlichen Determination mehr als nur überrascht. Aber es schien zu wirken, denn kurz darauf—das Paar schien entschieden zu haben, wer es mir erzählen würde—fing Hoseok auch schon an zu erzählen: „Yoongis Eltern waren keine Seelenverwandte."

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[20191106]

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