[44 - the final]

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Yoongi

8 Jahre später

Die goldenen Strahlen der untergehenden Sonne schien fahl durch das Fenster, tauchte die Küche in ein angenehmes Licht. Der Wasserkocher, der leise im Hintergrund brodelte, verkündete, dass er seinen Job getan war und wenige Minuten darauf hing ein leichter Hauch von Minze in der Luft.

Jimin umarmte mich von hinten und sah mir über meiner Schulter durchs Fenster hinaus. Wir beobachteten den Jungen, der schon seit etlichen Jahren ein Teil unserer Familie geworden war.

Hyunwoo kritzelte gerade etwas mit der jüngsten Tochter unserer Nachbarn auf die asphaltierte Straße. In diesem Moment wirkliche er wie jenes anderes Kind.

„Er wird sich niemals daran gewöhnen können, oder?", nuschelte Jimin trägen. Ich drehte mich zu ihm herum, nahm sein Gesicht sachte mit meinen Händen auf.

„Er hat seine Eltern verloren, Jiminie. Und noch dazu ist es heute vor genau fünf Jahren passiert", erwiderte ich rau.

Wir waren älter geworden und glichen kaum mehr den Personen, welche wir vor fast einem Jahrzehnt waren. Nicht zuletzt hatten wir so einige Hürden überwinden müssen, welche deutlich ihre Spuren hinterlassen hatten. Doch am schwersten fiel es noch immer Hyunwoo.

„Ich vermisse sie... Moonbyul war eine der wenigen Freunde, welche ich in meiner Kindheit hatte", fing ich abermals an, die gleiche Geschichte zu erzählen, merkte wie sehr mich das alles noch mitnahm. Mein Seelenverwandter versuchte mich ein wenig zu beruhigen. Andererseits wusste er aber auch, wie gerne ich von ihr und ihrem Ehemann, Baekhyun, erzählte. Daher ließ er mich einfach weiter meinen Gedanken nachgehen. „Wusstest du, dass wir uns damals seit über zehn Jahren nicht mehr gesehen haben?" Jimin nickte, woraufhin ich meine Hände von seinem hübschen Gesicht nahm und stattdessen nach seinen Händen griff. „Aber trotzdem hat sie mich...  uns nach all diesen Jahren zu ihrer Hochzeit eingeladen." Die Nostalgie hatte mich eingeholt und ich bemerkte, wie mir nur noch nach weinen zumute war.

„Komm, setzen wir uns, der Tee wird sonst kalt", versuchte es Jimin augenscheinlich  mich aus meinen trüben Erinnerungen herauszuholen. „Oh ja, stimmt", meinte ich leise und folgte ihm zu unserem Küchentisch. Vorher aber warf ich noch einen Blick aus dem Fenster und versicherte mich, dass Hyunwoo noch immer friedlich die Straße bekritzelte.

„Minztee erinnert mich immer an die alten Zeiten", sagte er lächelnd. „An den Anfang."

Ich stimmte ihm mit einem Nicken zu, hegte in diesem Moment nicht wirklich das Verlangen, weiter darauf einzugehen; und Jimin wusste und akzeptierte dies. „Ich erinnere mich noch an damals, vor knapp sieben Jahren, als du strahlend den Brief in der Hand hattest und mir freudig von der Verlobung erzählt hast." Er lächelte mich zögerlich an und ich erwiderte es eilig.

„Und nur ein paar Wochen davor habe ich dir noch von ihr erzählt, und wie schade es doch eigentlich war, dass der Kontakt so ins Bröckeln kam." Ich umgriff meine Tasse etwas fester, merkte wie sich eine angenehme Wärme in meinen Handflächen ausbreitete und sich immer weiter vorkämpfte. „Wie gerne hätte ich den beiden auch von unserer Verlobung erzählt." Ich rutschte wieder in das Loch, welches in diesen Tagen beängstigend tief schien.

„Ich weiß, dass sie mindestens genauso glücklich darüber gewesen wären, wie wir beide." Mein Ehemann griff nach meiner Hand und drückte diese ermutigend. Ich verkniff mir ein paar Tränen.

„Denkst du Hyunwoo beichtet Eunji bald, dass er sich in sie verguckt hat?", wechselte ich flink das Thema. Wir beiden wussten, dass die beiden schon seit Jahren gut miteinander auskamen und Hyunwoo schon öfters darüber geredet hatte, dass er sie mag.

„Vielleicht", sagte Jimin leise. „Vielleicht braucht er aber auch nur einen kleinen Anstoß, so wie wir damals." Er schmunzelte.

„Oh ich merkte ganz genau, auf was du hinaus willst, Jiminie." Ich schüttelte leicht lächelnd den Kopf. „Hoffen wir nur, dass er sich diese Blindheit tatsächlich nicht von uns angeeignet  hat." Der andere kicherte auf, die Schmetterlinge erwachten zum tausendsten Mal zum Leben, was mein Seelenverwandter ganz genau mitbekam. So bekam ich auch seine Erleichterung mit, als ich merken, wie froh er darüber war, dass ich nicht mehr der trüben Vergangenheit nachhing.

„Das mag vielleicht naiv klingen, aber ich wünsche mir, dass die beiden tatsächlich füreinander bestimmt sind. Er hätte jemanden der ihm die Liebe gibt, die ihm genommen wurde, die nicht so einfach ersetzt werden kann." Ich wusste, dass er auf unsere Liebe für den Sechsjährigen anspielte. Er hatte seine Eltern mit eineinhalb Jahren verloren und dieser Verlust wird ihn sein Leben lang prägen. „Das klingt nicht naiv, Jiminie, ganz und gar nicht." Hoffnung keimte in seinen Augen auf. „Ich halte mich noch immer an diesem Gedanken fest, dass solche Gefühle nicht ohne Grund aufkommen." Er wusste von wem ich sprach.

„Ich will kaum glauben, dass das alles so lange her ist", sprach er voller Nostalgie. Der guten und wohligen. „Wir sind alt geworden", erwiderte ich kleinlaut darauf. Jimin grinste verschmitzt und ich wusste, dass ihm in diesem Moment etwas auf der Zunge lag und er sich vehement verkneifen musste, etwas aufgrund meines Alters von sich zu geben. Immerhin war ich nun über 30, wobei er noch immer im Ende seiner Zwanziger steckte.

Für ein paar Minuten verweilten wir in unserer gemeinsamen Zweisamkeit. Es war noch immer das beste und bei weitem angenehmste Gefühle, einfach in der Gegenwart seines Seelenverwandten zu sein; schweigend, seinen Gedanken nachgehend und über das nachdenkend, was hinter uns lag und noch bevorstand.

Irgendwann waren die Tassen leer und die Sonne beinahe hinter den Hügeln verschwunden. Es war die ruhige Vorstadt Busans, welche wir nun schon seit einigen Jahren unser Heim nannten; es war leise hier, um einiges entspannter, als in der Großstadt und man hatte das Gefühl jeden zu kennen und nicht nur ein Gesicht zu sein, das ohnehin in der Masse unterging.

„Yoongi... schau nur!", sagte Jimin überraschend. Er sah aus dem Fenster, schien Hyunwoo und Eunji zu beobachten. Da er mich somit aus meinen Gedanken gerissen hatte, brauchte ich ein paar Sekundenbruchteile, um wirklich zu begreifen, wie mir geschah. Manche Angewohnheiten würden sich tatsächlich niemals ändern.

Doch trotz allem hatte ich es geschafft mich neben ihn zu stellen und seinem Blick zu folgen. Und das, was uns beide erwartete, füllte mein Herz mit so viel Stolz und Liebe; Hyunwoo hielt der kleinen Eunji einen Blumenstrauß hin, der hauptsächlich aus diversen Grashalmen und vielleicht ein paar Gänseblümchen bestand. Doch ihr schien er zu gefielen, denn alleine schon, wie ihre Reaktion ausfiel, zeugte von Freunde und Überraschung.

Während wir die beiden beobachten, zog mich Jimin etwas näher an sich, stolz und erleichtert, dass unser Junge so viel Mut gefunden hatte.

„Das muss ein Traum sein", schrie er außer sich. „Wir träumen!"

Mit klopfendem Herzen sahen wir, wie Eunji Hyunwoo einen Kuss auf die Wange gab und daraufhin schüchtern verschwand. Der Kleine war überfordert, fuhr dennoch strahlend mit den Fingern an die Stelle und schien nicht umbedingt von ihr abzulassen.

Wir beide strotzten vor Stolz.

„Es scheint mir so, als hätte dieser Tag doch etwas Gutes mit sich gebracht", nuschelte Jimin lächelnd, ehe wir in einen leidenschaftlichen Kuss verfielen und ich ihm in Gedanken zustimmte.

Dieser Tag nahm ein ganz anderes Ende, als ich es erwartet hatte. Doch ich war froh über diese überraschende Wendung und war mir sicher, dass es in naher Zukunft weitere dieser Wendungen geben wird. Und alle von diesen würden sich zum Guten wenden, das war uns beiden mehr als nur klar.

the end

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