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Als der junge, muskulöse Mann das nächste Mal wieder in sein Gemach trat, erblickte er den Weißhaarigen, welcher noch immer an derselben Stelle stand und auf den Boden schaute.

Immer wieder tropften kleine salzige Tränen von seinen Wangen und fielen auf den Boden. Die weißen, langen Strähnen hingen dem Jungen ins Gesicht und vereitelten es dem Größeren so in dessen Gesicht zu schauen.

Verachtend seufzte er einmal und strich sich sein Hemd glatt, welches unter dem langen blauen Mantel hervorlugte. An seinen Beinen trug er ebenfalls eine blaue Hose und seine Füße steckten in schwarzen Stiefeln.

Mit einer Hand strich er sich durch die Haare und wandte sich dann an den Weißhaarigen, welcher am ganzen Körper zitterte. Angewidert verdrehte er die Augen. Was Menschen nicht alles taten, um sein Mitleid zu erlangen.

Kalt lachte er auf. Besonders bei dem Hellhaarigen würde er drauf achten, dass der Schwarzhaarige ihn auch richtig behandelte. Der zierliche, kleine Junge sollte immerhin niemals vergessen wo sein Platz war.

Bei diesem emotionslosen Gelächter zuckte der Junge ängstlich zusammen. Seine Brust hob und senkte sich immer panischer und fest kniff er die Augen zusammen, woraufhin die Tränen bloß noch schneller aus seinen Augen tropften.

Um kein Geräusch zu machen, biss er sich fest auf die Unterlippe. Immer wieder drückten seine Zähne auf das Fleisch, bohrten sich in es und zogen an einzelnen Hautfetzen. Dies so lange, bis er den leichten metallischen Geschmack wahrnahm und zischend seinen Griff um das Stück Fleisch lockerte.

Bei diesem Geräusch zog er die gesamte Aufmerksamkeit des jungen Prinzen auf sich, welcher sich nicht nur zu ihm drehte, sondern auch langsam auf ihn zu bewegte.

Doch dies nahm der Hellhaarige erst wahr, als der Mann so nah vor ihm stand, dass er den Atem auf seinem Kopf spürte. Dieser ließ die hellen Strähnen immer wieder hin und her zittern und verursachte bei dem Jungen eine unangenehme Gänsehaut. Er begann noch ein wenig stärker zu zittern.

Bei diesem Anblick begann der Schwarzhaarige zu grinsen. Er spürte zwar nicht diese Zufriedenheit, welche er sonst immer spürte, doch den Spaß ließ er sich von einem dämlichen, schwächeren Gefühl nicht nehmen. Gefühle machten schwach, warum sollte er also auf diese hören? Er war ein Prinz und kein jämmerlicher Bauernbursche wie dieser vor ihm.

>>Wie kannst du es bloß wagen mir noch schäbiger und ungepflegter unter die Augen zu treten? Kennst du das Wort Sauberkeit nicht? Oder denkst du wirklich, dass deine Haut rein aussieht? Nur weil sie hell ist? Dass deine Haare nicht fettig und verfilzt sind, bloß weil sie weiß sind? Denkst du, dass du dich nicht waschen, oder dir etwas Ordentliches anziehen musst, weil deine blauen Augen dies nicht sehen müssen? Hälst du dich wirklich so sehr für etwas Besseres?<< all diese gehässigen Worte waren Messerstiche in die Seele des Jungen. So gerne hätte er den jungen Mann angeschrien. Erklärt, dass es doch gar nicht seine Schuld war. Dass er sich nichts darauf einbilden konnte und durfte, weil alle ihn verurteilten und verachteten. Dass er sich selbst weniger besonders, eher als einen Störfaktor in dieser Gesellschaft, diesem System, sah.

Er hielt sich nicht für etwa besseres. Er war nicht stolz darauf so auszusehen. Im Gegenteil. Er hasste es. Nichts hasste er mehr als den Anblick seines Spiegelbildes. Als die Farbe seiner Haut, Haare und Augen. Als die Blicke, Worte und Taten anderer, welche ihm diese Meinung gut genug eingeschärft und begründet hatten.

Der Weißhaarige war Abschaum. Er war namenlos. Er war vom Teufel besessen. Ein Hexenjunge.

Gerne hätte er dem Prinzen all diese Dinge ins Gesicht geschrien, doch er hatte Angst. Angst, dass dies Konsequenzen mit sich tragen würde, welche er nicht einmal erahnen konnte. Also ließ er das Gesagte einfach über sich ergehen.

Wüstenrose [BoyxBoy]Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt