Chapter 2 - OxyGen

59 8 5
                                    

„Hey Lady, Mark hat mir gesagt, was los ist..."

Aaargh. Lady? Damen sind elegante Erscheinungen und laufen nicht in Jeans und T-Shirt durch die Gegend. Und am allerwenigsten findet man sie in Pubs oder Bars, in denen leger gekleidetes Publikum unterwegs ist. So bezeichnet zu werden, hasste ich wie ins Fadenkreuz zu geraten. Aber gut, dass er jetzt endlich auch Bescheid wusste.

„...kein Wunder, dass es Dir nicht gut geht. Normalerweise soll da Brandy helfen."

Ich bezweifelte zwar noch immer, dass Alkohol die Lösung schlechthin sein sollte, aber etwas in seiner Stimme ließ mich ihm Glauben schenken... nur ein kleines Schlückchen...

„Mein Gott, du hast ja eiskalte Hände!", bemerkte er entsetzt, als sich unsere Finger für einen kurzen Moment berührten. „Du musst ja erbärmlich frieren, so blass wie Du bist."

Vielen Dank dafür, dass ich jetzt weiß, wie scheiße ich aussehe, dachte ich, während er meine Oberarme umfasste.

„Das geht ja gar nicht. Hier, nimm meine Jacke", und schon hatte er mir seine abgewetzte Lederjacke um die Schultern gelegt. Die war mir mindestens eine Nummer zu groß und noch warm vom Tragen. Besser als die kratzige Decke, die nun nutzlos am Boden lag.

„Danke, das ist echt nett von Dir", brachte ich gerade noch heraus.

„Das ist doch selbstverständlich, nachdem, was Du für Steve getan hast..."

Für Steve getan? Ratlos schaute ich ihn an. Steve? Wer war Steve?

„Du hast echt keine Ahnung?"

Woher sollte ich?

„Ähm – der, den die Ambulanz mitgenommen hat..."

Anscheinend war ich heute schwer von Begriff, und der Brandy half mir auch nicht auf die Sprünge.

„... der, den Du versucht hast, wiederzubeleben – Steve gehört zu unserer Crew."

Oh nein, das wurde ja immer schlimmer. Jetzt kannte er den armen Kerl auch noch persönlich. Wie sollte man ihm jetzt beibringen, dass das, was ich angeblich für ihn getan hatte, völlig umsonst gewesen war?

„Hey, was ist los?"

Anscheinend wurde auch ihm das Ganze immer unheimlicher, so wie er mich ansah. Vor allem, weil ich gegen die Tränen, die jetzt kamen, nichts machen konnte. Jetzt bloß nicht heulen!

„Du bist ja völlig fertig."

Was sollte ich darauf erwidern? Es stimmte ja, aber das war mir jetzt auch kein Trost. Trotzdem versuchte er weiter, mich zu beruhigen, legte einen Arm um meine Schultern und zog mich an sich.

„Hier, nimm noch 'nen Schluck Kaffee."

Keine Ahnung, wie lange wir da so saßen, aber so langsam bekam ich das Gefühl, dass die Kombination aus Umarmen und Festhalten, heißem Kaffee und der wärmenden Lederjacke dazu beitrug, dass sich meine Anspannung nach und nach löste und irgendwann meine Tränen versiegten.

„Besser?" - er reichte mir die Papierserviette, die er zusammen mit dem Brandyglas bekommen hatte.

„Hier, Taschentücher sind gerade alle."

Zum Schneuzen musste das reichen. Aber er lag richtig mit seiner Vermutung: Ich fand meine Stimme wieder.

„So, und nun sagst Du mir, was genau los ist. Steve müsste inzwischen im Krankenhaus sein, die werden ihm da schon helfen."

Broken StringsWo Geschichten leben. Entdecke jetzt