Chapter 10 - Elf Tage

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Die nächsten Tage gestalteten sich nicht gerade einfach. Oh, diese Peinlichkeit! Am liebsten hätte ich mich irgendwo verkrochen, aber das ging nicht. Schließlich hatte ich immer noch einen Job, und den jetzt wegen so einem Bullshit zu riskieren, war das Letzte, was ich wollte. Ich hätte mich ohrfeigen können. Weniger Alkohol konsumieren und öfter das Hirn einschalten, war die Devise, an die mich mich besser gehalten hätte. Aber nun war das Chaos angerichtet, und das einzige Mittel, das ich mir vorstellen konnte, um die Wogen zu glätten, war auf Tauchstation zu gehen.

So früh wie möglich vorfahren, alles aufbauen, mich während des Konzerts so wenig wie möglich blicken lassen und ansonsten versuchen, dem Herrn, mit dem ich drauf und dran gewesen war, eine Dummheit zu begehen, so wenig wie möglich über den Weg zu laufen. Wenn dieser Plan nicht funktionierte, dann war ich mit meinem Latein wirklich am Ende. Einen Haken hatte dieser Plan jedoch.

Ein Zusammentreffen mit Ryan zu vermeiden, war ja gut und schön und sicherlich auch vernünftig, aber das bedeutete auch, dem Mann am Mikrofon aus dem Weg zu gehen, denn wo der Drummer sich aufhielt, war auch Mr. Mitchell nicht weit. Let's play hide and seek? Eigentlich hatte ich für so ein Katz-und-Maus-Spiel keinen Nerv. Aber wenn es nicht anders ging, musste ich wohl in den sauren Apfel beißen. So lange es genug zu tun gab, waren die Tage halbwegs erträglich. Nur die freien Tage, von denen es zwischendurch auch den ein oder anderen gab, waren für mich weniger erfreulich. Okay, die einzelnen Bandmitglieder nutzten die Zeit zum Ausschlafen und Proben – und dabei musste ich nicht ständig anwesend sein. Dachte ich jedenfalls.

Fünf Minuten nach sieben. Ich war extra früh aufgestanden und schlürfte den ersten Kaffee des Tages, während im Hintergrund des Frühstücksraums das Radio dudelte.

♫ „Oh sure, you're right – this ain't a good life." ♫

Ja, klasse – dieser Hit aus den Neunzigern hatte mir zu meinem Glück gerade noch gefehlt.

♫ „I'm elegantly wasted." ♫

Wahre Worte. Leider erinnerten sie mich nur zu gut an meinen Fauxpas, der nun schon ein paar Tage zurücklag, aber immer noch an mir nagte.

♫ „You could be right, you could be certain.... I'm elegantly wasted." ♫

Ich Feigling hatte auch allen Grund, mich so richtig schlecht zu fühlen, hatte ich mich bisher doch recht erfolgreich um eine Aussprache herumgedrückt. Aber warum eigentlich? Der eine, für den es mir wirklich leid tat, war sauer, und der andere, von dem ich nun wirklich nichts wollte, rechnete sich immer noch Chancen bei mir aus... Zwar hatte ich auf diese Art von Konfrontation nun wirklich sehr wenig Lust, bezweifelte aber gleichzeitig, dass sich mein Untertauchen auf Dauer als Strategie bewähren würde.

„Your coffee, madam."

Wie nett, dass man mir den Kaffee an den Tisch brachte. Aber noch mehr Kaffee? Ob das gut für mich war? Ehrlich gesagt, kümmerte mich das nicht die Bohne. Wenig bis fast nichts am frühen Morgen zu essen, war sicherlich genauso wenig meinem Wohlbefinden zuträglich, aber außer Kaffee brachte ich nichts hinunter. Schon gar nicht um diese Zeit. Was stehst du auch so früh auf, hätte mich Jenny jetzt gefragt. Aber was soll man denn sonst tun, wenn man seit fünf Uhr wach ist und einfach kein Auge mehr zubekommt. Also tat ich das, was ich immer tue, wenn ich nicht mehr schlafen kann: Ich stehe auf und beschäftige mich anderweitig, zum Beispiel lesen oder Tagebuch schreiben oder, wie heute morgen, ein paar Bahnen im Pool schwimmen.

Das Motel hatte zwar ein eigenes Schwimmbecken, aber das wurde gerade generalüberholt, und deswegen wies ein Aushang im Foyer darauf hin, dass es zwei Straßen weiter einen öffentlichen Pool gab, der schon um sechs Uhr morgens öffnete. Vielleicht war es doch kein Zufall, dass ich so früh wachgeworden war. Vielleicht brauchte ich einfach nur etwas Bewegung, um den Kopf freizubekommen. Meine verspannten Muskeln würden es mir auf jeden Fall danken. Eine halbe Stunde im Wasser reichte schon, um mich besser zu fühlen.

Broken StringsWo Geschichten leben. Entdecke jetzt