Chapter 4 - Work & Travel II

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Work & Travel mal anders: Nicht durchs Land reisen und dabei Arbeit finden, sondern arbeiten und dabei reisen. War das die moderne Version von Handwerkern auf der Walz? Nur dass ich in meinem Fall keine sieben Jahre dazu brauchen würde, sondern wahrscheinlich höchstens sieben Wochen. Vorausgesetzt, ich stellte mich beim Probearbeiten nicht all zu dämlich an, dann würde ich noch nicht mal auf sieben Tage kommen. Natürlich konnte mir auch immer noch jemand, dem meine Nase nicht passte, Steine in den Weg legen - unabhängig davon, was dabei herauskam, sobald Mike die Kollegen während unseres Spätaufsteherfrühstücks angerufen und ihnen das Ergebnis des Brainstormings mitgeteilt hätte. Nur, dass es ein gemeinsames Brainstorming nie gegeben hatte, sondern eher eine unausgegorene Idee, von niemandem weiterverfolgt.

Ich sah sie schon auf mich zukommen, die Fragen: Was kann sie? Wo soll sie wohnen? Und bilde Dir ja nicht ein, dass Deine neueste Flamme eine Extrawurst bekommt! Beware of Intruders – diese Idee fände bei einem Teil der Crew herzlich wenig Anklang. Kerle halt. Aber auch verständlich, dass es niemand gut findet, wenn plötzlich ein Kollege ausfällt und das eingespielte Team jemand völlig neues als Ersatz bekommt. Allerdings hatte ich mit Vorurteilen gegenüber „dahergelaufenen Tussis" ein ernsthaftes Problem, egal wer sie pflegte. Es war ja auch so einfach, in der Neuen den protegierten Eindringling zu sehen, der sich auf Steves Platz breitmacht, weil der Leadsänger einen Narren ihr gefressen und sie sowieso nur mitgenommen hat, weil er sie bei der erstbesten Gelegenheit vernaschen will.

„Meine Meinung steht fest, verwirrt mich nicht mit Tatsachen!". Was für ein passender Aufdruck auf dem Shirt des einen Kollegen, der hinter der Bühne zusammen mit den anderen für einen reibungslosen Ablauf sorgen sollte. Mit dieser Einstellung war er nicht der Einzige. Verkaterter Zustand im Endstadium hin oder her: Bei dem Gedanken wurde mir übel. Aber jetzt schon alles hinschmeißen, wo ich noch nicht einmal angefangen hatte? Knifflige Herausforderungen waren mir nicht unbekannt, aber ich bezweifelte, ob ich mir dieser Feindseligkeit umgehen konnte. Der Typ hatte ja wohl nicht mehr alle Tassen im Schrank. Mit dieser Meinung stand ich offenbar nicht alleine da.

„Ich glaube, wir kennen uns noch nicht. Ich bin Brian"

Aha. Der sechste im Bunde. Derjenige, der den Abend in der Klinik verbracht hatte. Und anscheinend der Boss in diesem Zirkus. Hoffentlich jemand mit mehr Verstand, denn die Fronten schienen von vornherein festgelegt: Hier die Musiker, denen die Zeit fortlief – da die Crew, die lieber jemand anderes im Team gehabt hätte.

„Angenehm. Andie"

„Schön, Andie. Die anderen haben mir gesagt, worum es geht. Vielleicht erzählst Du mir nochmal, was Du bisher so gemacht hast..."

Ich wusste es, ohne ordentliches Bewerbungsgespräch würde hier nichts laufen. Also gut, dann trat ich die ganze Story ein weiteres Mal breit. Schaden konnte es nicht. Wenigstens war der Typ, der mich so „herzlich" empfangen hatte, erst einmal zweitrangig. Brian wollte sich selbst ein Bild von der Lage machen und von dem, was ich konnte. Dazu hatte er auch schon einen aus dem Team ausgewählt, der miralles zeigen und den genauen Ablauf erklären sollte. Anscheinend hielt er mich für fähig, mit Werkzeug umzugehen, und war der Ansicht, dass man sich schon unglaublich dumm anstellen musste, um mit dem ganzen Kabelwirrwarr nicht klarzukommen.

Allerdings, soviel wusste ich von dramatischen Beschreibungen aus dem Internet, dass auch 2017 immer noch genügend haarsträubende Unfälle bei Liveauftritten passieren konnten, wenn zum Beispiel nicht geerdete Mikrofone zu tödlichen Fallen für Gitarristen oder Sänger werden oder gleich der ganze Bühnenboden bei Nässe unter Strom steht. Okay, bei Auftritten in Hallen, Pubs und Clubs reduzierte sich die zuletzt genannte Gefahr eher gegen Null, aber die Möglichkeit, dass unterwegs Kabel oder Leitungen beschädigt wurden, konnte theoretisch immer bestehen. Wie gut, dass Steve, den ich vertreten sollte, nicht der einzige Elektriker in der Crew war. So hatte ich gleich mit David einen Partner, der mir als erstes den groben Ablauf erklären sollte. Die endlosen Beschreibungen technischer Details spare ich mir an dieser Stelle, denn nichts ist langweiliger, als einem Laien mit Fachchinesisch zu kommen. Nicht umsonst bin ich Energie- und Gebäudetechnikerin und nicht Berufsschullehrerin geworden. Lernen fällt mir immer noch leichter, als anderen etwas beizubringen, und in diesem Fall gab es noch einiges zu tun in diesen wenigen Tagen, die uns noch blieben, bis es endlich losging.

Broken StringsWo Geschichten leben. Entdecke jetzt