Chapter 7 - A different kind of danger

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Hello darkness, my old friend... Wie ein Dieb brauchte ich mich zwar nicht hinter die Bühne zu schleichen, aber mitten durch die Menge hindurch zu pflügen, musste auch nicht sein. Es war auch gar nicht notwendig. So dichtgedrängt standen die Konzertbesucher nicht. Von wegen Sardinenbüchse – der Saal war gut gefüllt, und doch bestand kein Grund für klaustrophobische Anfälle. Also konnte ich mir bequem zwischen den Leuten - vielleicht sechs- oder siebenhundert, im besten Fall neunhundert – einen Weg suchen: eine überschaubare Menge; so groß war die Halle ja auch nicht. Eine größere Lücke tat sich auf: Nur noch ein paar Meter nach vorne, dann nach links und dann an der Wand entlang. So meine Planung. Aber wie ging nochmal das Brecht'sche Sprichwort vom Plänemachen?

♪ „... room full of strangers, some call me friends but I wish you were so close to me..." ♪

Dieses Akustiksolo traf mich unvermittelt.

♪ „... in the dark of night, those small hours, I drift away when I'm with you."

War es vorher schon schummrig um mich herum gewesen, so versank der Rest der Halle in völliger Dunkelheit. So wie die Musiker auf der Bühne, von denen nur einer von einem einzelnen Spot in bläuliches Licht getaucht wurde: Mike. Und ich in seinem Fokus.

Der Plan war so einfach gewesen: ab durch die Menge und hinter die Bühne. Aber nun stand ich hier und war wie am Boden festgewachsen, fixiert von seinem Blick in meine Augen. Eine Verbindung, die ich so nicht erwartet hatte, aber das hier war anders. Nicht wie auf der Fahrt hierher, bei der ich Daves Versuche, den Blickkontakt mit mir zu halten, als unangenehm empfunden hatte: Hier hatte ich nicht eine Sekunde lang das Gefühl, flüchten zu wollen. Im Gegenteil: Diesmal schaute ich nicht weg oder suchte nach einem anderen Punkt, auf den ich meine Aufmerksamkeit richten konnte.

In dem Augenblick, als ich diesen Blick erwiderte, hörte das, was um mich herum war, auf zu existieren. Die Zeit stand still. By my side... Dieses Lied sang er nur für mich. Später würde ich mich wahrscheinlich dafür innerlich ohrfeigen, aber hier und jetzt gab es außer uns niemanden. Wir waren die letzten Menschen auf diesem Planeten. Eine aussterbende Spezies in einer leergewordenen Welt. Jurassic Worlds – Empires ready to fall - „... by my side, I wish you were by my side."

Oh ja, wie sehr ich mir das jetzt wünschte. Meine Oma hätte jetzt bestimmt mit dem Spruch „Alle Wünsche kann man nicht erfüllen" gekontert. Wie kam ich denn jetzt darauf? Aber vielleicht war dies ein Weckruf, denn so plötzlich, wie mich dieses Intermezzo erwischt hatte, endete es auch. Die gesamte Bühne strahlte wieder in hellem Licht, und der magische Moment war vorbei. Zeit, mich wieder auf meinen Posten zu begeben, auch wenn ich nur noch halb bei der Sache war. Dies sollte auch vorerst die letzte Gelegenheit sein, bei der ich ihn zu Gesicht bekam.

Als wir später das Equipment von der Bühne schafften, war von den Mitgliedern der Band weit und breit nichts zu sehen. Auch von Mike nicht. Nach diesem Zwischenspiel hätte ich wetten können, dass er irgendwo in der Nähe herumschwirrte, aber nichts dergleichen. Fehlanzeige. Ich hatte mich wohl wieder einmal geirrt.

Die Nacht war viel zu kurz gewesen. Wann waren wir nochmal in unseren Zimmern verschwunden? Und wer von uns beiden war die erste gewesen? Leslie oder ich? Erfahren würde ich es nicht, denn mit mir sprach sie ja nicht. Dachte sie wirklich, ich wollte mich zwischen sie und Dave drängen? Hier hing tatsächlich so einiges schief, und nicht nur der Haussegen. Doch für ausführliche Beziehungsgespräche war jetzt nicht die richtige Zeit. Im Grunde war ich sogar ganz froh, dass mich so früh, um acht Uhr morgens, niemand zutextete.

„How would you like your coffee? Strong and sweet?"

„No, my darling, in perfect silence."

Broken StringsWo Geschichten leben. Entdecke jetzt