Chapter 5 - Highland Cathedral

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STIRB AN EINEM ANDERN TAG. Einen unpassenderen Titel für diesen Tag,  der so gut angefangen hatte, konnte ich mir nicht vorstellen, jedenfalls nicht zu diesem Zeitpunkt: Kein Kater vom Abend zuvor, super Wetter, mal nicht ganz so windig, und ich musste auch nicht ganz so früh vor Ort sein, denn heute standen Packen und Verstauen des von Dave und mir gründlich überprüften Equipments auf dem Plan. Allerdings blieb das Schleppen nicht an uns alleine hängen, Frank und Paul waren auch noch da, obwohl ich die Aussicht, permanent über ausgerechnet diese beiden zu stolpern, nicht gerade prickelnd fand.

Schon blöd, wenn zwei Leute, die sich vom ersten Augenblick an nicht ausstehen können, zusammenarbeiten müssen. So abgebrüht wie die Bürokraft, die ich während meiner Lehre erlebt hatte, war ich dann doch nicht. Einem neuen Kollegen zu sagen, dass sie ihn zwar nicht leiden konnte, aber dass man deswegen trotzdem gut miteinander arbeiten könne, hätte ich mich nie getraut, und das lag keineswegs daran,dass ich zu jung, zu naiv oder zu schüchtern war. Für mich war das einfach kein guter Stil, und ich wollte mich nicht auf so ein niedriges Niveau begeben, und schon gar nicht auf das von Frank, der eine Vorliebe für Kraftausdrücke hatte.

Zum Glück waren wir vier nicht die einzigen Anwesenden. Danny und Mark waren ebenfalls da und übten den Song, den sie am Schluß ihres Konzerts bringen wollten: „Highland Cathedral". Das kannte ich bisher nur als Instrumentalversion, die bevorzugt von schottischen Militärkapellen gespielt wurde. Aber warum nicht mal auf E-Gitarren,Bass und Keyboards, als Geschenk von OxyGen an ihre Fans in Nova Scotia? Dort gab es noch jede Menge Leute mit schottischen bzw.gälischen Wurzeln, dort hatte die Band Runrig ihren neuen Sänger gefunden, nachdem Donnie Munro ausgeschieden war, und als Klassiker spielten die Schotten in all ihren Konzerten stets „Loch Lomond" als Zugabe. Warum sollten da OxyGen nicht etwas ähnliches versuchen?

Dabei war die Mischung aus Folk und Rock gar nicht ihre Musikrichtung, sondern ein vom New Wave der Achtziger Jahren inspirierter Mix aus Pop und Rock, was aber nicht bedeutete, dass sie nicht doch öfters etwas Neues ausprobierten. In diesem Fall also ein Akustik-Set. Man konnte sich die fehlende elektrische Ausrüstung aber auch schönreden, wenn man ohne die von Dave und mir abgebauten Verstärker klarkommen musste. „Highland Cathedral" klang zwar so schön schottisch und war für mich nur ohne Gesang erträglich, doch das Stück war von zwei Deutschen für die Highland Games in Deutschland komponiert worden.

Mir gefiel es so gut, dass ich es irgendwann einmal auch als Weckton auf meinem Handy eingestellt hatte, aber so toll, dass ich es mir als schottische Nationalhymnegewünscht hätte, fand ich es dann auch wieder nicht. Und ob das Publikum sich genauso für diese Zugabe begeistern konnte wie ich, wollte ich so genau auch nicht wissen. Aber hatten nicht auch Manowar mit einer Metalversion von Puccinis Opernarie „Nessun Dorma" ihre Fans überrascht? Vielleicht irrte ich mich ja auch, und Danny und Mark hatten mit ihrer Idee, klassische Stücke neu zu interpretieren, den richtigen Riecher.

Die Bandmitglieder, die aus Nova Scotia stammten, waren jedenfalls fest davon überzeugt, dass es auch ohne Dudelsackspieler funktionieren konnte, denn Danny konnte seine E-Gitarre so spielen, dass der Sound dem eines Dudelsacks ziemlich nahe kam; jetzt noch Bass und Schlagzeug dazu...  Perfekt! Ich konnte mir jetzt schon vorstellen,wie sich das anhören würde.

„Hey, träumst Du, oder was?!"

Rrrrums. Der Stoß in die Rippen kam wie aus dem Nichts, so dass mir für einen Augenblick die Luft wegblieb und mir schwarz vor Augen wurde. Das kam so unerwartet, dass mir trotz des Schmerzes das Jaulen im Hals steckenblieb.

„Komm in die Puschen! Fürs Löcher in die Luft starren werden wir nicht bezahlt..."

Frank. Natürlich. Wer auch sonst. Das hätte ich mir auch gleich denken können. Der Typ hatte es offenbar auf mich abgesehen. Wahrscheinlich schon, seit wir einander vorgestellt worden waren. Aber was hieß schon „vorgestellt"? Vor vollendete Tatsachen gestellt, traf es eher. Trotzdem kein Grund, seine Aggressionen an mir auszulassen. Das konnte ja heiter werden.

Broken StringsWo Geschichten leben. Entdecke jetzt