Chapter 11 - Karaoke 2.0

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„Die Karaoke-Bar ist eröffnet", alberte Leslie hinter ihrem Mischpult herum. „Bühne frei für Andrea McAllister, the upcoming star of the 21st century mit ihrer ganz eigenen Interpretation von... äh, Mist, jetzt bin ich im Text verrutscht."

Oh Mann, Leslie. Wir sind doch hier nicht bei Amy MacDonald, die mitten im Konzert ihren eigenen Text vergisst. Ihre Ansage war so over the top, dass Dave grinsen musste, und auch mir ging es nicht anders, ich hoffte nur, dass Kevin sich gut festhielt, um nicht vor Lachen vom Gerüst zu fallen.

„Okay, jetzt hab ich's. Also, Andie, dann mal los", rief sie mir zu, während sie sich ein am Bühnenrand abgestelltes Root Beer griff und sich die geöffnete Flasche wie ein Mikrofon vors Gesicht hielt: „Ladies and Gentlemen, Bühne frei für Andrea McAllister, der Newcomerin des Jahres, mit 'Mother' von Florence and the Machine!"

Nanu? Hatten wir uns nicht auf Conjure One geeinigt? Und anscheinend war unser Herumgeblödel von neulich schon vergessen, denn von Journey war auch keine Rede mehr. Also kein Song von denen, wo ich nun Mike Mitchell am Mikrofon vertrat... Ha Ha. Diesen Joke hatte ich mir selbst vermasselt, und nun war es zu spät für eine Korrektur, obwohl – eigentlich vertrat ich ihn ja gar nicht, sondern half nur beim Soundcheck aus.

Okay, dann eben „Mother", eins meiner Lieblingslieder – sehr zur Verwunderung von Dave und Kevin, denn die hatten eher mit einem Song aus den 80er Jahren gerechnet. Aber warum eigentlich nicht... Protest gab es auch keinen, meinem Ausflug in die Musikwelt auf Probe stand also nichts mehr im Wege. Mit genau null Zuhörern, von meinen Kollegen mal abgesehen. Wie beruhigend, dachte ich, mal sehen, was Leslie aus ihrer Anlage alles herausholen würde. Mehr Bässe und fette Beats rein, die weibliche Gesangsstimme konnte sie ruhig runterdimmen oder ganz wegnehmen, falls das überhaupt möglich war - wir wollten ja schließlich die Mikrofone testen.

Statt des obligatorischen „Test. Test. Test" übernahm ich Florence Welchs Part

♫ Oh Lord, won't you leave me. Leave me on my knees. Cause I belong to the ground now And it belongs to thee. And oh lord, won't you leave me, Leave me just like this. Cause I belong to the ground now. I want no more than this

Wow. Das klang ja so viel besser als wenn ich ihre Lieder beim Autofahren in voller Lautstärke mitsang. Die Akustik in der Halle war besser, als ich erwartet hatte. Und dabei stand ich noch nicht einmal am Mikrofon 1 für die Leading Vocals, sondern arbeitete mich nach Leslies Plan von den Mikrofonen für die Gitarristen über die für Bass und Keyboards zu denen vor, an denen Sue und Madlyn abends stehen sollten. Inclusive dem für Ryan gab es insgesamt acht Mikrofone, und bis wir die alle durch hatten, würde das eine ganze Weile dauern.

♫ How I long for the older, the sun keeps burning deep. Every stone in this city keeps reminding me. Can you protect me from what I want? The love I let in, it left me so lost

So langsam begann ich, Gefallen an diesem Test zu finden. Das „Daumen hoch" von Leslie und Dave galt zwar eher der Technik als meiner Gesangsdarbietung, dennoch fühlte ich mich motiviert, um richtig Gas zu geben. An Florence Welch kam niemand heran, aber warum sollte ich das Experiment abbrechen und Leslie einen anderen Song aussuchen lassen? Begleitet von dem Text, in dem ich mich in Teilen wiedererkannte, mäanderte ich mich über die gesamte Bühne und wieder zurück an das erste Mikrofon, das ziemlich genau in der Mitte zwischen denen für Mark und Danny stand.

♫ All these couples are kissing and I can't stand the heat. I lost my shoes and left the party, I wander in the street

Oh ja, das klang ganz nach jenem Abend, mit dem alles angefangen hatte. Hätte ich bloß die Party rechtzeitig verlassen.

Mother, make me, make me a big grey cloud. So I can rain on you things I can't say out loud.

Broken StringsWo Geschichten leben. Entdecke jetzt