Chapter 3 - You can look but better not touch

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Was für ein Widerspruch: Während des Wartens Ablenkung suchen, aber dann allein sein wollen, weil man keine Ablenkung gebrauchen kann? Sinn ergab das keinen, genau so wenig wie die Frage, warum ich noch immer hier war. Wen scherte es schon, dass Mitternacht bestimmt schon lange vorbei war? Sperrstunde – was ist das? „Last order, please" als mehr oder weniger dezenter Hinweis, dass die Gäste sich auf das Ende ihres geselligen Abends einstellen dürfen?

Je länger ich hier draußen saß, desto weniger attraktiv erschien mir die Aussicht, zu meinem Hostel zurückzukehren, und ich fragte mich, ob es wirklich nur daran lag, dass es sich in einer etwas heruntergekommenen Gegend befand. Welchen Unterschied bereits ein paar Blocks ausmachten. Bei Tageslicht war es einfach, ihn von oben zu erkennen. Aber von meinem Aussichtspunkt aus konnte ich jetzt nur eine Masse bunter Lichter sehen.

Mir war schon klar, dass diese Terrasse bei Rauchern gerade deswegen so beliebt war. Nur war mir überhaupt nicht nach Rauchen, und nach vielen Menschen schon gar nicht, denn genau deswegen hatte ich es drinnen nicht mehr ausgehalten; außerdem bekam ein Zuviel an Alkohol und ein Zuwenig an Sauerstoff weder mir noch meinen Gehirnzellen. Genau der richtige Zeitpunkt für ein Time-Out, wenn auch nur für kurze Zeit, denn länger zu bleiben, war für mich bei dem Wind, der mich schon seit Tagen nervte, nicht gerade prickelnd. Ich hatte zwar immer noch die geborgte Jacke an, dank der ich mir wenigstens nicht den Allerwertesten abfror. Höchste Zeit, sie ihm zurückzugeben.

Geh.Hinein. The trick is to keep breathing... Es wird schon nicht so schlimm werden. Sollen sie sich meinetwegen doch das Maul über meine dreckigen Füße zerreißen – das Nachtleben hat schon seltsamere Gestalten gesehen. Und hieß es nicht auch „aus den Augen, aus dem Sinn"? Sobald ich an denen hier vorbei war, hatten sie mich auch schon wieder vergessen. „It ain't pretty when the pretty leaves you and nowhere to go...".

Wie lange war ich weg gewesen? Die Achtzigerphase hatte der DJ hinter sich gelassen, jetzt war er inden Nullerjahren angekommen. Gratulation: „nowhere to go"? Nicht für mich – mein Zimmer hatte ich noch. Wenigstens für diese eine Nacht. Oder das, was von ihr noch übrig war. Mit viel Schlaf brauchte ich nicht mehr zu rechnen, wenn ich mich nicht bald auf den Rückweg machte.

Gib alles zurück, was nicht Dir gehört, lass den Jungs Deine Nummer da, falls das Jobangebot noch steht, bestell Dir ein Taxi (so teuer kann das ja nicht sein – und Du hast bei denen noch was gut) und dann sieh zu, dass Du hier weg kommst.

Leider hatte mein Plan einen kleinen Schönheitsfehler: Was nützte ihnen meine Handynummer? Mein Handy war in meiner Jacke gewesen und die war inzwischen sonst wo. Und dann war da noch der Sänger der Band. Ich hätte wissen müssen, dass er mich nicht so einfach davonkommen lassen wollte. Einmal Gentleman, immer Gentleman? Really? You are kidding me!

„Ein Taxi rufen? No, never." Das regeln wir anders.

Nix da: „Dachtest Du wirklich, dass ich Dich alleine gehen lasse?"

Ach was. Der Herr will mich höchstpersönlich zurückbringen. Zu Fuß. Nicht motorisiert. Auch wenn ich mich zum x-ten Mal wiederholte: Hatte denn keiner von denen einen müden Cent für ein Taxi übrig? Oder galt auch hier das Motto „Geiz ist geil"? Huch! Da war es wieder, das böse Wort. Völlig unpassend. Dass es womöglich einen anderen Grund für dieses selbstlose Angebot gab, kam mir zu diesem Zeitpunkt noch nicht in den Sinn. So oder so war Widerspruch zwecklos.

„So, und wo müssen wir nun eigentlich lang?"

Für einen kurzen Augenblick wusste ich es selbst nicht so genau. Mist: Alcohol kills brain cells. Kurzes Brainstorming mit den restlichen Zellen, dann erinnerte ich mich und deutete in die Richtung, in der mein Hostel lag. Du wolltest laufen. „Let's go". Wenn ich geglaubt hatte, dass ich das Kommando an mich reißen konnte, nur weil ich den Weg zu kennen schien, hatte ich mich aber geschnitten.

Broken StringsWo Geschichten leben. Entdecke jetzt