Eine merkwürdige Vorladung

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Sechs Tage lang war Atana wieder in seiner Zelle eingeschlossen. Niemand kam jemals vorbei um nach ihm zu sehen, Deidara genauso wenig wie Konan. Er hätte sich gewünscht ein bisschen Beistand zu haben, auch psychisch. Die Schmerzen seines Körpers wurden regelmäßig mit Medikamenten betäubt, vermutlich mit seinen Pfeilkrautknollenblättern, aber das klaffende Loch in seiner Seele konnte und wollte niemand heilen.

Wenn er wach war dachte er stundenlang darüber nach, dass die Welt um ihn herum auch nur ein Traum sein könnte. Eine so absurde Realität hielt er für unmöglich. Konans Schwangerschaft und Kakashis Tod waren in seinen Augen Indizien dafür. Er sah es einfach nicht ein. Er konnte nicht. Kakashis Tod zu akzeptieren kam nicht infrage, auch wenn er den zerbissenen Körper mir all den Wunden und dem Blut gesehen hatte. Leider konnte er sich auf Deidaras Augen verlassen. Es sei denn, er steckte im selben Traum.

»Ist er wach?«
Itachis Stimme drang nur dumpf durch die ganzen Schmerzmittel. Atana nickte zaghaft, obwohl er nicht persönlich angesprochen wurde. Nach Tagen endlich jemanden bei sich zu haben war befreiend.
»Fühlst du dich besser?«
Eine Frage aus Höflichkeit. Itachi verspürte kein Mitleid, das erkannte Atana an seinem Chakra erkennen. Aber die Besorgnis um etwas anderes war dafür um so heftiger. Atana krächzte:
»Was willst du hier?«

»Es geht um deinen Vorfall.« erklärte Itachi ruhig und wählte seine Worte äußerst Weise, aus Angst, er könnte Atana irgendwie wütend machen. »Du wurdest von einem von uns aufgehalten. Das sagtest du zu Konan. Du solltest dich vor diesem Menschen in Acht nehmen.«
»Das hatte ich vor. Schließlich hat er mir das Augenlicht genommen. Das fasse ich nicht als freundschaftliche Geste auf.«
»Dieser Mann will dich sehen, und zwar morgen früh. Bis dahin solltest du einigermaßen fit sein.«
»Ich gehe nirgendwo hin. Die ganze Welt hat mir den Rücken gekehrt und ich sehe nicht ein, ihr hinterher zu gehen. Sollen sie mich doch Foltern und für immer hier Einsperren, es ist mir egal. Ich bin absolut nutzlos und machtlos. Lasst mich einfach in Frieden sterben und dieser grausamen Realität entfliehen.«

»Nichts ist so wie es scheint.« antwortete Itachi. »Auf deine momentane Depression folgt die Heilung. Es wird erträglicher.«
»Nicht, wenn man selbst dafür verantwortlich ist.«
»Dann muss man sich selbst verzeihen. Und du wirst das auch können, irgendwann.«
»Ich kann mir nicht selbst verzeihen, dass ich mein eigenes Leben zerstört habe. Von Anfang an hätte ich stärker sein müssen. Ich hätte mich wehren können. Auf die letzten Jahre blicke ich mit purer Reue zurück. Ich bin schon immer weggelaufen und habe Fehler gemacht, doch anstatt daraus zu lernen wiederhole ich jeden einzelnen.«
»Der Schlüssel zum Frieden ist deiner Meinung nach Einsicht und Vergebung. Wenn du deine Fehler einsiehst bist du schon den halben Weg gegangen.«
»Ich glaube, ich liebe ihn zu sehr um das tun zu können. Ich habe das Gefühl, dass ich vor Wut die Welt unter gehen lassen muss. Das ist nicht gesund. Aber es ist mir egal. Ich bin zu schwach um irgendwas auszurichten.«

Itachi schwieg. Diese Entwicklung war nicht das, was er erwartet hatte. Hatte Atana seine guten Absichten an die Liebe zu Kakashi gekoppelt? War sein Sinn nach Frieden abhängig von seiner Liebe? Vermutlich stimmte das und es passte Itachi nicht wirklich. Nach all den Jahren hatte er die Hoffnung gehabt einen Verbündeten zu haben. Jemanden, dem er seine Geschichte erzählen konnte. Itachi hatte als einziger erkannt, dass Atana für Konohagakure bei den Akatsuki war. Der Blick in seinen Augen war der selbe gewesen, den er selbst im Spiegel gesehen hatte. Seine Absichten, seine Kampfart, die scheinbare Loyalität...
»Geh. Ich möchte meine Ruhe.«

Itachis Besuch erweckte in Atana eine besondere Neugierde. Warum sollte er sich von dem Mann mit der orangenen Maske fern halten? Was wollte der Typ damit bezwecken, seine Augen zu zerstören? Neben all der Trauer und Wut in seiner Seele spürte er ein Verlangen nach Antworten und, entgegen seines sonst so starken Willens, Rachegelüste. Ihm war es zu primitiv Orochimaru töten zu wollen oder Deidara die Schuld zu geben, aber der Zorn wollte einfach nicht nachlassen. Worauf war er wütend? Auf sich selbst oder auf die anderen? In seiner tiefen Trauer konnte er das nicht differenzieren.

Blindfight - Die Fänge der AkatsukiWo Geschichten leben. Entdecke jetzt