Fight The Life

Kapitel 93

Mason wachte vor dem Weckerklingeln auf. Äußerlich blieb er ruhig, wobei er innerlich siegessicher die Faust in die Luft streckte. Er drehte sich um und blickte auf das engelsgleiche Gesicht von Kylie. Bei ihrem schlafenden Anblick schnürte es ihm immer wieder die Luft ab.
Diese wunderbare Frau hatte so viel Schmerz und Leid erfahren müssen, dass es für ihn an ein Wunder glich, dass sie hier seelenruhig schlafen konnte. Die Schwangerschaft hatte sie nicht so mitgenommen, wie es bei Sophia der Fall war. Tyler hatte die heftigsten Stimmungsschwankungen miterleben müssen. Noch ein Fakt, den Mason innerlich jubeln ließ.
Heute zuerst aufzuwachen, verschaffte ihm sofort einen guten Start in den Tag.
Gedankenverloren schälte er sich aus der Decke und tapste leise hinunter in die Küche. Die gemeinsame Wohnung war zu klein geworden, weshalb Mason beschloss ein Haus zu kaufen.
Glücklicherweise entsprach dies sofort der Traumvorstellung des Paares und einen Monat später waren sie eingezogen.

Die Firma war erfolgreicher denn je, was vermutlich Kylie und ihrem cleveren Denkvermögen zu verschulden war. Dies war auch der Grund, weshalb sie sich überhaupt dieses Haus leisten konnten.
Mason schlich an den vielen Bilderrahmen, von sich und Kylie, ihren Eltern, Olivia und seine Mum und Tyler, Sophia und Maggy, ihre kleine Tochter, die in wenigen Wochen bereits 2 wurde, vorbei auf den Weg in die Küche.
Er war am Ende der Treppe angelangt, wo er ein Bild betrachtete und grinsen musste.

Es zeigte Kylie, die selbst herzhaft lachen musste, mit dem frischgebadeten Leo. Sein kleiner Sohn war so sehr von der Weichheit des Handtuchs überrascht, dass sein Gesicht ein völlig überwältigten Ausdruck annahm. Er hatte die schwarzen Haare seiner Mutter geerbt, wobei die Augen eindeutig Masons waren.
Kylie hatte den Krankenhausaufenthalt sehr gut verkraftet und wurde schnell wieder gesund.
Sie wurde seine Frau zwei Monate vor Leos Geburt.
Selbstverständlich ließ sie es sich nicht nehmen, zu ihrem Hochzeitstanz den schnellen Wiener Walzer, veröffentlicht von Ed Sheeran, zu tanzen. Normalerweise sollte dieser Song eine Schwangere, im siebten Monat, in den ersten paar Sekunden außer Puste bringen. Doch an diesem Abend war Mason der Jenige, der als Erster ins Schwitzen geriet.
Ihr Hochzeitsfoto hing direkt unter dem frischgebadeten Leo und seiner Mutter, Masons Frau.

Bei Kylie platze vor etwa anderthalb Jahren die Fruchtblase, als sie bei einer Löwendoku herzhaft niesen musste. Weshalb sie ihren kleinen Kämpfer den Namen 'Leo', angelehnt an den englischen Begriff für Löwe, gegeben haben.
Typisch für Kylie war in dem Moment, dass sie unbedingt ihr verlorenes Wasser aufwischen musste, duschen gehen und unbedingt ein Leberwurstbrötchen haben wollte. Während Mason nervös durch die Küche sprang und ihr gewünschtes Brötchen schmierte, stellte sie sich genüsslich unter die Dusche. Ihr kleines Wunder erreichte nur vier Stunden später das Licht der Welt und machte die Familie komplett.

In der Küche angekommen fing Mason an Frühstück für alle zu machen. Zur Feier des Tages gab es Pancakes und für den kleinen Joghurt mit Früchten. Einen seiner Kontrollblicke bekam immer wieder das Babyfon, in welchem Mason sein kleinen Sohn wunderbar beobachten konnte. Gerade war er dabei seine Mutter zu wecken.
Er fing an zu grinsen, guter Junge, da bekam Kylie all ihre Gemeinheiten, die sie an Mason ausgelassen hatte, wieder zurück.
Ein paar Minuten und Pancakes später, kam Kylie schlaftrunken mit Leo auf dem Arm an. Nachdem sie Mason küsste, schaute sie von seinen grinsendem Gesicht auf die Pancakes und Früchte.

"Och nö!!!" stöhnte sie und schaute ihn mit einem Welpenblick an.

"Abgemacht ist abgemacht." wiederholte er Kylies Worte in der selben Tonlage. Stöhnend betrachtete sie ihren Sohn und schnupperte prüfend herum.

"Puh." kam es nur von ihr, während sie sich zum Sofa schleppte, den Kleinen auf die Wickeldecke legte und sich an das Windelnwechseln machte. Wer zuerst aufsteht und Frühstück macht, darf sich einen Tag lang vor dem Windelnwechseln drücken. So war die Abmachung, die Kylie und Mason nach der Geburt von Leo mit der Hand niederschreiben. Der 'Vertrag' hing eingerahmt über seinem Gitterbett und diente als Erinnerungsstütze.
Während sich Masons Frau über ihren Sohn beugte und ihn herzhaft in die Halsbeuge pustete, dachte er über sein persönliches Glück nach.

Früher hätte er gedacht, dass er so etwas nicht verdient hatte, aber nach und nach gewöhnte er sich an die perfekte Frau und die Leichtigkeit seines Lebens. Er ließ die letzten Jahre vor seinem inneren Auge nochmal aufblitzen und schmunzelte gedankenverloren. Bis ihn ein angebrannter Geruch aus seinen Erinnerungen aufschrecken ließ. Der Letzte von den Pancakes war verbrannt, aber das war ihm völlig egal.

☆☆☆☆☆☆☆☆☆☆☆☆

"Cut!" rufe ich durch das Megafon und rutsche von meinem Stuhl herunter. Endlich haben wir die Schlussszene drehen können. Bald kann 'Fight The Life' in den Kinos ausgestrahlt werden.
An mir eilt eine übereifrige Mutter vorbei zu ihrem Kind, welches 'Leo' den Sohn der beiden Hauptcharaktere darstellt. Sie nimmt ihn Lilly, der Schauspielerin von 'Kylie' ab, welche ihn ein letztes Mal einen Stupser auf dir Nase gibt, bevor sie ihren sehnsüchtigen Blick abwenden kann. Würde ich es nicht besser wissen, stellt Lillys Rolle in meinem Film ihre Traumvorstellung des Lebens dar.
Na gut...vielleicht nicht mit den grausamen Szenen.
Aber sie ist wirklich für die Rolle als 'Kylie' geboren. Ich habe ihr geschworen, niemanden zu verraten, dass sie es war, die mich von dem chaotischen Ende abbringen konnte. Meine Vorstellung war, Kylies Vater am Ende auch sterben zu lassen. Lilly hatte sich aber so sehr in ihre Rolle versetzen können, dass sie mir gute Gründe nennen konnte, weshalb 'Kylie Black' keinen weiteren Schicksalsschlag verkraften konnte und sollte. Zumindestens nicht ohne das Kind zu verlieren. Also änderte ich das Skript.

Obwohl der auftönende Applaus mir gilt, empfinde ich ihn als falsch, weshalb ich meine Hände nehme und zur Lillys und Maximilians, der Schauspieler von 'Mason Harper' Richtung applaudiere. Sie sind meiner Meinung nach die Helden, die meine Idee exakt umsetzen konnten.
Die Ähnlichkeit der beiden mit dem Paar in meinem Kopf ist echt bewundernswert. Immer wenn ich sie in ihren Rollen schauspielern gesehen habe, dachte ich, dass Kylie und Mason höchstpersönlich vor mir stehen würden.

Auf die darauffolgende Gruppenumarmung bin ich nicht vorbereitet. Ich wurde regelrecht überrumpelt und zerdrückt. Aber es macht mir nichts aus. Durch die vergangenen Monate haben wir uns alle lieben und schätzen gelernt. Es ist wie ein Teil seiner Freunde Lebewohl sagen zu müssen - es schmerzt einfach. Aber vielleicht wollen sie sich einfach nur noch mehr einschleimen, damit ich sie bei anderen Filmen caste, um ihnen frischen Kaffee zu kochen.
Es hatte nämlich keiner der Assistenten hinbekommen, weshalb ich es selbst in die Hand nahm. Ist doch auch cool, einen Kaffe vom Chef höchstpersönlich in die Hand gedrückt zu bekommen.
Die Motivation ist auf jeden Fall eine andere, als sonst.
Der Abend des letzten Drehs geht dem Ende zu und es verabschieden sich immer mehr Leute vom Set und wünschen einander ein Lebewohl.
Jetzt sind nur noch wenige Leute da und unterhalten sich.
Mein Gesprächspartner verabschiedet sich ebenfalls gerade von mir. Also drehe ich mich um und beobachte erfreut wie angeregt sich Lilly und Maximilian unterhalten.

"Bleibt es bei dem Kaffeetrinken morgen?"fragt er etwas nervös.

"Natürlich!" antwortet sie mit einen ihrer süßesten Grinsen.

Die beiden umarmen sich schlussendlich ein letztes Mal, bevor sie getrennte Wege gehen.

Ende