Kapitel 18

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PoV Eren
Gelangweilt sah ich auf mein Handy, hörte im Hintergrund meinem Lehrer zu, der irgendwas von Codes und Zahlen laberte. Vermutlich war es wichtig, dass ich der Sache meine gesamte Aufmerksamkeit schenkte, doch ich konnte mich nicht konzentrieren.

Es war der erste Tag nach den Ferien. Levi war noch zuhause. Es ging ihm besser, doch nicht so gut genug, dass ich ihn ohne schlechtes Gewissen alleine lassen konnte. Er hatte zwar gesagt, dass Erwin ihm später Gesellschaft leisten würde, doch glücklicher machte mich das auch nicht. Nicht, weil ich eifersüchtig war oder den beiden nicht traute, eher, weil ich nicht wusste, wie Erwin mit sowas umging. Entweder tat er so wie immer und spielte alles gut runter, ließ sich selber dann auch nicht anmerken, wie sehr ihn das auch belastete. Oder er fragte Levi aus, würde unangemessen werden.

Eigentlich traute ich dem Blonden das Letzte nicht zu. Erwin war ein sehr ruhiger Mensch, er wurde nicht überheblich oder aufdringlich. „Eren, hören Sie zu bitte?", riss mich die Stimme meines Lehrers aus meinen Gedanken und ein wenig verloren sah ich von meinem Handy auf. Ich hatte nicht mal irgendwas geschrieben. Ich hatte nur auf mein Hintergrundbild gestarrt. „J-ja. Entschuldigung.", ich schaltete mein Handy auf und versuchte mich auf meinen Lehrer zu konzentrieren.

Doch auch dieser Versuch scheiterte. Und den Rest der Stunde saß ich apathisch auf meinem Platz, sah entweder nur auf das Whiteboard oder auf meinen Collegeblock, auf dem ich irgendwann angefangen hatte, belanglose Linien zu malen und Muster auf dem ganzen Blatt zu verteilen.

„Eren kommst du?", fragte Armin mich und verwirrt sah ich ihn an. Alle anderen waren bereits aus der Klasse verschwunden. Ich schluckte nervös und packte dann schnell meine Sachen ein. „Hast du WiPo gemacht?", fragte ich die blonde Kokosnuss und stand schließlich auch von meinem Stuhl auf, folgte Armin aus dem Kursraum. „Ja, ich glaube ich habe aber alles falsch." – „Können wir sagen, dass ich bei dir mitgearbeitet habe?"

Über die Ferien hatten wir einen Arbeitsauftrag bekommen. Wir sollten eine Erörterung zur aktuellen politischen Lage, den kommenden Wahlen und unserer politischen Einstellung schreiben. Und ich musste wohl nicht erwähnen, warum ich mich in den Ferien mit Levi beschäftigt hatte. Und nicht mit noch mehr Krisen, die dieses Land zu bieten hatte.

„Wenn das durchgeht.", Armin zuckte mit den Schultern und klopfte mir aufmunternd auf den Rücken, ehe er mich in die Klasse schob und wir uns auf unsere Plätze setzten. „Ey Eren, geht's dir gut? Du bist so still heute.", fragte Christa, als sie neben mir Platz nahm. Die kleine Blonde mit den großen blauen Augen war schon immer sehr führsorglich gewesen. Das hatte man direkt gemerkt. Es war also nicht ungewöhnlich, dass sie fragte, ob es mir gut ginge.

Im Gegenteil, es war typisch Christa.

„Ja, hab nur wenig geschlafen.", winkte ich ab und wandte mich Armins Erörterung zu. Las sie mir durch und ja, er hatte wirklich alles falsch gemacht. Doch ich beschwerte mich nicht. Immerhin hatte er etwas gemacht.

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„Eren, bleiben Sie doch bitte kurz hier.", ich nickte nur stumm und blieb auf meinem Platz sitzen. „Ich warte draußen.", sagte Armin und verschwand mit Annie und Reiner aus der Klasse. Kaum waren alle weg, kam mein Klassenlehrer zu mir, nahm sich einen Stuhl der vorderen Reihe und setzte sich mir gegenüber. „Sie wirken sehr abgelenkt. Anscheinend schon den ganzen Tag.", sagte er und ich zuckte mit den Schultern.

Ich mochte meinen Klassenlehrer. Er war ein sehr ruhiger Mensch, man konnte gut mit ihm reden. Er war ein guter Zuhörer, doch ich wusste nicht, ob ich das hier ohne Nervenzusammenbruch überstehen würde.

„Darf ich wissen, was Sie so beschäftigt?", fragte der angegraute Mann dann und ich zuckte erneut mit den Schultern. „In den Ferien wurde bei meinem Freund Krebs diagnostiziert.", erklärte ich dann stumpf und spürte, wie mir bei den Gedanken an meine nächsten Worte, die Tränen in meinen Augen aufsteigen.

„Wie geht es Ihnen damit?"

„Pft, wie soll es mir denn schon gehen? Ich sitze hier, kann mich nicht konzentrieren, weil ich die ganze Zeit daran denken muss, was Zuhause gerade passieren könnte. Und dann werde ich auch noch drauf angesprochen. Wirklich schön ist das nicht unbedingt.", wie zu erwarten waren während meiner Worte die Tränen aus meinen Augen geschossen und rollten nun über meine Wangen. Ich wischte mir durchs Gesicht und lachte verzweifelt auf. Ich kam mir so dämlich vor. „Darf ich fragen, wie weit der Krebs denn schon fortgeschritten ist?"

„Er ist im dritten Stadium. Er wird auch mit Chemo und einem Haufen Medikamenten behandelt, aber das hilft mir nicht unbedingt.", ich spürte wie mein Körper zu zittern begann und unruhig begann ich in meiner Tasche nach den Beruhigungstabletten zu kramen, die mir der Arzt verschrieben hatte. „Weiß das noch jemand?" – „Armin weiß es.", schniefte ich und fand endlich die Dose. Klickte sie auf und nahm mir eine der weißen Tabletten.

„Was ist das?", fragte mein Lehrer. „Beruhigungstabletten. Ich kriege jedes Mal einen halben Zusammenbruch, wenn ich anfange über das Thema zu reden.", erklärte ich mit zitternder Stimme. Angesprochener nickte nur. „Hören Sie, Sie wissen, dass ich Sie nicht mit Samthandschuhen anfassen kann, auch wenn ich es gerne tun würde. Aber wenn Sie sich zu einer Arbeit oder einem Vortrag nicht richtig vorbereiten können, dann reden Sie bitte vorher mit mir und wir schauen, dass Sie mehr Zeit bekommen."

Ich nickte nur. Das war zwar nicht unbedingt, was ich wollte – eine Sonderbehandlung gefiel mir eigentlich nicht – aber vielleicht war es doch ganz gut, so konnte ich mich auf Levi konzentrieren.

„Darf ich jetzt gehen?", fragte ich und er nickte, entließ mich.

Ich packte schnell meine Sachen, ging rasch aus der Klasse und rannte dabei in Armin, der mich besorgt ansah. „Ich habe ne Tablette genommen, mir geht's gleich wieder besser.", murmelte ich nur leise und wischte mir erneut die Tränen aus dem Gesicht. Und folgte Armin dann zum Auto.

Chemistry [Ereri/Riren]Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt