Kapitel 25

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PoV Levi
Zwei Tage waren vergangen. Ich hatte die Chemo augenscheinlich gut wegstecken können und saß gerade bei meinem Hausarzt. Die junge Arzthelferin klebte gerade ein Pflaster auf meinen Unterarm und sah dann zu ihrem Boss, der sich meine Werte auf seinem Bildschirm ansah. Wie immer verzog er keine Miene. Ich konnte nicht ansatzweise sagen, ob meine Werte gut oder schlecht waren. Ich fühlte mich gut. Doch bei Krebs wusste man das ja nie so genau. „Hat der Haarausfall schon angefangen?", fragte der Arzt und ich brummte zustimmend.

Vor zwei Tagen hatte ich ein großes Büschel Haare in der Hand. Ich war nun extrem vorsichtig mit der Haarbürste und auch Eren ließ so gut es ging die Finger von meinem Kopf. Ich wollte das nicht noch beschleunigen. Und Eren würde mir sagen, wenn man wirklich kahle Stellen sehen würde.

Der Arzt drehte sich zu mir und kratzte sich am Kinnbart. „Ich warte nochmal die neuen Blutwerte ab, dann melde ich mich bei Ihnen." – „Ist denn jetzt irgendwas beunruhigend?", fragte ich ein wenig unsicher und hoffte inständig, dass man mir jene Unsicherheit nicht anmerken würde. Der Ältere seufzte leise und sagte: „Die Leberwerte gefallen mir nicht wirklich. Es ist nichts, was gerade gefährlich für sie sein könnte und vielleicht lag es auch nur an der Chemo. Deshalb würde ich gerne auf die neuen Werte warten, bevor ich voreilige Schlüsse ziehe." Ich nickte nur.

Er war Arzt, er stand in Verbindung mit dem Krankenhaus und wusste, was er da tat. Jedenfalls hoffte ich auf sein Wissen und seinen Verstand. Mehr blieb mir im Endeffekt ja auch nicht übrig.

So zog ich meinen Pulloverärmel wieder runter und stand von der Liege auf, merkte jedoch im nächsten Moment sofort, dass ich mal wieder zu schnell für meinen Körper war und geriet ein wenig ins Schwanken. Die Arzthelferin bemerkte mein Taumeln und kam mir sofort zur Hilfe, stützte mich und ein wenig beschämt fing ich mich wieder.

Sie war bestimmt älter als ich. Und ich fühlte mich hier wie ein alter Opa, der nichts mehr alleine hinkriegte. Wehe diese Chemo machte sich nicht bezahlt und ich würde so bleiben! Das wollte ich nicht. Für mich nicht und vor allem wollte ich das niemand anderem antun. Eren, Hanji, Erwin.

Auch, wenn ich eigentlich noch Familie hatte, sah ich diese drei als meine wahre Familie. Hanji und Erwin waren wie Geschwister für mich. Genauso nervtötend und anstrengend. Jedenfalls wenn man Erens Erzählungen über seine Geschwister glauben konnte. Er hatte es mit seinem Bruder auch nicht so einfach. Und reden taten die auch nicht mehr. Ähnlich wie bei mir und meiner Familie. Sie wussten von meiner Krankheit, ich hatte mit meiner Mutter darüber geredet. Aber wir standen uns noch nie wirklich nahe. Und als ich mich vor fünf Jahren dafür entschieden hatte bei Eren zu bleiben, hatte sich unser Kontakt noch mehr verringert.

Ich beschwerte mich nicht. Ich hatte deutlich andere Probleme. Zum Beispiel diesen Scheiß Tumor in meiner Lunge.

-

Zuhause angekommen brauchte ich ein wenig, um die Treppen heraufzugehen. Zudem hatte mich unser Scheißnachbar im Treppenhaus auch noch so dämlich von der Seite angestarrt. Der konnte mich mal der Typ. Der hatte schon immer was gegen mich. Schon als Eren und ich uns die Wohnung angeschaut hatten, hatte er mich dumm angeschaut. Nervig sowas.

Ich schloss die Wohnungstür auf, versuchte zu überspielen, dass ich von den Treppen völlig fertig war und zog mir im Flur die Schuhe aus, ließ die Tür hinter mir zufallen und zog langsam meine Jacke aus. Es war alles so anstrengend geworden. Ich konnte mich nicht mal mehr richtig auf die Zehenspitzen stellen, um meine Jacke and den Garderobenhaken zu hängen. Und so legte ich sie einfach auf die Kommode im Flur. Es störte mich – es sah absolut schrecklich aus – aber ich kam einfach nicht ran und konnte auch nicht mehr wirklich stehen.

Doktor Becker meinte, dass es dazu kommen könnte. Dass plötzliche Schwächeanfälle leider immer wieder vorkommen würden. Egal, ob es mir gerade gut gehen würde. Es würde an der Chemie liegen, die durch meinen Körper floss und mir die Kraft dadurch entzog. Für mich ergab es Sinn, also hakte ich nicht weiter nach. Aber dass ich nach ein paar Treppen und dem Ablegen meiner Kleider schon so fertig war, bereitete mir etwas Sorgen.

Vielleicht war ja heute aber auch nur ein schlechter Tag.

So dachte ich und ging ins Wohnzimmer, wo ich mich auf die Couch setzte und ein wenig an meinem Handy rumspielen würde, bis Eren nach Hause kommen würde. 

Chemistry [Ereri/Riren]Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt