Kapitel 9

850 85 9
                                    

PoV Eren
Niedergeschlagen saß ich auf der Couch. Es war gerade 14 Uhr geworden. Levis Operation würde nun starten. Und auch, wenn neben mir der Fernseher lief und der Film gerade wirklich eine spannende Szene zeigte, konnte ich mich beim besten Willen nicht auf das Geschehen auf dem Bildschirm konzentrieren.

Meine Gedanken drifteten immer wieder zu dem Schwarzhaarigen ab, der nun vermutlich unter dem Messer des Doktors lag. Und bis Levi aus der Narkose aufwachen würde und mir Neuigkeiten sagen würde, würden noch mehrere Stunden vergehen müssen.

Ich griff zu meinem Handy, entsperrte es und ging auf Kontakte. Ging auf den ersten Kontakt unter A und rief meinen besten Freund an.

Es klingelte.

Und es fühlte sich an, als würden Stunden vergehen, bis der Blonde endlich den Anruf entgegennahm und mich freudig begrüßte. „Eren!", rief er. „Hey Armin, kannst du vorbeikommen?", jeder Idiot hätte an meiner Stimme erkennen müssen, dass etwas nicht stimmte. „Ja klar, was ist los?"

Ich hatte es ihm noch nicht gesagt. Dass mein Freund Krebs hatte, war ja auch nicht etwas, was man jedem unter die Nase rieb. Zudem wollte ich Levi nicht noch mehr belasten. Immerhin wussten es jetzt schon 4 Leute. Armin war der Fünfte. Und wer weiß, wie viele es noch werden würden, wenn die Ärzte den zweiten Tumor nicht rausoperieren konnten.

„Kann ich dir das sagen, wenn du hier bist?"

„Natürlich."

Wir verabschiedeten uns und legten auf. Vorher sagte Armin jedoch noch, dass er so schnell wie möglich da wäre. Gott sei Dank dauerte es wirklich nicht lange, bis es an der Tür klingelte und ich den Summer betätigte, um den Blonden reinzulassen.

Armin wohnte eine Straße weiter. Und so wie ich ihn kannte, hatte er sich nicht extra etwas Schickes angezogen, als er meinen Anruf bekam. Nicht etwa, weil Armin nicht auf sein Äußeres achtete, sondern eher, weil er den Ernst der Situation erkannte. Er hatte gehört, dass etwas nicht stimmte und als ich sagte, dass ich es ihm persönlich sagen würde, wusste er sofort, dass es wirklich ernst war.

Er kam die Treppen hochgelaufen und sah mich besorgt an. „Was ist passiert?", fragte er außer Atem und stützte sich am Türrahmen ab. Ich ließ ihn wortlos in die Wohnung und deutete ihm ins Wohnzimmer zu gehen.

Er tat dies, ich folgte ihm, stellte den Film auf Pause und setzte mich neben den Jüngeren auf die Couch.

„Erzähl jetzt." – „Levi hat Krebs und wird gerade operiert. Ich hab eine Scheißangst."

Stille. Er sagte einfach nichts. Doch ganz ehrlich, was sollte er auch sagen?

„Fuck."
Ja Armin "Fuck" traf es ganz gut.

-

Es hatte ein wenig gedauert, bis ich Armin alles erklärt hatte. Warum wir ins Krankenhaus gefahren waren, was der Arzt gesagt hatte, warum Levi operiert wurde.

„Ich habe Panik, Armin. Wie oft laufen OP's bitte schief? Und wie oft werden Krebspatienten in diesem Stadium wieder gesund?" – „Die meisten Operationen laufen gut Eren, Levi wird da nichts passieren. Und die Ärzte wissen, was sie tun. Sie können den einen Tumor rausoperieren, den anderen mit Sicherheit auch.", Armin versuchte wirklich mich zu ermutigen. Doch es klappte nicht wirklich.

„Mit Sicherheit? Was wenn nicht? Was wenn er Chemo machen muss und die nicht verkraftet? Was wenn er psychisch wieder so kaputt geht? Und dann auch noch physisch. Und ich hab doch überhaupt keine Ahnung, was ich machen kann, wenn er wirklich Chemo bekommt. Oder wenn die OP nicht gelingt und er gleich zwei Tumore hat. Ich hab einfach verdammt Angst, dass ich ihn wegen sowas verliere."

Zum ersten Mal seit Levis Diagnose hatte ich das Gefühl, dass ich wirklich über meine Gefühle reden konnte. Über meine Angst. Natürlich würde Levi mir zuhören und mich auch ermutigen wollen, doch ich wollte ihm keine Angst machen. Wenn ich anfangen würde über Chemotherapien zu reden, wüsste ich nicht, wie gut er das wegstecken würde. Ich wollte nichts riskieren.

„Du kannst nichts machen, wenn er Chemo bekommt. Nicht mehr, als du schon seit Jahren tust. Du kannst während dieser Zeit nur für ihn da sein und ihn unterstützen. Ihm zuhören und vielleicht ein paar Arbeiten abnehmen. Aber nichts außer Therapie oder Operation wird ihn heilen, Eren."

Ich wusste, dass er recht hatte. Wirklich.

Und doch fühlte ich mich nutzlos. Schwach und unbrauchbar. Ich konnte jetzt nichts anderes tun, als hier warten und hoffen. Und danach konnte ich wieder nichts anderes tun, als warten und hoffen.

Ich war nutzlos.

Chemistry [Ereri/Riren]Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt