PoV Eren
Nur in Jogginghose bekleidet saß ich im Rettungswagen. Ich hatte Levi noch schnell etwas anziehen dürfen, als sie gekommen sind. Sie hatten eine Sauerstoffflasche dabei, haben ihm eine Plastikmaske aufgesetzt. Und er konnte wieder atmen. Haben mich ausgefragt. Ob er irgendwelche Lungenkrankheiten hätte. Ob ich etwas wissen würde. Ob er das schonmal hatte. Ob er andere Beschwerden hatte.Doch ich konnte ihnen nichts sagen. Levi war gesund. Immer. Er bekam nicht mal eine Erkältung oder Fiber.
Ich spürte einen leichten Druck an meiner Hand und sofort sah ich von meinen Knien auf. Sah Levi an. Er lag auf der Trage, hatte diese Maske im Gesicht und atmete schwer, gleichmäßig, aber schwer. Er versuchte zu lächeln. Wollte mir damit sagen, dass alles gut werden würde. Doch es kam nicht zu mir durch. Denn so wie er dort lag, die Augen nur halb geöffnet, die Maske im Gesicht, die bei jedem Atemzug zitternde Brust. Ich konnte ihm in diesem Moment einfach nicht glauben, dass alle gut werden würde.
Ich hielt seine Hand fest, erwiderte trotz meiner Gedanken sein Lächeln leicht und streichelte ihm über den Handrücken. Die Sanitäterin, die mit uns im Krankenwagen saß, musterte uns mitleidig. Durfte sie uns überhaupt so ansehen?! Musste sie nicht irgendwas Positives sagen oder so?
„Geht es Ihnen ein wenig besser?", fragte sie dann Levi, welcher besorgt zu mir sah. Dann schüttelte er den Kopf. „Das Atmen tut nicht mehr so sehr weh, aber es ist trotzdem schwierig Luft zubekommen.", erklärte er krächzend und wandte den Blick von mir ab.
Levi und ich waren seit bereits 5 Jahren zusammen. Wir hatten uns in der Berufsschule kennengelernt. Seine Ausbildung war am anderen Ende des Gebäudes und weil unsere Seite irgendwann als einsturzgefährdet deklariert wurde, musste unsere Klasse umziehen. Als Klassensprecher musste er uns im Trackt einweisen und uns bei Fragen zur Verfügung stehen. Und da ich ebenfalls Klassensprecher war, musste natürlich immer ich zu ihm rennen und besagte Fragen stellen.
Irgendwann mussten wir beide zur selben Zeit nachsitzen und haben uns ein bisschen unterhalten. Haben uns verabredet. Hatten ein Date. Es ist 5 Jahre her. Und ich bereute nicht einen einzigen Tag.
Und trotzdem konnte Levi manche Dinge noch immer nicht sagen. Wenn er das Gefühl hatte, dass ich darunter leiden würde, sagte er meistens nichts. Ich war froh, dass er es jetzt jedoch getan hatte. Das lag aber wohl eher an seiner eigenen Angst als an einer Erleuchtung.
Ein paar Minuten später hielt der Krankenwagen, die hinteren Türen wurden geöffnet und Levi wurde samt Trage aus dem Wagen gehoben. Die Sanitäter brachten ihn ins Krankenhaus. Ich blieb mit der Frau, die mit uns im Wagen saß hinter ihnen. „Welche Pullovergröße haben Sie?", fragte sie mich freundlich und führte mich in einen leeren Gang. „M.", erklärte ich. Sah mich im Krankenhaus um.
Es war dunkel, die Lichter waren runter gestellt. Es war kalt, leer. Die Frau ging zu einem Schrank, schloss ihn auf und nahm zwei Pullover raus, reichte mir einen. „Ziehen Sie sich an, den anderen gebe ich Ihrem Freund, wenn er untersucht wurde." Ich nickte nur apathisch.
„Dann warten Sie bitte im Besucherraum.", erklärte sie mir freundlich und zeigte auf eine offene Holztür. „Haben Sie eine Vermutung, was er hat?", fragte ich. Diese Frage brannte mir schon seit der Fahrt auf der Zunge. Doch ich wollte Levi nicht verunsichern. Hatte deshalb nichts gesagt. Die Blondine seufzte leise. „Dadurch, dass er kein Asthma oder sonstige Lungenkrankheiten hat, kann ich nichts Genaues sagen. Aber hier ist er gut aufgehoben. Er wird einmal komplett durchgecheckt, machen Sie sich also nicht so große Sorgen.", sie klopfte mir aufmunternd auf die Schulter, ehe sie sich von mir verabschiedete und den Weg antrat, den auch schon ihre Kollegen mit Levi gegangen waren.
Ein wenig ratlos setzte ich mich ins Besucherzimmer, zog mir den grauen Pullover über und machte es mir auf der Couch gemütlich. Zückte mein Handy.
Wenn Levi heute wieder gehen dürfte, bräuchten wir ein Auto. Oder Geld. Beides hatte ich nicht hier. Wenn Levi nicht nach Hause dürfte, brauchte er Kleidung. Und auch die wurde zum Problem.Ich ging meine Kontakte durch, stoppte bei E und suchte einen bestimmten Namen.
Tippte auf den grünen Hörer und hielt mir das Handy ans Ohr, wartete.
„Ja?", meldete sich der Blonde verschlafen und grummelte leicht. „Erwin, kannst du mir einen Gefallen tun?", fragte ich, merkte, wie meine Stimme zu zittern begann. Erwin war Levis bester Freund. Fast wie ein Bruder für den Schwarzhaarigen. Sie waren zusammen aufgewachsen. Erwin war nach mir Levis Bezugsperson und Ansprechpartner für alles. „Eren weißt du wie spät es ist?", murrte er und ich hörte es rascheln. Wahrscheinlich hatte er sich im Bett anders hingesetzt.
„Levi- wir sind im Krankenhaus." – „Was ist passiert?", sofort schien er hellwach zu sein. „Er konnte nicht atmen. Er wird untersucht und ich- ich fühle mich so verdammt nutzlos. Ich kann hier nicht weg, kann ihm nicht mal frische Kleidung bringen, falls er hierbleiben muss.", meine Stimme begann zu zittern. Mein Körper ebenso.
Nun, wo Levi nicht mehr bei mir war, nun wo ich alleine war, musste ich nicht mehr so tun, als wäre ich stark. Musste ich für einen Moment nicht so tun, als würde ich daran glauben, dass alles wieder gut wird. „Welches Krankenhaus? Ich bringe was vorbei."
„St. Maria. Danke, Erwin.", die Gewissheit, dass jemand anderes nun auch von der Situation wusste und ich nicht mehr alleine mit meinen Sorgen sein würde, beruhigte mich irgendwie.
Erwin legte auf und erleichtert atmete ich auf. Eine kleine Last wurde damit von meinen Schultern genommen.
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Chemistry [Ereri/Riren]
FanfictionEigentlich sollte dieses Jahr schön werden. Die neue Wohnung, die Arbeit und die Schule. Alles passte. Endlich würden wir wieder ein wenig Zeit für uns haben. Es war perfekt. Bis zu diesem einen Satz. „Ich kann nicht atmen!"