Kapitel 6

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PoV Levi
Nachdem der Arzt noch ein paar letzte Untersuchungen an mit gemacht hatte, mir einen Termin für die erste Operation und ein paar verschiedene Pillen gegeben hatte, und mir alle möglich Borschüren über Krebspatienten und Therapien in die Hände gedrückt hatte, durften wir vorerst gehen.

Jedoch direkt zum nächsten Arzt. Neben dem im Krankenhaus musste ich noch meinen Hausarzt informieren. Jener nahm mir allerdings ab noch meine anderen Ärzte über meinen Zustand in Kenntnis zu setzen und entließ mich nach einem eineinhalb Stunden Gespräch schließlich nach Hause.

Dort sah es noch so aus, wie gestern Nacht. Die Klamotten lagen noch immer verstreut auf dem Boden. Und bei dem Gedanken daran, was während meiner Atemnot eigentlich unser Vorhaben war, wurde mir mulmig zumute. Wie musste sich Eren dabei wohl fühlen?

Wir hatten lange keinen Sex mehr gehabt. Die Renovierung der Wohnung hatte ewig gedauert und wir waren einfach nur müde. Dazu noch die Arbeit – es war einfach keine Zeit für solche Intimitäten gewesen. Und jetzt? Jetzt hatten wir die Zeit und ich bekam währenddessen so einen Anfall. Eren würde mich jetzt erst recht nicht mehr so anfassen. Er würde Angst haben, dass ich wieder keine Luft kriegen würde.

Und ich konnte diese Angst ehrlich gesagt nachempfinden.

Ich hatte Angst. Und wie. Doch ich hatte nicht wirklich Angst vor dem Krebs oder vor den Folgen. Ich hatte einfach nur Angst um Eren. Und dass ich so dachte, war vermutlich nicht gut.

Wach auf Levi, du hast Krebs! Dein Leben könnte in ein paar Monaten vorbei sein, wenn die OP nichts bringen würde!

Doch nein, ich machte mir nur Gedanken um Eren. Darüber, dass ich ihn nicht alleine lassen wollte und dass ich Angst um ihn hätte. Was würde er tun, wenn ich wirklich- „Wollen wir was bestellen?", hörte ich es und wurde somit aus meinen Gedanken gerissen. Noch immer stand ich in der Wohnungstür, starrte auf die Klamotten auf dem Boden. „Levi?"

„J-ja! 'Tschulige.", murmelte ich und kickte die Tür hinter mir zu. „Wie wär's mit mexikanisch?", fragte ich dann und zog meine Schuhe im Flur aus. Eren nickte nur und zückte sein Handy. „Willst du dasselbe, wie immer?" – „Such du was aus.", ich lächelte den Brünetten lieb an und begann die Kleidung vom Boden aufzuheben. Eren nickte nur, tippte auf seinem Handy rum und verschwand im Wohnzimmer. Ich räumte die Kleidung weg, begann unsere Pflanzen zu gießen.

Witzig, manche von ihnen werden von der Wohnung vielleicht mehr haben als ich.

Ich sollte nicht so denken. Andererseits? Wer konnte es denn hören? Niemand.

Gerade goss ich die Pflanzen in der Küche, da klingelte es an der Tür, Eren sprintete schon beinahe durch den Flur und betätigte den Summer. „Du weißt, dass Menschen auch eine Sekunde warten können, oder?", fragte ich hämisch und lehnte mich gegen den Türrahmen der offenen Küche. „Die vielleicht, aber ich nicht! Ich hab Hunger.", lachte er und öffnete die Tür, der Bote kam gerade die Treppen hoch, begrüßte Eren freundlich und überreichte ihm das Essen. Ich nahm es schnell an mich, sodass Eren freie Hände zum Bezahlen hatte und brachte die Kartons bereits ins Wohnzimmer.

Eigentlich schickte es sich ja nicht im Wohnzimmer zu essen, doch das taten wir immer, wenn wir bestellten. Wir setzten uns auf die Couch und schauten einen Film oder eine Serie. Meistens suchte ich einen Film aus und Eren eine Serie. Diese Tradition wollte ich trotz der neuen Wohnung nicht fallen lassen. Ich liebte das. Mit Eren auf dem Boden zu sitzen, einen Film zu schauen und dabei zu essen.

Sobald wir gegessen hätten, würden wir uns auf die Couch legen, ich würde in seinen Armen liegen und er würde wie immer meinen Bauch streicheln. So verlief es immer, wenn wir bestellten. Wir genossen immer die Anwesenheit des anderen in vollen Zügen. Ich genoss, dass Eren immer da war und mich hielt, er genoss, dass ich da war und ihm zeigte, dass ich ihn liebte.

Ich tat das nicht so offensichtlich, wie andere. Ich sagte auch nicht sehr oft, dass ich ihn liebte. Nach 5 Jahren, dachte ich, sollte er es wissen. So sparte ich mir diese Worte für die wichtigen Momente auf. Nicht etwa, weil ich ihn heute weniger lieben würde als noch am Anfang unserer Beziehung, es war eher das Gegenteil. Ich liebte Eren mehr denn je. Und gerade, weil ich das tat, wollte ich ihn nicht damit überschütten. Jeder brauchte seinen Freiraum und jede Beziehung brauchte ihre Besonderheiten. Und dies war unsere Besonderheit.

„Bist du dran mit aussuchen?", fragte Eren und setzte sich neben mich auf den Boden, griff dabei zur Fernbedienung. Ich legte die große Plüschdecke über unsere Beine und zuckte mit den Schultern. „Gibt es was, was du unbedingt sehen willst?", fragte ich dann und öffnete die vier Kartons, die vor uns standen.

Eren schaltete auf Netflix, wo uns sofort Call Me By Your Name vorgeschlagen wurde. Wir sahen uns kurz an, zuckten zeitgleich mit den Schultern und somit war es entschieden.

Während wir also den Film sahen und uns Cali-Dilla und Hot Cheeto Tacos reinzogen, verging die Zeit und es war, wie ein ganz normaler Filmeabend, an dem wir Essen bestellten und uns danach zusammen auf die Couch legten.

Wie immer streichelte Eren meinen Bauch unter der großen Decke und wie immer lauschte ich seinem Herzschlag, während im Hintergrund der Fernseher lief.

Und ich hoffte so sehr, dass sich das niemals ändern würde.

Chemistry [Ereri/Riren]Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt