Kapitel 23

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PoV Eren
Überfordert sah ich auf Levis Hände. Mit einem Mal begann er zu zittern und die Haare fielen ihm von den Händen ins Waschbecken. Sofort hechtete ich zu ihm, hielt seine Handgelenke fest und versuchte ihm in die Augen zu sehen.

Levis ganzer Körper bebte vor Schock. Und ich wusste nicht mit der Situation umzugehen. Sollte ich ihm gut zu reden? Sollte ich lieber einfach die Klappe halten? „Sieht man es?", fragte Levi mich dann mit zittriger Stimme und senkte seinen Kopf ein wenig. Ich ließ sanft von ihm ab und legte meine Hände stattdessen an seine Wangen, drehte seinen Kopf ein wenig und sah mir seine Haare an.

„Man sieht, dass sie dünner geworden sind.", murmelte ich leise. „Aber ich sehe keine kahle Stelle." Levi nickte nur stumm und lehnte sich plötzlich an mich, vergrub sein Gesicht in meiner Schulter und atmete tief durch. Ich legte meine Arme um seinen Körper und drückte ihn sanft an mich. Und dann passierte etwas, was lange nicht mehr passiert war.

Levi fing an zu weinen. Krallte sich in meinen Rücken und drückte sich noch fester an mich, schluchzte leise und zitterte noch stärker als zuvor.

Ich war nur noch überfordert mit der Sache. Nicht, weil Levis Haarausfall überraschend kam oder ich ihn mit Glatze nicht sehen wollen würde. Sondern weil ich sah, wie sehr er darunter litt. Auch, wenn er es sich nicht richtig eingestand. Für ihn war das normal. Er musste es hinnehmen, denn ändern konnte er es eh nicht. Doch ich sah ihm an, dass er es unter allen Umständen vermeiden wollte.

-

Nachdem Levi wieder aufgehört hatte zu weinen, hatte ich ihn ins Bett gebracht. Er war schon nach ein paar Minuten eingeschlafen.

Seufzend verließ ich das Schlafzimmer, räumte in der Küche das Frühstück ab – nach Essen war mir nun wirklich nicht mehr zumute – und wählte dann eine Nummer in meinem Handy.
Ich war überfragt und ich wusste, dass ich mich zu sehr von meinen Gefühlen für Levi mitreißen ließ. Ich wollte derjenige sein, den Levi zu dieser Zeit brauchte. Doch das war ich nicht. Nicht nur.

Ich machte ihm nur unnötig Sorgen. Meine Angst machte es für ihn nur noch schlimmer. Und so tippte ich auf den grünen Hörer und hielt mir das Handy ans Ohr.

„Eren! Was eine Ehre, dass du mich anrufst.", lachte die Brünette laut in mein Ohr. Ich antwortete nicht sofort, seufzte nur leise. „Was ist los?", sofort begriff Hanji den Ernst der Lage und war die Ruhe selbst.

Und so begann ich zu erzählen.

Die Ältere hörte mir aufmerksam zu, zeigte keine unnötigen Reaktionen, stellte keine unnötigen Fragen. Ich erklärte ihr mein Vorhaben und meine Bitte an sie. „Was hältst du davon?", fragte ich sie dann und sie grummelte leise. „Denkst du, dass er das schon kann? Das ging ja heute doch sehr auf die Psyche."

„Ich weiß nicht was ich machen soll, um ihn wenigstens ein bisschen glücklicher zu machen.", wieder kamen mir Armins Worte in denn Sinn. Ich kann nichts tun, außer da sein.
Aber vielleicht war es an der Zeit, dass nicht nur ich da wäre. Levi liebte seine Freunde – er würde es natürlich nie sagen. Ich wusste, dass er sie gerne bei sich hätte, auch wenn er es nicht zugeben würde.

„Pass auf Eren, ich regle das alles und sage dir dann Bescheid! Du gehst jetzt erstmal wieder zu ihm und bist einfach für ihn da. Ich kann mir sehr gut vorstellen, dass er das jetzt mehr braucht als mich oder die Jungs.", erklärte Hanji und ich brummte zustimmend.

Vermutlich hatte sie Recht. Und ich war ihr dankbar, dass sie mir diese Aufgabe abnahm.

Vielleicht würde es Levi wirklich helfen seine Freunde öfter zu sehen. Und das nicht wegen seiner Krankheit, sondern trotz seiner Krankheit. 

Chemistry [Ereri/Riren]Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt