Kapitel 22

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PoV Levi
Als ich wieder aufwachte, war es ausnahmsweise mal hell draußen. Wie immer fiel mein Blick auf meine rechte Seite, wo meine Augen einen dunklen Haarschopf trafen. Eren lag auf dem Bauch, hatte seinen Kopf seitlich auf seinen Armen liegen und ihn zu mir gedreht. Ich sah mir sein zerknauschtes Gesicht an und schmunzelte leicht, als er im Schlaf die Nase rümpfte und die Augenbrauen verzog. Scheinbar träumte er irgendwas.

Ich drehte meinen Kopf wieder von Eren weg, sah an die Decke und ließ meine Hand in meine Haare fahren.

Ich hatte schon vor ein paar Tagen gemerkt, dass ich Haarausfall bekam. Und natürlich war das normal. Immerhin wurde mein Körper mit Unmengen an Chemie gefüttert. Und irgendwie hatte ich mich mit dem Gedanken eine Glatze zu haben, abgefunden. Im Endeffekt waren es auch nur Haare. Nichts, was nicht wiederkommen würde.

Auch, wenn ich gelesen hatte, dass es Krebspatienten gab, die nicht so viel Glück hatten und sehr dünnes Haar bekamen oder noch vereinzelte kahle Stellen hatten, auch wenn der Krebs bereits seit Jahren geheilt war. Ich hoffte einfach auf das Beste. Wenn das hieß, dass ich vielleicht ein oder zwei Jahre mit deutlich weniger Haaren auf dem Kopf rumlaufen musste, dann war das halt so. Das war noch das deutlich kleinere Übel bei der ganzen Chemotherapie.

Das Gespräch mit Dina hatte mir viel Aufschluss und auch irgendwie eine Vorwarnung für manche Dinge geboten. Sie meinte, dass die Gefühle durch die schwankenden Hormone, extremer werden konnten. Sie selber war wohl nie ein eifersüchtiger Typ, jetzt war es für sie sogar schon schlimm, wenn ihr Sohn Zeit mit seiner Frau verbrachte. Ich hoffte einfach, dass ich nicht so werden würde. Dass ich meine Gefühle irgendwie unter Kontrolle bekommen würde.

Ich hatte keine Lust auf Gefühlsduselei. Nicht von Eren, nicht von mir. Ich war nicht so und ich wollte nicht, dass Eren dachte, dass ich gerne so wäre. Eigentlich wusste er das auch. Immerhin war ich schon immer so. Dass sich das ändern würde, würde ihn vermutlich mehr verwirren als freuen.

„Babe?", hörte ich es plötzlich neben mir und sah wieder nach rechts, wo Eren mich mit halb geöffneten Augen ansah. Er sah aus, als würde er jeden Moment wieder einschlafen und ein wenig amüsiert drehte ich mich komplett zu ihm um und musterte ihn. „Wie lange bist du schon wach?", fragte er mich dann und sah kurz auf seinen Wecker. „Noch nicht sehr lange. Wie spät ist es?", entgegnete ich.

„Gleich halb eins." Ich nickte.

Eren drehte sich wieder zu mir um, lächelte müde und legte seine Hand an meine Wange, stützte sich mit seinem unbeschäftigten Arm auf und sah zu mir runter. Beugte sich dann leicht zu mir runter, und legte sanft seine Lippen auf meine. Nicht lange, nicht fest. Nur ein kleiner "Guten-Morgen-Kuss".

„Geht's dir gut?", fragte er mich dann und ich brummte zustimmend. Irgendwie verkraftete ich diese Chemo besser als die Letzte.

„Dann stört es dich doch sicher nicht, wenn ich das mache.", mit einem Mal hatte Eren seine Hände an meiner Hüfte und zog mich auf sich. Ehe ich mich versehen konnte, saß ich breitbeinig auf dem Becken meines Freundes, hatte meine Hände auf seinem Unterleib. Er seine auf meinen Oberschenkeln.

Eren lächelte sanft, streichelte mir dabei seicht über die Beine und sah zu mir rauf. „Ich liebe dich.", murmelte er leise. Ich lächelte nur leicht.

-

Während Eren in der Küche ein kleines Frühstück vorbereitete, war ich im Badezimmer, sah in den Spiegel und seufzte leise, ehe ich mir die Haarbürste vom kleinen Regal neben dem Waschbecken nahm und mir den Wirrwarr auf meinem Kopf richtete.

Und je mehr ich kämmte, desto mehr kratzten die Borsten der Haarbürste auf meiner Kopfhaut und als ich mir erneut durch die Haare fuhr und dann in meine Hand sah, zuckte ich leicht zusammen.

Ja, ich hatte mich damit abgefunden eine Glatze zu bekommen.

Doch ein Haarbüschel der Größe einer Mandarine in den Händen zu halten – und zu wissen, dass es einfach von der Kopfhaut abgefallen war – schockierte mich dennoch. „Levi kommst du-", hörte ich es und drehte meinen Kopf zur offenen Badezimmertür, wo Eren mindestens genauso schockiert auf meine Hand starrte.

Nun konnte ich wirklich nicht mehr verstecken, dass etwas mit mir nicht stimmte.

Chemistry [Ereri/Riren]Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt