Kapitel 34

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PoV Levi
Am Montag begleitete Eren mich ins Krankenhaus zur Nachuntersuchung. Eigentlich war nicht viel anders gewesen als bei den Chemos davor. Doch ich hatte das Gefühl langsamer und schläfriger zu sein. Ich hatte Eren gefragt, worüber er und Doktor Becker am Freitag geredet hatten, doch er war einer Antwort ausgewichen und wechselte immer geschickt das Thema.

Ehrlich gesagt machte ich mir ein wenig Sorgen. Eren sollte noch nie mit zur Nachuntersuchung. Es hatte immer gereicht, wenn mich jemand abgeholt hatte. Meistens übernahm Erwin diese Aufgabe, doch Eren hatte ihm das heute abgenommen und begründete dies damit, dass er sowieso mitkommen müsse.

Und so saßen wir im Behandlungszimmer und warteten auf den jungen Doktor. „Willst du mir vielleicht jetzt sagen, warum du mit hier bist?", fragte ich den Brünetten und Eren sah betreten auf die Tischplatte. „Das wird er gleich machen." - „Und wieso hast du mir die letzten zwei Tage nichts gesagt?"

Wieder antwortete Eren nicht auf dieses Thema, doch diesmal hatte er sich nicht rausreden oder das Thema wechseln können, er hatte gar nicht die Möglichkeit gehabt zu antworten, da sich die Tür öffnete und der junge Mann in üblicher weißer Kluft zu uns in den Raum stieß und die Tür hinter sich zu fallen ließ.

„Guten Morgen.", sagte er und lächelte typisch. Er reichte uns die Hand und setzte sich dann zu uns an den Tisch, der sich in der Mitte des Behandlungszimmers befand. Wir erwiderten die Begrüßung und Becker schlug meine Akte auf.

„Wie geht es Ihnen?", fragte er an mich gerichtet und hielt sich bereit die wichtigsten Punkte mitzuschreiben. „Ganz gut. Ich bin nur irgendwie müderer und langsamer als sonst. Und so gut Luft bekommen habe ich die letzten Tage auch nicht wirklich.", erklärte ich und sah dem Arzt dabei zu, wie er sich Stichpunkte notierte.

„Dazu würde ich Ihnen auch gerne etwas erklären.", fing er an und aufmerksam hörte ich ihm zu, spürte dabei, wie Erens Hand sich unter dem Tisch auf meine legte und leicht zudrückte. Mein Arzt faselte irgendwelche medizinischen Fachbegriffe. Redete von Werten und Atmung pro Sekunde. Ich verstand nur die Hälfte von dem, was er sagte, doch das reichte. Verunsichert sah ich zwischen ihm und Eren hin und her, merkte, wie mir vor Panik langsam aber sich die Luft wegzubleiben schien.

„Um diesen Fehler zu beheben", der Arzt sprach weiter „würde ich sie für eineinhalb Wochen auf eine Kur schicken. Im Norden haben wir ein Schwesternkrankenhaus mit einer Wohnanlage für lungenkranke Patienten, wie Sie. Und sofern Sie damit einverstanden wären, würde ich Sie und Ihren Freund schon morgen losschicken. Die Fahrt dort hin wird vom Krankenhaus übernommen. Die gute Luft und die spezialisierten Ärzte könnten Ihnen innerhalb der kurzen Zeit sehr guttun.", sagte er und während er so sprach, entspannte ich mich wieder.

Deshalb musste Eren mit. Er musste bestimmt was unterschreiben oder dieser Verordnung anderweitig zustimmen. Deshalb hatte er mir am Wochenende auch nichts gesagt. Mir zu sagen, dass die Ärzte einen so großen Fehler bei mir gemacht hatten, hätte mich nur aus der Fassung gebracht und vielleicht wieder einen Schock oder eine Atemnot verursacht.

Nun erwiderte ich den Druck an Erens Hand, die noch immer auf meiner lag und sah im Augenwinkel, wie er auf unsere Hände sah.

Und auf Doktor Beckers anraten hin, stimmte ich seinem Vorschlag zu und bekam nur wenige Minuten später einen Attest und eine Überweisung in die Hand gedrückt. Eren ebenso. Als meine Begleitperson müsse er das zwar noch mit der Schule regeln, doch mit der Krankschreibung sollte auch dies kein Problem sein.

Ich sah auf den gelben Überweisungsschein - Krankenhaus St. Sina.

Vielleicht sollte ich das Ganze positiv sehen. Eren und ich bekamen endlich mal die Gelegenheit ein wenig Urlaub zu machen.

Und doch wurde ich dieses schlechte Gefühl nicht los, das sich wie angekettet in meiner Brust befand und dort wütete. Es würde ein kleiner Urlaub werden. Aber vielleicht auch der Letzte, den wir jemals wieder haben würden. Denn gerade nach so einem Fehler, den die Ärzte einfach so übersehen hatten, war meine Angst vor der Therapie noch mehr gestiegen. Und damit auch die Angst den Krebs doch nicht zu überleben.

Doch nicht mit Eren alt zu werden.
Nicht ein kleines Haus kaufen.
Keinen Hund adoptieren, den Eren so gerne wollte.
Keine Kinder, die ich mir insgeheim wünschte.

Nicht das einfache Leben, das ich mir erträumt hatte, als Eren in mein Leben gestoßen war.

Mit jeder Minute stieg meine Angst und mit jeder Minute sank sogleich meine Hoffnung.

Chemistry [Ereri/Riren]Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt