Drei

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Erleichtert stoße ich meinen angehaltenen Atem aus.

Vor etwa zwei Stunden sind wir von unserem Kurs Richtung Norden nach Nordosten abgewichen, aufgrund der misslichen Lage von mangelnder Wärme und noch knapperen Nahrungsvorräten. Zwar liegt mir nichts konkret an den Menschen in meinem Trupp, aber wenn ich will, dass sie mir in meiner Schlacht helfen, dann muss ich auch für sie sorgen. Als Gegenleistung quasi.

Noch hat niemand es laut ausgesprochen - außer Cheri -, aber die Unruhe steigt mit jedem Kilometer, den wir zurücklegen, auch ohne, dass die anderen von Cheris Misstrauen mir gegenüber mitbekommen haben. Meine Leute leiden. Wenn ich ohne darauf einzugehen voran presche, werden sie mich früher oder später verlassen.

Ein Teil von mir ist so eiskalt und stur, zu meinen, es wäre vollkommen egal, ob sie an meiner Seite stünden oder nicht - ich würde in jedem Fall meinen Sieg erringen.

Problem dabei ist nur, dass ich nicht eine Schlacht ausfechte, sondern einen Krieg. Ich brauche Soldaten und Verbündete. Ich brauche eine Armee. Und was ich am wenigsten gebrauchen kann, ist falscher Stolz.

Also habe ich den Kurs leicht abgeändert, voller Hoffnung, dass noch immer alles so ist, wie als wir als Kinder hier gespielt hatten, Bruder. Daher meine Erleichterung - diese Erinnerung an dich ist nicht ausgelöscht worden, diese Erinnerung lebt noch in dieser Welt.

Die Höhle, in der wir als Kinder immer gespielt, uns versteckt und zurückgezogen haben, steht noch - vollkommen intakt. Sie ist nicht sonderlich groß, jedoch ausreichend für eine Handvoll Menschen. Genau die perfekte Größe für einen Trupp wie meinen.

Ich erinnere mich an die wilden Tiere, die hier in der Nähe des Öfteren vorbeikommen, ich erinnere mich an die Wasserstelle, die nicht weit hinter den Bäumen des Waldes wartet, ich erinnere mich an das wohlige Gefühl, als wir uns hier wie eine kleine, selbstständige Familie gegenseitig versorgt haben, als wir uns aneinander gekuschelt haben und uns mit unserer gegenseitigen Körperwärme inmitten der harschen Landschaft getröstet haben.

Schwer schluckend versuche ich den stillen Schmerz zu vertreiben, der wieder durch mich hindurch flammt. Du bist tot, Bruder, und ich lebe - der größte Witz, den ich je gehört habe. Aber bald wirst du gerächt sein, flüstere ich in diesen brodelnden Klumpen in meinem Inneren, bald wird dein Mörder seine gerechte Strafe erfahren, hab Geduld.

Still deute ich auf die Höhle und gebe Freedom ein Zeichen - dieselbe Frage wie immer. Als sie den Kopf schüttelt, gebe ich ihr noch ein Signal, ehe ich voran pirsche. Wir müssen sichergehen, dass niemand dort Zuflucht bezieht, sonst werden wir böse überrascht werden in einem Moment, in dem wir uns sicher wähnen.

Stumm und lautlos nähere ich mich, spähe hinein - und atme zum zweiten Mal erleichtert aus. Verlassen.

Mit einem Blick zurück winke ich den Rest heran und auch sie pirschen an die Höhle heran - wenn auch weit weniger schnell und ziemlich tollpatschig.

Während ich sie alle hineinwinke, bleibt Cheri an meiner Seite. "Danke", haucht sie leise. In ihren Augen stehen Tränen. Meine Antwort darauf ist nur ein spöttisches Schnauben. Cheri hat mir mehr als einmal das Leben gerettet. Den Gefallen zu erwidern ist das Mindeste, was ich tun kann.

"Du willst gehen, nicht wahr?" Bei Freedoms leiser Stimme zucke ich überrascht zusammen. Sie habe ich hinter mir nicht kommen sehen. Oder sollte ich eher sagen, kommen hören?

Ich weiß nicht, mithilfe welcher Tricks sie es herausgefunden hat, aber ich nicke zögerlich. Cheri reißt die Augen auf, in ihren Gesichtszügen steht Panik. "Du willst uns verlassen?", flüstert sie geschockt.

Für einen Moment schließe ich die Augen, schüttele nur den Kopf und überlege, wie ich es erklären soll, wo ich doch nicht in der Lage bin, Wörter hervor zu würgen. Hilfesuchend wende ich mich an Freedom, aber auch die starrt mich nur an, in ihren Augen ein trotziges Funkeln.

Verstimmt presse ich die Lippen aufeinander. Ich weiß nicht, ob ich beleidigt sein oder lachen sollte, aber Freedom weiß ganz genau, was ich vorhabe, weigert sich jedoch, es für mich zu erklären. Das überlässt sie mir - welchen Weg der Kommunikation ich auch wählen sollte.

Also schneide ich eine Grimasse, deute auf den Waldrand und halte mir den Bauch. Verstehen flackert in Cheris Augen auf, und sie grinst breit, während sie nachrechnet. "Lass dir nicht zu viel Zeit, sonst wirst du es auch dem Rest erklären müssen", neckt sie mich.

Ich verziehe das Gesicht angewidert, und stapfe davon.

Aber als ich den Wald betrete...

Da schmunzle ich.

Storming LightWo Geschichten leben. Entdecke jetzt