Sechsundzwanzig

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Lucien

Ich habe gerade einer der Bediensteten ein Handzeichen gegeben, dass ich noch eine Schüssel von der köstlichen Suppe möchte, als eine Handvoll Männer sich mir gegenüber an meinen Tisch stellt.

Gelassen lehne ich mich zurück und lege den Kopf fragend schief. "Kann ich den werten Herren irgendwie helfen?" Während ich spreche, analysiere ich ihr Aussehen.

Sie alle sind vergleichsweise klein und rundlich gebaut, ihre Haare variieren zwischen blond und braun - eindeutig stammen sie aus Sol. Ihrer groben, gefütterten, teils gepanzerten Kleidung entnehme ich, dass sie Reisende sind, die sich in Gefahren stürzen, und die Schwerter an ihren Seiten sowie ihre abgewetzten Handschuhe beweisen mir, dass sie im Kampf nicht ganz unbewandert sind.

In ihren Augen leuchtet ein kalter Funke. Diese Männer machen keine halben Sachen - und ihnen ist jede Arbeit recht, egal wie schmutzig sie ist. Das alles kann ich an ihrer Haltung - aufrecht, das Kinn hoch erhoben, die Beine leicht gespreizt - und ihrer Mimik - eiskalter Blick, wachsame Augen, ein harter Zug um den Mund und eine steile Falte zwischen den Augenbrauen - erkennen. Die typischen, klischeehaften Bösewichte, könnte man sagen.

Der Kleinste, dessen Haare bereits ergrauen, lehnt sich nach vorne und stützt die Arme auf die Tischplatte. Er sieht mir tief in die Augen und weicht meinem Blick keine einzige Sekunde aus. "Du bist doch dieser Meisterschmied, über den die halbe Stadt auf einmal tuschelt, oder?", fragt er direkt. Seine Stimme ist trotz seiner geringen Größe tief und bellend. Das wird wohl der Anführer der Bande sein.

Gemächlich lächle ich ihn an und nehme die volle Schüssel Suppe entgegen, die mir von der Wirtstochter gebracht wird. Ich nehme mehrere große Schlucke, ehe ich die Schüssel auf den Tisch stelle und antworte. "Meisterschmied Leo - ja, das bin ich."

Die Begleiter des Anführers werden angesichts meiner lockeren Haltung unruhig. Augenscheinlich sind sie es gewohnt, dass man vor ihnen kriecht und buckelt - dass man Angst vor ihnen hat und um sein Leben fürchtet, wenn man von ihnen angesprochen wird. Das könnte ganz unterhaltsam werden, denke ich mit einem kleinen Lächeln.

Der Anführer beobachtet jede meiner Bewegungen, als ich erneut zu der Schüssel greife und sie an die Lippen setze. "Wir haben da etwas gefunden und müssen die Echtheit überprüfen - dazu solltest du doch in der Lage sein?", brummt er und behält mich genauestens im Auge.

Erst, als die Schüssel leer ist, und ich die Nächste bestellt habe, widme ich mich wieder dem Kerl. Die Falte auf seiner Stirn ist noch steiler geworden, seine Lippen hat er zu einem schmalen Strich aufeinandergepresst. Ich unterdrücke ein breites Grinsen. Da gehe ich wohl jemandem auf die Nerven.

Stattdessen schürze ich die Lippen und tue so, als würde ich nachdenken. "Es kommt auf den Gegenstand und die Bezahlung an, aber - ja, grundsätzlich könnte ich das tun."

"Bezahlung", zischt einer der Begleiter verächtlich und spuckt auf den Boden.

Der Anführer hebt eine Hand, während er mich nicht aus den Augen lässt. "Wie wäre es damit, dass ich dich nicht zu Tode prügeln lasse, weil du meine Stadt ohne meine Erlaubnis betreten hast?", knurrt er.

"Deine Stadt?", wiederhole ich ungläubig, nachdem ich meine Bestellung erneut entgegen genommen habe. Der Wirtstochter ist deutlich anzusehen, dass sie angesichts des bedrohlichen Tonfalls beunruhigt ist. Die Atmosphäre des gesamten Gasthauses ist bei der Drohung rapide abgekühlt. Mit Blick auf den Anführer schnaube ich. "Du willst also der Graf dieser kleinen Stadt sein? Dein schmutziges Aussehen widerspricht dem aber vehement", erwidere ich sanft und mit einem zuckersüßen Lächeln. Es kommt mir vor, als würde auf einmal jeder Anwesende die Luft anhalten, so still ist es.

"Wie kannst du es wagen...!", will einer der Begleiter auf mich losgehen. Wieder hält der Anführer ihn mit einem Handzeichen auf. Ich fühle mich wie in einer Arena - als würde ich ein rotes Tuch in der Hand halten und stünde einem wilden Stier gegenüber.

Ein kleines Lächeln schleicht sich auch auf das Gesicht des Anführers, was ihn noch gespenstischer aussehen lässt. "Es stimmt, dass ich kein offizieller Graf bin", erwidert er ruhig und freundlich, "Aber ich war es, der es geschafft hat, ihn umzubringen." Er sagt das so daher, als würde er über das Wetter plaudern.

Mein eigenes Grinsen gerät nicht ins Wanken, darauf achte ich. Ruhig und gefasst kippe ich die Suppe vor mir in einem Zug hinunter. Dann zucke ich mit den Achseln, während ich aufstehe und einige Münzen als Bezahlung auf den Tisch knalle. "Jemanden zu töten ist nichts besonderes mehr. Ihr wolltet, dass ich etwas für euch überprüfe?"

Schwungvoll stößt sich der Anführer von dem Tisch ab. "Ja, das wollten wir. Es liegt oben in unserem Zimmer - komm mit", fordert er mich bellend auf. Offenbar ist ihm dieser Gegenstand wichtiger, als ein kleines Handgemenge mit mir. Schade.

Storming LightWo Geschichten leben. Entdecke jetzt