Fünf

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In diesem einen Moment realisiere ich drei Dinge gleichzeitig:

Erstens, mein Traum von vergangener Nacht hat doch eine tiefere Bedeutung gehabt,

Zweitens, wenn einer dieser wahnsinnigen Idioten, die mich angreifen, jemandem von meinen Leuten auch nur eine einzige Wunde zugefügt haben, werde ich denjenigen bis ans Ende der Welt jagen - wenn es denn sein muss - und bei lebendigem Leib häuten,

Drittens, wenn ich Informationen erhalten will, sollte ich vorerst ein Theater spielen, bis sie mir ihr Vertrauen geschenkt haben, um es - wie in Zweitens - entweder auszunutzen, oder aber um sie als Verbündete hinzuzugewinnen. Ich bin dabei, einen Krieg zu führen. Ich brauche so viele Verbündete wie ich nur kriegen kann.

Daher halte ich mich erst einmal ruhig, lasse das Wolfsfell samt Kadaver fallen und hebe ergeben meine Hände. Cheri starrt mich dabei mit großen Augen an und schüttelt energisch den Kopf. Erst jetzt fällt mir auf, dass sie geknebelt ist - sie sind es alle.

"Mach ja keine falsche Bewegung", zischt mir der Mann ins Ohr, der mir seine Klinge an die Kehle drückt, "Sonst wirst du deine kleine Freundin nie wieder sehen."

Kleine Freundin. Ich lasse meinen Blick über die Geiseln - meine Leute - wandern und reiße die Augen auf, als ich beim Letzten angelangt bin.

Freedom ist nicht unter ihnen.

Was wollt ihr, würde ich zu gerne fragen, aber noch immer finde ich meine Stimme nicht. Wobei die Klinge an meinem Hals es ohnehin schwer machen würde. Das merkt wohl auch der Angreifer, denn er entfernt sie ein klein wenig, sodass ich reden könnte, wenn ich denn wollte - oder könnte.

"Wir stellen die Fragen, du antwortest. So einfach ist das. Niemand hier muss sterben oder verletzt werden - du musst nur antworten", weist mich eine andere Stimme hinter mir an. Offenbar haben er und seine Leute sich hinter mir versteckt gehalten. Die Tatsache, dass ich sie nicht kommen sehen habe, obwohl sie sich im Schnee versteckt gehalten haben - meinem Element - frustriert mich ein klein wenig. Aber das hilft mir gerade auch nicht weiter. Ich stehe vor einem ganz anderen Problem.

Sie wollen Antworten von mir. Gesprochene Antworten - und ich finde meine Stimme nicht. Die einzig andere Möglichkeit wäre, dass sie mir so viel Freiheit geben, dass ich zu meinem Stock greifen und Symbole in den Schnee zeichnen kann, aber ich denke nicht, dass sie so dumm wären.

"Wer seid ihr und was wollt ihr hier", lautet die erste, misstrauische Frage. Wobei es viel eher ein gebellter Befehl ist.

Ich weiß, ich sollte die Gefügige, Verängstigte spielen, aber wie soll das funktionieren, wenn ich nicht reden, nicht antworten kann? Mir bleibt nichts übrig, als mich an meinen Stolz zu klammern. Leise schnaube ich.

Ein schmerzhafter Ruck an meinen Haaren ist die harsche Antwort und ich schneide eine Grimasse. "Man hat dich etwas gefragt", zischt mir der Kerl hinter mir wieder zu.

Mein Blick ist fest auf Cheri gerichtet, die mich mit großen Augen anstarrt.

"Hörst du nicht zu, du kleine-", setzt er zu der nächsten Beleidigung an und setzt sein Messer wieder fest an meine Kehle - eine stumme Drohung -, aber jemand hinter ihm unterbricht ihn.

Gehorsam hält der Kerl inne. Ein Teil von mir kriecht unter dem Scherbenhaufen in meinem Inneren hervor und kann nicht anders, als sich provokant zu fragen, was für ein verweichlichtes Schoßhündchen der Schrank hinter mir doch ist, dass er seinem Herrchen auf einen Pfiff sofort gehorcht.

"Ist das nicht die Kleine, die vor fast einem Jahr zu der Verlobten des feurigen Bastards erklärt wurde?", grübelt der, der hier anscheinend das Sagen hat, da der Schrank auf ihn gehört hat...

Storming LightWo Geschichten leben. Entdecke jetzt