Dreiundzwanzig

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Lucien

Am liebsten würde ich vor Schadenfreude glucksen, aber das würde verdächtig wirken, also beherrsche ich mich. Natürlich habe ich die Möglichkeit, dass man mich untersucht, in Betracht gezogen. Hätte ich nicht alle Risiken abgewägt und vorgebeugt, wäre ich meines Titels nicht würdig.

Mit einem leisen Ächzen lasse ich meinen schweren Sack von meiner Schulter in den Schnee plumpsen. Meine Hände zittern nicht, als ich gemächlich die Schnur aufziehe und den Inhalt stolz präsentiere.

Der misstrauische Wachposten kniet sich hin und nimmt eine der vielen Waffen in die Hand. Prüfend wiegt und betrachtet er sie.

"Ein Dolch", erkläre ich mit schiefem Grinsen - man kann mir den Stolz vermutlich ansehen -, "Aus dem feinsten Silber überhaupt. Ich konnte leider nicht alle Waren auf meiner Reise hierher mitnehmen, aber die besten habe ich mitgeschleppt."

Nachdenklich nickt der Wächter. "Wieviel?"

Ich lasse mir meine Überraschung nicht anmerken. "Für eure Freundlichkeit gebe ich euch einen Rabatt: Drei Goldmünzen", antworte ich gut gelaunt, als würde ich über das Wetter plaudern. Bei den Göttern, bereits eine Goldmünze ist für einen durchschnittlichen Soldaten viel.

"Gleich drei!", ruft er aufgebracht aus, "Die meisten Waffen kosten gerade mal zwanzig Silberstücke! Was macht diesen Dolch so besonders?"

Lässig nehme ich den Dolch dem Wachposten aus der Hand, der jede meiner Bewegungen aufmerksam verfolgt. "Es ist der Schmiedeprozess", erkläre ich. "Normale Schmiede nutzen durchschnittliches Metall und bringen es einfach durch Erhitzen in die gewünschte Form. Aber ich bin ein Meisterschmied", prahle ich und sorge dafür, dass man meinen Stolz auf diesen Titel heraushören kann. "Ich habe das seltene Silber aus den Minen persönlich geborgen und mit meinen eigenen Flammen in Form gebracht", verkünde ich mit stolzgeschwellter Brust. Manchmal ist es unauffälliger, wenn man mit der Tür zu einem gewissen Grad ins Haus hineinfällt.

"Ein Elementgeborener - hier?" Misstrauisch kneift der Wachposten die Augen zu schmalen Schlitzen zusammen. "Die sind doch alle nach Sol zum König. Würdest du dort nicht im Gegenteil einen besseren Preis für solche Waren erzielen, Meisterschmied Leo?"

Er denkt, er wäre mir auf die Schliche gekommen. Er denkt, er hätte meine Täuschung durchschaut. Als wäre ich ein blutiger Anfänger, wenn es um Täuschungen geht! Ich habe mein ganzes Leben quasi umgeben von den besten Lügnern und den größten Schauspielern verbracht! Diese Wortgefechte mit den hiesigen Adeligen scheinen wohl doch nützlich gewesen zu sein.

Kopfschüttelnd schnalze ich mit der Zunge. In sanftem Tonfall erkläre ich: "Die anderen Elementgeborenen mögen so hochwohlgeboren wirken, aber sie sind eigentlich genauso pleite wie der große Rest. Außerdem ist eine geschmiedete Waffe eines Feuergeborenen für sie nichts besonderes - sie könnten sich jederzeit selbst welche machen, wenn sie das nötige Wissen besitzen würden." Ich rede, als würde ich einem kleinen Kind das Grundlegendste nahebringen.

"Meisterschmied Leo", schaltet sich der nettere Wächter ein. "Ich habe mich schon gefragt, woher ich den Namen kenne." Mit einem eindringlichen Blick zu seinem Partner fährt er fort: "Meine Nichte hat in Sol ein Geschäft aufgemacht und mir von einem berühmten, mysteriösen Schmied erzählt. Niemand kennt wohl sein Gesicht, weil er es immer bedeckt, aber das interessiert auch niemanden wirklich - seine Waren sollen umwerfend im Preis-Leistungs-Verhältnis abschneiden. Er ist weit bekannt in Sol und sehr beliebt."

Ich grinse breit über das Lob. "Freut mich, dass mein Ruf so weit verbreitet ist", erwidere ich. Und das ist keine Lüge. Aber die Identität des Meisterschmieds Leo ist ein Thema für später. Erst einmal muss ich in diese vermaledeite Stadt hineinkommen, vor deren Toren man mich noch immer aufhält.

"Na gut", antwortet der misstrauische Wächter und zuckt mit den Achseln. Offenbar hat er nachgegeben. Er kramt seine Geldbörse hervor und reicht mir die drei Goldmünzen im Tausch für den Dolch. "Tut uns leid, dass wir dich aufgehalten haben, Freund."

Dankbar neige ich den Kopf, verschließe den Sack wieder und werfe ihn mir über die Schulter. Mit einem schiefen Lächeln beobachte ich, wie sie die Tore öffnen. "Anweisung ist Anweisung, das verstehe ich. Zumindest macht ihr eure Arbeit gut", zucke ich mit den Achseln und gehe gut gelaunt an ihnen vorbei in das Stadtinnere. Endlich bin ich an meinem vorläufigen Ziel angekommen.

Storming LightWo Geschichten leben. Entdecke jetzt