Zweiundvierzig

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Lucien

Snows Gesicht ist beunruhigend blass, und dass sie ihre Lippen fest aufeinander presst und hektisch blinzelt beunruhigt mich. Offenbar stimmt etwas nicht.

Oder ist es doch einfach nur die Aufregung? Immerhin sieht sie zum ersten Mal, für wie viele Menschen sie Verantwortung trägt. Als ich das erste Mal gesehen habe, über wie viele Bewohner ich in Sol bestimmt habe, hat es mir auch die Sprache verschlagen.

Trotzdem. Wir sollten uns bereits weit genug von den anderen entfernt befinden, dass ich mit Snow über ihren Zustand reden kann, ohne große Unruhe oder Unsicherheit auszulösen. "Snow, ist alles in Ordnung? Du bist ziemlich blass", frage ich nach.

Ihre Augen weiten sich, während sie geradeaus blickt. Ich folge ihrem Blick und widerstehe dem Drang, eine Grimasse zu schneiden. Das ist nicht unbedingt das beste Timing für eine Familienzusammenkunft.

Denn die Person, die da auf uns zu kommt - das ist Snows kleine Schwester Annrhia, praktisch unsere Lebensretterin. Es war niemand geringerer als sie, die mich vor dem Tod im Schneesturm bewahrt hat, gemeinsam mit meiner kleinen Schwester Fire - und sie sind es auch, mit denen ich zusammengearbeitet habe, um die Festung zu sichern, gemeinsam mit ihrer Truppe eigenartiger, mysteriöser Kinder.

Anns Blick fällt sofort auf Snow und sie bleibt plötzlich stehen. Augenblicke vergehen stumm, ehe ich mich räuspere. Ich weiß auch nicht, was ich erwartet habe - vielleicht Freudensprünge und eine herzhafte Umarmung? -, aber ganz sicher nicht die kühle Atmosphäre, die gerade herrscht. Keine von beiden regt sich, nicht einmal mit der Wimper zucken sie.

Dann formt Ann plötzlich mit den Lippen lautlos ein Wort und Snow reißt die Augen auf. Keine Sekunde später stößt sie mich panikerfüllt von sich. Kurz hält sie inne, ihr Blick gleitet suchend über mich hinweg, dann schüttelt sie den Kopf, wirbelt herum und stürmt davon.

Verdattert lässt sie mich stehen. Was zum... Ich will ihr hinterher, aber Ann hält mich am Ärmel fest. "Es ist sicherer für uns, wenn wir uns zumindest vorerst von ihr fernhalten", redet sie eindringlich mit ihrer kühlen Stimme auf mich ein, während sie meinem Blick nicht ausweicht.

Für einen Moment kann ich nicht anders, als sie fassungslos anzustarren. "Das da war deine Schwester und es geht ihr ganz offensichtlich nicht gut." Keine Reaktion. "Ich werde ganz sicher nicht tatenlos abwarten, während es ihr nicht gut geht!", brause ich auf.

"Es geht hier um deine Sicherheit...", murmelt Ann wenig beeindruckt.

Bitter lache ich auf. Ich weiß, dass ich mehr Dankbarkeit an den Tag legen sollte, da sowohl Snow als auch ich nur dank ihr leben, aber - Götter! Was ist nur falsch mit ihr? "Was kümmert mich meine Sicherheit?", lächle ich verbittert. "Snow ist der einzige Grund, weshalb ich nicht schon längst das Handtuch geworfen habe."

Sie starrt mich ruhig an, schneidet mir aber den Weg ab, als ich Snow hinterher möchte. "Snow wäre es, die das Handtuch werfen würde, wenn dir etwas geschieht - umso mehr, wenn es ihretwegen wäre", stößt sie zwischen zusammengebissenen Zähnen hervor. Ah, die kleine Ann kann ja doch die Nerven verlieren.

"Weiß zufällig jemand von euch, was mit Snow los ist?", fragt Fire, die gerade aus der Richtung auf uns zu geschlendert kommt und über ihre Schulter deutet. "Die ist ja gerannt, als wäre der Tod persönlich hinter ihr her. Freya ist ihr zwar nach, aber..."

Ann zieht scharf die Luft ein. "Wir müssen sie sofort abpassen", wendet sie sich mit weit mehr... Lebendigkeit an Fire.

Es ist schwer zu beschreiben, aber wenn Ann alleine mit jemandem spricht, ist es, als würde jemanden eine Eispuppe ohne jegliche Emotionen ansprechen. Ist meine kleine Schwester hingegen anwesend, erwacht die Lebensfreude im Inneren der Eispuppe. Ich kann nicht umhin, als zu bemerken, dass mir das von jemandem bekannt vorkommt...

"Was ist denn passiert?", fragt Fire nun ernster.

Ann schüttelt den Kopf. "Später. Erst einmal müssen Freedom retten, bevor es zu spät ist."

Die Art und Weise wie sie über Snow spricht - als wäre sie eine gefährliche Bombe, die jeden Moment hochgehen könnte - empört mich zwar gewaltig, aber ich habe keine Zeit, sie scharf zurecht zu weisen. Ich bin schon an ihr vorbei gestürmt, den Flur entlang, den Snow passiert hat.

Storming LightWo Geschichten leben. Entdecke jetzt